Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: IV ZR 9/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 544 Abs. 7
BGB § 254
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZR 9/06

vom 30. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke

am 30. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 5. Dezember 2005 zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 52.756,55 €

Gründe:

I. Die Beschwerde führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, weil es den von ihm angebotenen Sachverständigenbeweis nicht erhoben hat. Der Kläger hat zum Beweis seiner Behauptung, die (als solche unstreitigen) Änderungen des Endalters und damit der Dauer der Berufsunfähigkeitsrente im Versicherungsantrag seien von Mitarbeitern der Beklagten vorgenommen worden, in erster Instanz die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. In der Berufungserwiderung hat er anhand eines Vergleichs der Änderungen und sonstigen Eintragungen in den von der Beklagten vorgelegten zwei Kopien von unterschiedlichen Blättern des Durchschreibesatzes unter anderem im Einzelnen dargelegt, dass die streitigen Änderungen sich im Schriftbild unterschieden, die Änderungen demgemäß nicht im Durchschreibeverfahren, sondern erst nach Trennung des Durchschreibesatzes erfolgt seien und diese Trennung erst im Hause der Beklagten vorgenommen worden sei. Er hat weiter auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und die nicht erledigten Beweisangebote Bezug genommen. Als in erster Instanz siegreiche Partei brauchte der Kläger ohne Hinweis des Berufungsgerichts weiteres nicht vorzutragen (vgl. BVerfG NJW 2000, 131).

Das Berufungsgericht ist dem Beweisangebot nicht nachgegangen, weil der Antrag bei der Beklagten nur noch in Mikrofiche vorliege und die Einholung eines Sachverständigengutachtens deshalb ersichtlich keine weitere Aufklärung ermögliche. Darin liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die im Prozessrecht keine Stütze findet und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfG NJW-RR 2001, 1006, 1007; BVerfG NJW 2003, 125, 127; BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - VI ZR 166/06 - VersR 2007, 1008 f.). Die Beantwortung der Frage, ob eine Begutachtung geeignet ist, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen, setzt im Allgemeinen fachspezifische Sachkunde voraus. Das Berufungsgericht hat nicht dargelegt, dass es über diese Sachkunde verfügt. Die - unterstellte - Vernichtung der Originale schließt zwar Materialuntersuchungen und Farbvergleiche aus, nicht aber Feststellungen zu der Behauptung des Klägers, das Schriftbild in den beiden Antragsexemplaren sei unterschiedlich.

2. Das Berufungsgericht wird deshalb das beantragte Gutachten einzuholen haben. Zuvor ist der Beklagten die Vorlage der Originalanträge aufzugeben, wie vom Kläger mehrfach beantragt. Die Beklagte hat sich bisher nicht dazu geäußert, ob ihr dies möglich ist. Das Berufungsgericht hat im Übrigen nicht gesehen, dass der Versicherer sich auf Beweisschwierigkeiten, die aus dem Fehlen des Originals herrühren, nicht berufen darf und der Versicherungsnehmer dann so zu stellen ist, als sei ihm der Beweis gelungen (Senatsurteil vom 21. Juni 2000 - IV ZR 157/99 - VersR 2000, 1133 unter I).

II. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zugunsten des Klägers entscheidungsreif.

1. Die Beklagte muss sich die Kenntnis und das Handeln der Maklerin nicht zurechnen lassen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der Versicherer das Verhalten eines Maklers zurechnen lassen muss, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. Urteile vom 19. September 2001 - IV ZR 235/00 - VersR 2001, 1498 unter II 2; vom 17. Januar 2001 - IV ZR 282/99 - VersR 2001, 368 unter II 1 und vom 22. September 1999 - IV ZR 15/99 - VersR 1999, 1481 unter 2 c, jeweils m.w.N.). Daran gemessen rechtfertigt der Vortrag des Klägers eine Zurechnung des Maklerverhaltens nicht.

2. Wenn unterstellt wird, die Beklagte habe den Versicherungsantrag in der von ihr vorgelegten Fassung erhalten, könnte Anlass für eine klärende Nachfrage bestanden haben und vorbehaltlich weiterer tatsächlicher Feststellungen ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht kommen. Dabei wäre aber nach § 254 BGB zu berücksichtigen, dass dann die Hauptverantwortung für den Schaden bei der Maklerin läge.

Ende der Entscheidung

Zurück