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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: IX ZA 22/00
Rechtsgebiete: VerglO, ZPO
Vorschriften:
VerglO § 121 Abs. 1 | |
VerglO § 19 Abs. 2 | |
VerglO § 46 | |
VerglO § 19 Abs. 1 | |
ZPO § 568 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 567 Abs. 4 | |
ZPO § 318 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
14. Dezember 2000
in dem Konkurs- und Vergleichseröffnungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel
am 14. Dezember 2000
beschlossen:
Tenor:
Die "außerordentlichen Beschwerden" gegen die Beschlüsse des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. August 2000 - 4 W 483/2000 und 4 W 486/2000 - werden auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Die Anträge der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe werden zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf insgesamt 300.000 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Gläubigerin hat am 21. Oktober 1998 Konkursantrag wegen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gestellt. Vor Entscheidung über diesen Antrag hat die Schuldnerin am 18. März 1999 die Durchführung eines Vergleichsverfahrens beantragt. Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 2. August 1999 diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, er sei wegen der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Aufhebung der Vergleichsordnung unzulässig. Mit einem gleichzeitig erlassenen weiteren Beschluß hat das Amtsgericht das Konkursverfahren eröffnet und den Beteiligten zu 2) zum Konkursverwalter bestellt. Die gegen beide Beschlüsse eingelegten sofortigen Beschwerden hatten keinen Erfolg. Die sofortigen weiteren Beschwerden hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin jeweils mit einer "außerordentlichen Beschwerde". Sie beantragt außerdem, ihr hierfür Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
II.
Gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte ist grundsätzlich eine Beschwerde nicht zulässig (§ 567 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Auch eine sogenannte außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Das Oberlandesgericht hat offengelassen, ob die sofortige weitere Beschwerde, soweit es um die Entscheidung über den Vergleichsantrag als solchen geht, von vornherein nicht statthaft sei, weil § 121 Abs. 1 VerglO eine Anfechtung nur insoweit zulasse, als die Vergleichsordnung dies bestimme, und § 19 Abs. 2 VerglO im Verfahren zur Entscheidung über den Vergleichsantrag das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde nicht vorsehe. Jedenfalls seien, so hat das Oberlandesgericht ausgeführt, die weiteren Beschwerden hier insgesamt deswegen unzulässig, weil es an einem nach § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderlichen neuen selbständigen Beschwerdegrund fehle.
Diese Beurteilung ist jedenfalls nicht mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar, weil sie jeder Grundlage entbehrte und inhaltlich dem Gesetz fremd wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 7. Juli 1997 - II ZB 7/97, ZIP 1997, 1553 f m.w.N.). Ein neuer selbständiger Beschwerdegrund ist allerdings, wie das Oberlandesgericht nicht übersehen hat, auch bei übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen anzunehmen, wenn die Beschwerdeentscheidung auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruht (vgl. die Nachweise bei Musielak/Ball, ZPO 2. Aufl. § 568 Rn. 9; ferner BVerfG NJW 1979, 538 f; 1988, 1773, 1774). Ob die Anfechtbarkeit unter diesem Gesichtspunkt auch dann gegeben ist, wenn das Beschwerdegericht denselben Verfahrensfehler begeht, auf dem die Ausgangsentscheidung beruht, ist streitig (vgl. zum Meinungsstand Musielak/Ball aaO § 568 Rn. 10). Nähme man dies an, dann könnte hier als Verfahrensfehler allenfalls die Verletzung eines Verfahrensgrundrechts in Betracht kommen, die zwar ebenfalls noch nicht die nach § 567 Abs. 4 ZPO ausgeschlossene Beschwerde eröffnen, das Oberlandesgericht jedoch dazu verpflichten würde, die Verletzung jenes Rechts selbst - unter Einschränkung seiner Bindung nach § 318 ZPO - auf Gegenvorstellung zu beheben (vgl. BGH, Beschl. v. 25. November 1999 - IX ZB 95/99, NJW 2000, 590). Eine Gesetzesauslegung, die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist, verstößt gegen das Grundrecht des von einer solchen Auslegung Betroffenen auf ein objektiv willkürfreies Verfahren und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG (BGH, Beschl. v. 25. November 1999 aaO m.w.N.).
Im vorliegenden Fall haben das Amtsgericht und das Landgericht gemeint, die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens komme deswegen nicht in Betracht, weil die Schuldnerin einen entsprechenden Antrag nicht bis spätestens 31. Dezember 1998 gestellt habe. Nach Aufhebung der Vergleichsordnung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 (Art. 2 Nr. 1 EGInsO) sei das nicht mehr möglich. Art. 103 EGInsO bestimme lediglich, daß vor dem 1. Januar 1999 beantragte Verfahren nach dem bisherigen Recht durchzuführen seien. Ein noch im Jahr 1998 gestellter Konkursantrag könne, so haben beide Gerichte unter Hinweis auf eine Kommentarstelle (Hess, InsO, Band 2, 1999, Art. 103 EGInsO Rn. 4) ausgeführt, nicht dadurch "unterlaufen" werden, daß nach dem 1. Januar 1999 die Eröffnung des Vergleichsverfahrens beantragt werde. Zu einem solchen Antrag habe die Schuldnerin nach Eingang des Konkursantrags im Oktober 1998 bis Ende Dezember noch genügend Zeit gehabt. Das Landgericht hat hinzugefügt, es brauche als eine "theoretische Frage" hier nicht entschieden zu werden, was zu gelten habe, wenn der Konkursantrag "praktisch am letzten Tag der Geltungsdauer der Konkursordnung" eingereicht werde.
Diese Auslegung könnte auf Bedenken stoßen, weil die Übergangsvorschrift des Art. 103 EGInsO gewährleisten soll, daß grundsätzlich auf ein Insolvenzverfahren, das durch einen vor dem 1. Januar 1999 gestellten Antrag - sei es nach der Konkursordnung, sei es nach der Vergleichsordnung oder sei es nach der Gesamtvollstreckungsordnung - eingeleitet wird, das gesamte sich aus diesen Gesetzen ergebende "alte" Insolvenzrecht angewandt wird. Zu diesem Recht gehört es auch, daß nach Stellung des Konkursantrags durch einen Gläubiger der Schuldner gemäß § 46 VerglO durch einen Vergleichsantrag, sofern er sich als begründet erweist, die Eröffnung des Konkursverfahrens abwenden kann. Prozessual wird das dadurch erreicht, daß der Vergleichsantrag bis zur Entscheidung darüber eine Aussetzung des Konkursverfahrens bewirkt und im Fall der Zurückweisung gemäß § 19 Abs. 1 VerglO zugleich über die Eröffnung des Konkursverfahrens zu entscheiden ist. Ist ein Vergleichsantrag nach dem 31. Dezember 1998 nicht mehr zulässig, dann wird dem Schuldner die Möglichkeit, das nach altem Recht vom Gläubiger eingeleitete Konkurseröffnungsverfahren aufzuhalten, genommen. Eine solche Einschränkung der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden insolvenzrechtlichen gesetzlichen Bestimmungen läßt sich dem Sinn und Zweck der Überleitungsvorschrift des Art. 103 EGInsO und den Gesetzesmaterialien (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu Art. 107, BT-Drucks. 12/3803, S. 116 f) nicht ohne weiteres entnehmen. Es mag deshalb manches dafür sprechen, bei einem nach altem Recht durchzuführenden, von einem Gläubiger beantragten Konkursverfahren dem Schuldner auch nach dem 31. Dezember 1998 die Möglichkeit, vor Entscheidung über den Konkursantrag ein Vergleichsverfahren zu beantragen, zu belassen. Die gegenteilige Auslegung des Art. 103 EGInsO läßt sich indessen nicht als schlechthin unvertretbar bezeichnen. Immerhin könnte man dem Wortlaut der Vorschrift, der darauf abstellt, daß unter anderem ein Vergleichsverfahren vor dem 1. Januar 1999 beantragt worden sein muß, entnehmen, daß die Stellung eines Vergleichsantrags nach dem 31. Dezember 1998 in jedem Fall ausgeschlossen sein solle. Das Ergebnis, zu dem das führen würde, dürfte nicht untragbar sein; denn der Schuldner kann innerhalb des Konkursverfahrens den Abschluß eines Zwangsvergleichs (§§ 173 ff KO) anstreben.
Berücksichtigt man diese wenig klare Gesetzeslage, dann kann man von einer unter allen rechtlichen Gesichtspunkten schlechthin unvertretbaren Auslegung des Art. 103 EGInsO durch das Amtsgericht und das Landgericht nicht sprechen. Ein objektiv willkürliches Verfahren liegt deshalb nicht vor.
III.
Die Bewilligung der beantragten Prozeßkostenhilfe kommt mangels Erfolgsaussicht der außerordentlichen Beschwerden nicht in Betracht.
Ende der Entscheidung
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