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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: IX ZB 15/07
Rechtsgebiete: InsVV
Vorschriften:
InsVV § 3 Abs. 1 Buchst. a | |
InsVV § 11 Abs. 1 Satz 4 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 11. Oktober 2007
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer
am 11. Oktober 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 22. Januar 2007 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6.875,81 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der weitere Beteiligte beantragte am 20. April 2006 die Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in Höhe von 12.198,35 € zuzüglich Auslagenersatz und Umsatzsteuer. In die Berechnungsgrundlage stellte er 141.195,72 € für ausstehende Einlagen, 121.000 € für Grundstücke, Bauten und 35.000 € für Mietforderungen ein. Als Vergütungssatz legte er 40 v.H. (25 v.H. als Regelsatz und 15 v.H. als Zuschlag für Haus- und Grundstücksverwaltung) der Verwaltervergütung zugrunde.
Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - hat die Nettovergütung auf 6.270,93 € festgesetzt. Es hat das mit Absonderungsrechten wertausschöpfend belastete Grundeigentum bei der Berechnungsgrundlage nicht berücksichtigt und den Zuschlag nicht gewährt, weil sich der weitere Beteiligte nicht erheblich mit dem Grundeigentum befasst habe. Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat der weitere Beteiligte die Festsetzung einer zusätzlichen Vergütung von 5.927,42 € zuzüglich Umsatzsteuer begehrt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der weitere Beteiligte mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Das statthafte (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 567 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Rechtsmittel ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO); es hat jedoch keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat die Vorschriften der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung in der bis zum 6. Oktober 2004 geltenden Fassung angewendet. Am 29. Dezember 2006 - und damit bevor der angefochtene Beschluss ergangen ist - war jedoch die Zweite Verordnung zur Änderung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (BGBl. 2006 I, S. 3389) in Kraft getreten. Im Umkehrschluss aus § 19 Abs. 2 InsVV n.F. könnte sich ergeben, dass die Neufassung auf Vergütungen aus vorläufigen Insolvenzverwaltungen anzuwenden ist, die bis zum 29. Dezember 2006 noch nicht rechtskräftig abgerechnet wurden. Gegebenenfalls beträfe sie auch das vorliegende Sachverhältnis. Andererseits bestimmt Absatz 1 der Vorschrift, auf vor dem 1. Januar 2004 eröffnete Insolvenzverfahren seien die Vorschriften der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung in ihrer bis zum 6. Oktober 2004 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Im vorliegenden Fall ist das Insolvenzverfahren am 8. Oktober 2003 eröffnet worden. Wie sich der Absatz 1 zu Absatz 2 verhält, ergibt sich aus der Verordnung nicht unmittelbar. Diese Frage kann indes offen bleiben.
2. Selbst wenn das neue Recht anwendbar wäre, könnte der weitere Beteiligte daraus nichts für sich herleiten.
a) Zwar sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV n.F. Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dem Vermögen nach Satz 2 hinzuzurechnen und nicht etwa durch einen Zuschlag zu berücksichtigen. Der Verordnungsgeber hat insoweit den Rechtszustand nach der alten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vor deren Änderung durch die Beschlüsse BGHZ 165, 266 ff und BGHZ 168, 321 ff) wiederhergestellt.
b) Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV n.F. werden Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, dem Vermögen nach Satz 2 jedoch nur dann hinzugerechnet, sofern sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst hat. Dieses Erfordernis hat der Verordnungsgeber aus der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übernommen (vgl. BGHZ 165, 266, 271 ff; 168, 321, 324).
c) Nach den Feststellungen der Tatrichter hat sich im vorliegenden Fall der weitere Beteiligte mit den Grundstücken, an denen Absonderungsrechte bestehen, nicht in erheblichem Umfang befasst. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht.
d) Sie macht vielmehr geltend, der Verordnungsgeber habe die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters vergütungsrechtlich aufwerten wollen, und deshalb komme unterhalb der Schwelle der erheblichen Befassung mit Aus- und Absonderungsrechten ein Zuschlag zur Regelvergütung in Betracht. Dem ist nicht zu folgen.
aa) Im Schrifttum wird allerdings die Auffassung vertreten, Tätigkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters, die nicht erheblich (sondern nur nennenswert) seien, könnten im Rahmen von Zuschlägen berücksichtigt werden (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung 4. Aufl. § 11 InsVV Rn. 53, 67), weil von keinem Verwalter zu verlangen sei, Tätigkeiten für Dritte zu erbringen, auch wenn sie ihn nicht erheblich belasteten.
bb) Vom Wortlaut der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung wird diese Ansicht nicht gedeckt. § 11 verhält sich nicht direkt über die Gewährung von Zu- oder Abschlägen. In Absatz 3 heißt es allerdings, Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters seien bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen. Deshalb sind auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter, falls seine Tätigkeit durch Besonderheiten geprägt ist, entsprechend § 3 InsVV Zuschläge zu gewähren oder Abschläge aufzuerlegen (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 - IX ZB 50/03, ZInsO 2004, 265, 266; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 11 InsVV Rn. 65). Nach § 3 Abs. 1 Buchst. a InsVV ist für den (endgültigen) Insolvenzverwalter ein Zuschlag zur Regelvergütung wegen der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten nur festzusetzen, wenn diese einen erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausgemacht hat. Für eine nur nennenswerte Befassung, die nicht zu einem Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsO geführt hat, erhält er nichts.
cc) Dass der Verordnungsgeber dies anders gesehen hat, ergibt sich auch nicht aus den Materialien der Zweiten Verordnung zur Änderung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung. In der amtlichen Begründung (abgedruckt bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 11 InsVV vor Rn. 1) heißt es:
"Um die Masse nicht durch die Vergütungsansprüche des vorläufigen Insolvenzverwalters unverhältnismäßig zu belasten, ist neben realistischen Bewertungsansätzen auch eine erhebliche Befassung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit den Gegenständen erforderlich, an denen mit Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen. ... Berechtigte Vergütungsinteressen werden hierdurch nicht berührt, da bei einer lediglich 'nennenswerten' Befassung häufig nur Routinetätigkeiten vorliegen werden, die keine besondere Vergütung erfordern."
Dies spricht nicht dafür, dass der Verordnungsgeber bei einer lediglich "nennenswerten" Befassung einen Zuschlag für gerechtfertigt angesehen hat. Gegebenenfalls wäre zu erwarten gewesen, dass in der amtlichen Begründung auf die Erheblichkeitsschwelle eingegangen wird, von welcher der Bundesgerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung (BGHZ 165, 266, 272; 168, 321, 324) ausgegangen ist. Danach war ein Zuschlag für die Befassung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Aus- und Absonderungsrechten nur dann für berechtigt angesehen worden, wenn er durch diese Befassung in erheblichem Umfang in Anspruch genommen worden war. Ausdrücklich hatte der Bundesgerichtshof ausgeführt: "Überschreitet die Tätigkeit diese Erheblichkeitsschwelle nicht, bekommt der vorläufige Insolvenzverwalter dafür nichts" (BGHZ 165, 266, 272). Der Verordnungsgeber hat zwar die Zuschlagslösung des Bundesgerichtshofs durch die Lösung über die Berechnungsgrundlage ersetzt. Die Erheblichkeitsschwelle hat er jedoch nicht beanstandet. Wenn er die Lösung über die Berechnungsgrundlage durch eine Zuschlagslösung unterhalb der Erheblichkeitsschwelle hätte ergänzen wollen, wäre dies entweder ausdrücklich angeordnet oder zumindest in der Begründung klargestellt worden. Daran fehlt es.
Der Bundesgerichtshof hat für den (endgültigen) Insolvenzverwalter Abweichungen vom Normalfall, die Zu- oder Abschläge auslösen können, erst dann für erheblich gehalten, wenn eine Erhöhung oder Herabsetzung der Regelvergütung um mindestens 5 % gerechtfertigt ist (BGH, Beschl. v. 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, ZInsO 2006, 642, 644). Dies gilt auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter, weil die Vergütungen des vorläufigen und des endgültigen Insolvenzverwalters gleich zu bemessen sind, falls sich die Tätigkeiten qualitativ und quantitativ nicht unterscheiden (BGHZ 165, 266, 274 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 11. Mai 2006 aaO). Dies wurde in der amtlichen Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung nicht in Frage gestellt. Dort ist zwar ausgeführt, es gebe keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts, dass die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters die des (endgültigen) Insolvenzverwalters nicht übersteigen dürfe. Für die Erheblichkeitsschwelle ergibt sich daraus jedoch nichts.
dd) Es ist kein Grund erkennbar, weshalb der vorläufige Insolvenzverwalter für jede Befassung mit Aus- und Absonderungsrechten, auch wenn sie sich vom durch die Regelvergütung abgegoltenen Normalfall nicht erheblich unterscheidet, durch einen Zuschlag honoriert werden soll. Im Vergütungsrecht, das zwischen der Regelvergütung für den Normalfall und Zu- bzw. Abschlägen bei Vorliegen besonderer Umstände unterscheidet, ist es unvermeidlich, dass vielfach der Sonderfall vom Normalfall nicht trennscharf abgegrenzt werden kann. Nicht jede Abweichung vom Normalfall rechtfertigt einen Zu- oder Abschlag; vielmehr muss die Abweichung so signifikant sein, dass erkennbar ein Missverhältnis entstünde, wenn nicht die besondere und vom Umfang her erhebliche Tätigkeit des vorläufigen Verwalters auch in einer vom Normalfall abweichenden Festsetzung der Vergütung ihren Niederschlag fände (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 3 Rn. 8).
Es gibt zahlreiche Tatbestände, bei denen die besonderen Umstände eine gewisse Erheblichkeit aufweisen müssen, ehe ein Zuschlag gewährt wird. Teilweise hat der Verordnungsgeber selbst solche Hürden aufgebaut. Das Erfordernis der Erheblichkeit findet sich nicht nur in § 3 Abs. 1 Buchst. a InsVV, sondern auch in Buchst. c und d. Überdies hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, die Betriebsfortführung löse einen Zuschlag aus, wenn sie die Arbeitskraft in erheblichem Umfang in Anspruch genommen und keine entsprechende Massemehrung stattgefunden habe (BGH, Beschl. v. 12. Januar 2006 - IX ZB 127/04, ZInsO 2006, 257, 258). Sozialplanverhandlungen rechtfertigen einen Zuschlag nur, wenn sie mit mehr als 20 Betroffenen geführt werden (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 aaO S. 267). Entsprechendes gilt für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes (BGH, Beschl. v. 28. September 2006 - IX ZB 212/03, ZInsO 2007, 439, 440). Die Übertragung der Zustellungen auf den Insolvenzverwalter nach § 8 Abs. 3 InsO kann einen Zuschlag zur Regelvergütung nach § 3 InsVV rechtfertigen, falls dadurch eine erhebliche Mehrbelastung bewirkt worden ist (BGH, Beschl. v. 22. Juli 2004 - IX ZB 222/03, ZInsO 2004, 908, 909). Nur unter dieser Voraussetzung ist auch die Überarbeitung eines von dem Schuldner vorgelegten Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter zuschlagsrelevant (BGH, Beschl. v. 22. Februar 2007 - IX ZB 106/06, ZInsO 2007, 436, 438). Werden unterhalb der Erheblichkeitsschwelle keine Vergütungen gezahlt, ist der Insolvenzverwalter dadurch in seiner Berufsausübung nicht erheblich beeinträchtigt.
Würde auch die nicht erhebliche Befassung mit Aus- und Absonderungsrechten als zuschlagswürdig angesehen, käme der vorläufige Insolvenzverwalter in den Genuss einer Vergünstigung, die dem (endgültigen) Insolvenzverwalter bei quantitativ und qualitativ gleicher Tätigkeit versagt wird. Für diese Ungleichbehandlung ist ein Sachgrund nicht ersichtlich.
Zudem würden durch die Einführung einer zweiten Erheblichkeitsschwelle ("nennenswert") unterhalb der für die Berücksichtigung im Rahmen der Berechnungsgrundlage maßgeblichen ("erheblich") die Festsetzung der Vergütung verkompliziert und Abgrenzungsschwierigkeiten provoziert.
Ende der Entscheidung
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