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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.02.2006
Aktenzeichen: IX ZB 160/04
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 179 Abs. 1
InsO § 180 Abs. 2
ZPO § 91a
ZPO § 93
a) Auch der Insolvenzverwalter, der eine von einem Insolvenzgläubiger zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung lediglich "vorläufig" bestreitet, löst die vom Gesetz an das Bestreiten geknüpften Rechtsfolgen aus (Anschluss an BAG ZIP 1988, 1587, 1589).

b) Wird die zunächst vorläufig bestrittene Forderung später zur Insolvenztabelle festgestellt und erklären die Parteien daraufhin übereinstimmend den zuvor vom anmeldenden Gläubiger aufgenommenen Rechtsstreit für erledigt, ist die Kostenentscheidung nach den zu § 93 ZPO entwickelten Grundsätzen zu treffen.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 160/04

vom 9. Februar 2006

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter, Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer

am 9. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt vom 25. Juni 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 650 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit seiner Klage machte der Kläger Gewährleistungsansprüche aus dem Kauf eines Sportbootes geltend. Während des Rechtsstreits wurde am 1. April 2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des ursprünglichen Beklagten (fortan: Schuldner) eröffnet und der nunmehrige Beklagte (fortan: Beklagter) zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Prozessgericht stellte daraufhin die Unterbrechung des Rechtsstreits fest.

Der Kläger meldete seine Forderung zur Insolvenztabelle an. Im Prüfungstermin vom 26. Juni 2003 bestritt der Beklagte diese Forderung in voller Höhe. Das Insolvenzgericht erteilte dem Kläger unter dem 30. Juni 2003 einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle. Ergänzend teilte ihm der Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Juli 2003, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am 3. Juli 2003, als Grund des Bestreitens mit: "Gegenforderung besteht noch". Daran schloss sich folgender Text an: "Sollte Ihre Forderung bestritten sein, gilt dies einstweilen als vorläufig. ... Wenn Sie eine weitere Prüfung der von Ihnen angemeldeten Forderung wünschen, teilen Sie dies bitte schriftlich mit. Sollte ich nach Prüfung der Unterlagen die Forderung ganz oder teilweise anerkennen, werden Sie unmittelbar benachrichtigt." Im Weiteren wurde noch auf die Vielzahl der zu prüfenden Unterlagen und Rechte hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2003 beantragte der Kläger, das Verfahren gegen den Beklagten fortzusetzen und diesen zu verurteilen, die Forderung zur Insolvenztabelle festzustellen. Später erkannte der Beklagte die Forderung an, die daraufhin zur Tabelle festgestellt wurde. Im Anschluss hieran erklärten die Parteien den Rechtsstreit für erledigt. Die in einem zeitweise mit dem vorliegenden Rechtsstreit verbundenen Prozess vom Schuldner eingeklagte Restkaufpreisforderung gab der Beklagte frei.

Das Amtsgericht hat die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Dessen sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig; sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat gemeint, der Beklagte habe die Forderung des Klägers lediglich vorläufig bestritten. Dies stehe zwar grundsätzlich einem endgültigen Bestreiten gleich. Gleichwohl treffe den Gläubiger die Obliegenheit, sich zu vergewissern, ob der Insolvenzverwalter sein Bestreiten aufrechterhalte, bevor er einen unterbrochenen Rechtsstreit wieder aufnehme.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Das Gesetz sieht nicht vor, dass der Insolvenzverwalter im Prüfungstermin (§ 176 InsO) eine angemeldete Forderung lediglich vorläufig bestreitet. Daher ist auch ein solches vorläufiges Bestreiten als ein Bestreiten im Sinne des § 179 Abs. 1 InsO anzusehen. Der Senat folgt insoweit der noch zu § 146 Abs. 1 Satz 1 KO ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG ZIP 1988, 1587, 1589) und der sich daran anschließenden herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (OLG München WM 2005, 1859; LAG Niedersachsen NZA-RR 2004, 317; MünchKomm-InsO/Schumacher, § 178 Rn. 37; HK-InsO/Irschlinger, 4. Aufl. § 179 Rn. 4; Gottwald/Eickmann, Insolvenzrechtshandbuch 2. Aufl. § 64 Rn. 7; vgl. aber Smid, InsO 2. Aufl. § 178 Rn. 5). Die Insolvenzordnung hat die Regelung der Konkursordnung ohne inhaltliche Änderung übernommen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks, 12/2443 S. 185). Demnach ist es für die Rechtsfolge des § 179 Abs. 1 InsO unerheblich, dass das ursprüngliche Bestreiten in der Tabelle nicht ausdrücklich als vorläufig gekennzeichnet wurde.

b) Hieraus folgt allerdings nicht, dass ein Insolvenzverwalter, der eine Forderung "vorläufig" bestreitet, in jedem Fall genügenden Anlass zur Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits gemäß § 180 Abs. 2 InsO gibt. Diese Frage ist vielmehr unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach den zu § 93 ZPO entwickelten Grundsätzen zu beantworten. Das gilt auch, wenn die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären, nachdem der Verwalter sein vorläufiges Bestreiten nicht mehr aufrecht erhalten und das Insolvenzgericht die Forderung gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 InsO zur Tabelle festgestellt hat. Denn der Grundgedanke des § 93 ZPO kann auch im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO herangezogen werden (OLG Düsseldorf ZIP 1994, 638; OLG München KTS 1987, 327, 329 f; WM 2005, 1859, 1860; OLG Karlsruhe ZIP 1989, 791, 792; OLG Dresden ZIP 1997, 327, 328; LG Bonn ZIP 2000, 1310 f; LG Aachen NZI 2002, 389, 390; Pape in Kübler/Prütting, InsO § 179 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Schumacher, § 178 Rn. 37; HK-InsO/Irschlinger, aaO; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 179 Rn. 3; FK-InsO/Kießner, 3. Aufl. § 176 Rn. 23, § 179 Rn. 8; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 146 KO Anm. 1a).

aa) Auch wenn der Verwalter sein Bestreiten in dem Prüfungstermin nicht wirksam als "vorläufig" bezeichnen kann, macht er durch eine solche Erklärung deutlich, er bestreite die Forderung nur deshalb, weil er sich zu ihr noch nicht abschließend erklären könne. Das Gleiche gilt in dem hier gegebenen Fall, dass der Verwalter in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Prüfungstermin erklärt, bei seinem Widerspruch handele es sich um ein vorläufiges Bestreiten (vgl. Pape, aaO), und dieser Hinweis dem Gläubiger vor dessen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zugeht (so auch OLG Köln JurBüro 1995, 489, 490). In beiden Fällen weiß der Gläubiger, dass eine Feststellung seiner Forderung zur Tabelle noch möglich ist, mit der Folge, dass sich eine Fortsetzung des anhängigen, unterbrochenen Rechtsstreits erübrigt. Dann ist es ihm zuzumuten, sich beim Insolvenzverwalter zu vergewissern, ob dieser seinen Widerspruch aufrechterhält, bevor er den Rechtsstreit gemäß § 180 Abs. 2 InsO aufnimmt. Dies dient einer verfahrensökonomischen Erledigung des durch das "vorläufige" Bestreiten eingetretenen Schwebezustands und verletzt keine anerkennenswerten Interessen des Gläubigers. Dieser kann dem Verwalter eine angemessene Frist zur abschließenden Entscheidung über die angemeldete Forderung setzen.

bb) Es kann hier offen bleiben, ob der Gläubiger auch ohne eine solche Rückfrage genügenden Anlass zur Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits hat, wenn der Verwalter seine Prüfung der angemeldeten Forderung innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist nicht abschließt. Denn zwischen dem Zugang der Erklärung des Verwalters vom 2. Juli 2003 und dem Eingang des Schriftsatzes, mit dem der Kläger die Aufnahme des Rechtsstreits bei Gericht begehrte, lagen lediglich 6 Tage.

cc) Die Grundsätze des § 93 ZPO können nur in dem Zeitraum bis zur erstmaligen öffentlichen Bekanntmachung eines - vom Insolvenzverwalter zu erstellenden (§ 188 InsO) - Verteilungsverzeichnisses eingreifen, weil sich hieran eine Ausschlussfrist von zwei Wochen (§ 189 Abs. 1 InsO) für den Nachweis der Erhebung einer Feststellungsklage anschließt. Verstreicht diese Frist fruchtlos, wird die angemeldete Forderung des Gläubigers nicht bei der anstehenden Verteilung berücksichtigt (vgl. § 189 Abs. 3 InsO und LG Bonn aaO S. 1311).

dd) Danach hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend geprüft, ob der Beklagte rechtzeitig im Sinne des § 93 ZPO eine abschließende Entscheidung über die Forderung des Klägers getroffen hat. Die Rechtsbeschwerde zeigt insoweit keinen durchgreifenden Rechtsfehler der Vorinstanz auf. Auch in dem hier zu entscheidenden Fall liegt ein "vorläufiges" Bestreiten vor. Das hat das Landgericht in tatrichterlicher Auslegung des Schriftsatzes des Beklagten vom 2. Juli 2003 festgestellt (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO). Der Umstand, dass sich der Schuldner vor der Unterbrechung des Rechtsstreits substantiiert gegen die Klageforderung zur Wehr gesetzt hat, ist insoweit unerheblich. Der beklagte Insolvenzverwalter selbst hat zwar in seinen Schriftsatz den Vermerk "Gegenforderung besteht noch" aufgenommen. Daraus folgt für die vom Kläger zunächst eingeklagte und später zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung jedoch nichts. Denn hierbei handelt es sich um den von ihm nach Verrechnung mit der Restkaufpreisforderung des Schuldners verbleibenden, überschießenden und daher von der Gegenforderung nicht berührten Betrag; Anhaltspunkte für weitere Gegenforderungen des Schuldners sind nicht erkennbar und werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht. Somit hat der Beklagte dem Kläger keinen Anlass gegeben, vernünftigerweise davon auszugehen, er werde ohne die Aufnahme des Rechtsstreits nicht erreichen, dass der Beklagte seinen Widerspruch aufgebe.

ee) Die Rechtsbeschwerde wendet sich zu Recht nicht gegen die Annahme der Vorinstanzen, der Beklagte habe die Feststellung der Forderung des Klägers zur Tabelle "sofort" im Sinne des § 93 ZPO herbeigeführt. Bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung galt das Mündlichkeitsprinzip (§ 128 Abs. 1 und 3 ZPO). Daher konnte der Beklagte die Wirkung des § 93 ZPO bis zur Stellung der Sachanträge herbeiführen (vgl. OLG München KTS 1987, 327, 328; OLG Hamm ZInsO 1999, 352; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 93 Rn. 9).

c) Die Vorinstanzen haben dem Kläger zu Recht die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Dies gilt auch für die Zeit vor der Unterbrechung durch das Insolvenzverfahren. Die Kosten eines gemäß § 180 Abs. 2 InsO aufgenommenen Rechtsstreits können nicht danach aufgeteilt werden, ob sie vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind; sie sind vielmehr einheitlich zu behandeln (vgl. OLG München KTS 1987, 327, 330; OLG Karlsruhe ZIP 1989, 791, 792; OLG Düsseldorf ZIP 1994, 638, 639; OLG Dresden ZIP 1997, 327, 328).

Ende der Entscheidung

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