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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.05.1998
Aktenzeichen: IV ZR 81/97
Rechtsgebiete: AVB f. Kraftfahrtvers. (AKB)


Vorschriften:

AVB f. Kraftfahrtvers. (AKB) § 12
AVB f. Kraftfahrtvers. (AKB) § 12

Kann der Versicherungsnehmer für das Abstellen und das spätere Nichtwiederauffinden seines Fahrzeuges nur verschiedene Zeugen benennen, so ist mit ihnen der Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls nur dann zu führen, wenn ihre Aussagen zuverlässig ergeben, daß sich ihre Beobachtungen auf ein- und dieselbe Örtlichkeit beziehen.

BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 - IV ZR 81/97 - OLG Frankfurt am Main LG Frankfurt am Main

LG Frankfurt am Main Entsch. v. 27.7.95 - 2/5 O 87/95

OLG Frankfurt Entsch. v. 28.2.97 - 7 U 253/95

IV ZR 81/97


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 81/97

Verkündet am: 27. Mai 1998

Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz, den Richter Dr. Zopfs, die Richterin Dr. Ritter und die Richter Römer und Dr. Schlichting auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 1998

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 1997 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger fordert von der Beklagten, bei der er einen von ihm geleasten PKW BMW 535i kaskoversichert hatte, Entschädigung mit der Behauptung, das Fahrzeug sei ihm am 12./13. November 1993 gestohlen worden. Er beziffert die geforderte Entschädigung mit 84.825,72 DM.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In zweiter Instanz ist dem Kläger nach Beweisaufnahme - unter Zurückweisung seiner Berufung im übrigen - ein Betrag von 80.411,75 DM nebst Zinsen zuerkannt worden. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, die die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Der Berufungsrichter hat den Beweis für das äußere Bild eines bedingungsgemäßen Diebstahls - Abstellen des versicherten PKW am 12. November 1993 gegen 18.45 Uhr in einer Seitenstraße der Ortschaft B. und das Nichtvorfinden am Morgen des 13. November 1993 an dieser Stelle - aufgrund der Aussagen von zwei Zeugen als geführt angesehen. Bedenken gegen deren Glaubwürdigkeit und gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben bestünden nicht.

Der Zeuge R. habe bekundet, daß er sich verabredungsgemäß mit dem Kläger an dessen bereits abgestelltem PKW getroffen habe, um ihn in seinem, des Zeugen, PKW zu einem Eishockeyspiel in B. N. mitzunehmen. Da der Kläger während und nach dem Spiel Alkohol zu sich genommen habe, habe er sich von dem Zeugen zu seiner Wohnung in H. zurückfahren lassen.

Die Zeugin T. habe im Kern ihrer Aussage die Behauptung des Klägers, ihres damaligen Lebensgefährten, untermauert, sie habe ihn am Morgen des 13. November 1993 zu dem Abstellplatz seines PKW gefahren. Der Kläger habe den PKW an der von ihm bezeichneten Stelle aber nicht mehr aufgefunden.

Daran anschließend hat der Berufungsrichter im einzelnen dargelegt, weshalb er sich nicht von der erheblichen Wahrscheinlichkeit habe überzeugen können, daß der Kläger einen Diebstahl nur vorgetäuscht habe, und die Höhe der geschuldeten Entschädigung erörtert.

2. a) Die Revision beanstandet, daß der Berufungsrichter, der allerdings die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Beweiserleichterungen für beide Parteien nicht verkannt habe (was zutrifft), hier den Beweis der Mindesttatsachen für das äußere Bild eines Kraftfahrzeugdiebstahls, das den Schluß auf eine hinreichend wahrscheinliche Entwendung erlaube, anhand der Zeugenaussagen als geführt angesehen habe. Der Kläger möge zwar mit dem Zeugen R. bewiesen haben, daß er sein versichertes Fahrzeug am 12. November 1993 gegen 18.45 Uhr in einer Sackgasse am Ortsausgang von B. abgestellt habe. Nicht gelungen sei ihm jedoch der Beweis, daß er es dort am nächsten Morgen nicht mehr vorgefunden habe. Die Zeugin T. habe gerade nicht bestätigen können, daß der Kläger sich von ihr zum Abstellplatz seines PKW habe fahren lassen. Sie habe sich weder erinnern können, wohin sie der Kläger in B. dirigiert habe, noch habe sie anhand der Lichtbilder aus den Ermittlungsakten die Stelle wiedererkannt, die ihr der Kläger am Morgen des 13. November 1993 als Abstellplatz seines Fahrzeugs bezeichnet habe.

b) Die Revisionsrüge ist begründet.

Zwar kann der Versicherungsnehmer den erleichterten Entwendungsbeweis (siehe dazu BGHZ 123, 217, 220; Senatsurteil vom 26. Juni 1996 - IV ZR 164/95 - VersR 1996, 1135 unter 1a) mit stets vorrangig zu hörenden Zeugen (Senatsurteil vom 26. März 1997 - IV ZR 91/96 - VersR 1997, 733) grundsätzlich auch dann führen, wenn das Abstellen des PKW und sein späteres Nichtwiederauffinden von jeweils verschiedenen Personen beobachtet wurde. Geführt ist der Beweis der erforderlichen Mindesttatsachen für das äußere Bild eines Fahrzeugdiebstahls indes nur, wenn die Angaben der Zeugen zuverlässig ergeben, daß sich ihre Beobachtungen für das Abstellen und das Nichtwiederauffinden auf ein und dieselbe Örtlichkeit beziehen.

Daran fehlt es hier. Der Zeuge R. hat eine Straße in B. als Abstellort bezeichnet, die man von U. kommend bei einem Rechtsabbiegen an der Ampelanlage hinter der nächsten Kreuzung durch erneutes Rechtsabbiegen erreiche. In der Nähe des abgestellten PKW hätten sich Mülltonnen befunden. Auf Vorhalt der Lichtbilder aus den Ermittlungsakten konnte er nur nicht sicher sagen, ob der eingezeichnete rote Pfeil den genauen Abstellplatz angebe oder ob das Fahrzeug dichter bei den Mülltonnen gestanden habe. Die Zeugin T. gab an, vor und nach dem 13. November 1993 nie in B. gewesen zu sein. Auch anhand der ihr vorgelegten Lichtbilder komme ihr keine Erinnerung, wohin sie den Kläger seinerzeit gebracht habe. An der von ihm bezeichneten Stelle habe allerdings kein PKW gestanden.

Diese Bekundungen ergeben nicht, daß die beiden Zeugen von der gleichen Örtlichkeit gesprochen haben. Der Kläger kann demnach den erleichterten Diebstahlsbeweis mit Zeugen nicht vollständig führen. Andererseits ist er durch die Vernehmung der Zeugin auch noch nicht mit diesem Beweis endgültig gescheitert. Die vom Tatrichter für glaubwürdig gehaltene Zeugin T. hat nicht etwa den Vorgang des Nichtwiderauffindens in Abrede gestellt, sondern konnte lediglich die Örtlichkeit, die ihr vom Kläger als Abstellort angegeben wurde und an der tatsächlich sein PKW nicht stand, nicht näher konkretisieren. Unter diesen Umständen ist der Kläger für einen Teil des Vorganges des Nichtwiederauffindens als zeugenloser Versicherungsnehmer anzusehen, dessen mündliche Anhörung insoweit grundsätzlich in Betracht kommt. Allerdings wird es entscheidend sein, ob der Kläger als glaubwürdig angesehen werden kann (siehe dazu Senatsurteil vom 19. Februar 1997 - IV ZR 12/96 - VersR 1997, 691).

Dieser Frage ist das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, bislang nicht nachgegangen. Dies macht die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht notwendig.

3. a) Zutreffend hat der Berufungsrichter gesehen, daß das äußere Bild eines Fahrzeugdiebstahls nicht schon dadurch entfällt, daß der Versicherungsnehmer keine plausible Erklärung für die erwiesene Fertigung einer Schlüsselkopie geben kann und der Lenkschloßzylinder des Fahrzeugs später ohne Aufbruchspuren wiederaufgefunden wird (siehe dazu auch BGHZ 130, 1 und Senatsurteil vom 26. Juni 1996, aaO unter 2). Doch wird sich das Berufungsgericht schon bei der Prüfung, ob der Kläger glaubwürdig ist, auch damit auseinanderzusetzen haben, daß eine Schlüsselkopie gezogen wurde.

b) Sollte es erneut darauf ankommen, ob eine erhebliche Vortäuschungswahrscheinlichkeit gegeben ist, wird das Berufungsgericht auch hier in seine Gesamtschau mit einzubeziehen haben, daß - vom Kläger nicht plausibel erklärt ein Nachschlüssel gefertigt wurde (siehe dazu Senatsurteil vom 13. Dezember 1995 - IV ZR 54/95 - VersR 1996, 319). Es wird die Nachschlüsselfertigung nicht erneut als den Kläger nicht belastenden Umstand ausklammern können, zumal es selbst bereits gesehen hat, daß ein Dieb, der einen Nachschlüssel gefertigt hätte, schwerlich von dem Standort des PKW und dem ursprünglich gar nicht beabsichtigten Stehenlassen über Nacht Kenntnis haben konnte. Die Anfertigung eines Nachschlüssels reicht zwar für sich alleine nicht aus, um die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Diebstahls darzutun. Sie ist aber im Rahmen der Gesamtschau zusammen mit weiteren Indizien ein Umstand, der nicht vernachlässigt werden darf.

Ende der Entscheidung

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