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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: IV ZR 6/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 119 Abs. 2
BGB § 1954
BGB § 1956
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZR 6/05

vom 15. Februar 2006

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke

am 15. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beklagten zu 1) und Widerklägerin werden die Revision zugelassen und das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. November 2004 aufgehoben, soweit die Berufung gegen die Abweisung der Widerklage zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert insoweit: 74.508,81 €

2. Soweit auch für die Beklagte zu 2) Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. November 2004 eingelegt und zurückgenommen worden ist, wird die Beklagte zu 2) des Rechtsmittels für verlustig erklärt; sie hat die dadurch entstandenen Kosten nach einem Streitwert von 68.162,12 € zu tragen (vgl. §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO).

Gründe:

I. Die Beklagte zu 1) macht mit der Widerklage, um die es allein noch geht, Ansprüche aus einer Vereinbarung vom 18. April 1996 geltend, in der sich der am 30. September 1998 verstorbene Ehemann der Klägerin und ehemalige Geschäftsführer der Beklagten zu 1) u.a. verpflichtet hatte, der Beklagten zu 1) und den Gesellschaftern einen Betrag von insgesamt 1.464.627,60 DM zu erstatten. Die Klägerin und Widerbeklagte, die als Erbin ihres Ehemannes in Anspruch genommen wird, hat sich auf die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses berufen (§ 1990 BGB). Im Hinblick darauf hat die Beklagte zu 1) ihre Widerklage der Höhe nach auf den bezifferten Wert des Nachlasses beschränkt. Die Klägerin hat die Annahme der Erbschaft, die hier mit Ablauf der Ausschlagungsfrist sechs Wochen nach dem Erbfall eingetreten ist (vgl. §§ 1943, 1944 BGB), wegen Irrtums gemäß §§ 1956, 1954, 119 Abs. 2 BGB angefochten. Sie trägt vor, ihr sei die von ihrem verstorbenen Ehemann unterzeichnete Vereinbarung vom 18. April 1996 erst durch ein Schreiben des gegnerischen Anwalts vom 15. Februar 2000 zur Kenntnis gelangt, dem eine Kopie des Protokolls vom 18. April 1996 beigefügt war. Die öffentlich beglaubigte Anfechtung der Erbschaftsannahme und Ausschlagung der Erbschaft ging am 2. März 2000 beim Nachlassgericht ein.

Die Vorinstanzen haben die Widerklage abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht habe zwar zutreffend erkannt, dass die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anfechtungsgrund beweisen müsse, nämlich dass sie die (den Wert des Nachlasses übersteigende) Verbindlichkeit des Erblassers in Höhe von 1.464.627,60 DM bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist nicht gekannt habe; im Hinblick auf die damit erforderliche negative Beweisführung sei die Beklagte zu 1) substantiierungspflichtig. Soweit das Berufungsgericht aber angenommen habe, das Bestehen der Verbindlichkeit sei der Klägerin bei einem Telefongespräch mit der Beklagten zu 2), der Geschäftsführerin der Beklagten zu 1), im Oktober 1998 nicht hinreichend zuverlässig dargelegt worden, habe das Berufungsgericht lediglich den ursprünglichen Vortrag der Beklagten berücksichtigt, nämlich dass die Beklagte zu 2) die Klägerin auf eine Verpflichtung des Erblassers in Höhe von mehr als 1 Mio. DM hingewiesen habe. Dieses Vorbringen hatte bereits das Landgericht im Termin vom 14. März 2002 nicht für ausreichend gehalten, weil eine Kenntnis der Klägerin erst angenommen werden könne, wenn ihr zumindest die Grundlagen bekannt seien, die eine Überprüfung der in den Raum gestellten Ansprüche ermöglichen. Darauf haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 8. April 2002 vorgetragen, die Klägerin habe das Telefongespräch mit der Feststellung eröffnet, ihr sei bekannt, dass ihr verstorbener Ehemann der Gesellschaft noch eine siebenstellige Summe schulde; um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, wolle sie ein Gespräch mit der Beklagten zu 2) führen; diese habe erwidert, es handle sich um 1,4 Mio. DM. Diesen Schriftsatz habe das Berufungsgericht nicht in seine Würdigung einbezogen. Da die Klägerin keinen Beweis für ihre Unkenntnis in der Zeit bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist angetreten habe, könne die Anfechtung der Erbschaftsannahme nicht durchgreifen.

II. Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet.

1. Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, dass der weitere Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 8. April 2002 zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden ist. Das Berufungsgericht führt im Zusammenhang seiner Ausführungen zum Anfechtungsgrund hinsichtlich des Telefongesprächs vom Oktober 1998 lediglich aus, selbst wenn der bestrittene Vortrag der Beklagten zutreffe, dass die Klägerin von der Beklagten zu 2) auf die Verbindlichkeiten des Erblassers hingewiesen worden sei, schließe dies den geltend gemachten Irrtum nicht aus; vielmehr liege nahe, dass die Klägerin der Beklagten zu 2) nicht geglaubt habe und weiter davon ausgegangen sei, dass keine Verbindlichkeiten des Erblassers in der erwähnten Höhe bestanden.

Hätte das Berufungsgericht darüber hinaus in Betracht gezogen, dass die Klägerin das Telefongespräch von sich aus mit der Feststellung eröffnet haben soll, ihr sei bekannt, dass der Erblasser der Gesellschaft noch eine siebenstellige Summe schulde, wie die Beklagten im Schriftsatz vom 8. April 2002 vorgetragen haben, hätte es die von der Klägerin geltend gemachte Unkenntnis einer Überschuldung des Nachlasses für bestritten halten müssen. Seine Annahme, der Anfechtungsgrund stehe schon aufgrund des Vorbringens der Klägerin fest, kann danach keinen Bestand behalten.

2. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist es Sache der Klägerin, den Anfechtungsgrund zu beweisen (vgl. Soergel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1954 Rdn. 13). Sie ist vom Landgericht auf Antrag der Beklagten als Partei zu der Frage vernommen worden, sie habe schon geraume Zeit vor dem 15. Dezember 2000 Kenntnis davon gehabt, dass der Nachlass mit mehr als 1,4 Mio. DM überschuldet gewesen sei. Dabei ist sie vom Beklagtenvertreter auch nach dem Telefongespräch vom Oktober 1998 gefragt worden und hat ausgesagt, sie habe die Beklagte zu 2) wegen der Ansprüche angerufen, die der Klage zugrunde liegen; der streitige Betrag von 1,4 Mio. DM sei nicht erwähnt worden. Damit wird sich das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache befassen müssen.

Ende der Entscheidung

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