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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: IX ZB 168/04
Rechtsgebiete: InsO, InsVV


Vorschriften:

InsO § 63 Abs. 1 Satz 1
InsO § 66 Abs. 1
InsVV § 1 Abs. 1 Satz 1
InsVV § 3
a) Im Falle vorzeitiger Beendigung des Amtes als Insolvenzverwalter richtet sich die Berechnungsgrundlage nach dem Wert der Masse, die der Verwaltung des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters bis zu seiner Ablösung unterlegen hat.

b) Ein nach Ablösung des Insolvenzverwalters, aber noch vor der Entscheidung über seinen Vergütungsfeststellungsantrag sich ergebender Massezufluss ist dem ausgeschiedenen Insolvenzverwalter zuzurechnen, falls er ausschließlich Folge seiner Tätigkeit ist. Ist er dies nicht, hat der ausgeschiedene Insolvenzverwalter jedoch wesentlich zu dem Massezufluss beigetragen, kann dies einen Zuschlag zur Regelvergütung rechtfertigen.

c) Ein Massezufluss, der im Zeitpunkt der Entscheidung über den Vergütungsfestsetzungsantrag des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters zwar möglich erscheint, jedoch noch nicht eingetreten ist, kann vorerst nicht berücksichtigt werden. Dem ausgeschiedenen Insolvenzverwalter bleibt jedoch unbenommen, nach erfolgter Masseanreicherung eine Ergänzung seiner Vergütung zu beantragen.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 168/04

vom 10. November 2005

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Vill

am 10. November 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 25. Juni 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 794.550,19 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der weitere Beteiligte zu 1, der zuvor bereits vorläufiger Insolvenzverwalter war, wurde am 17. September 2002 zum Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. In der Gläubigerversammlung vom 27. Januar 2003 wurde der weitere Beteiligte zu 2 zum neuen Insolvenzverwalter gewählt.

Der weitere Beteiligte zu 1 (i.F. auch: früherer Insolvenzverwalter) hat beantragt, seine Vergütung als Insolvenzverwalter auf 1.115.165,37 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer festzusetzen. Mit Beschluss vom 24. Oktober 2003 hat das Insolvenzgericht die Vergütung auf 151.416,96 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer festgesetzt. Dabei hat es eine Insolvenzmasse von 2.397.923,89 € zugrunde gelegt und den zweifachen Regelsatz zugebilligt. Auf die sofortige Beschwerde des früheren Insolvenzverwalters hat das Landgericht mit Beschluss vom 25. Juni 2004 die Vergütung auf 836.374,02 € erhöht. Es ist von einer Insolvenzmasse von 117.483.068,10 € ausgegangen und hat den Regelsatz auf 0,75 ermäßigt. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der weitere Beteiligte zu 2 (i.F.: Insolvenzverwalter) die Wiederherstellung des Beschlusses des Insolvenzgerichts.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO auch zulässig und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Amtsgericht und Landgericht haben die Vergütung des früheren Insolvenzverwalters nach unterschiedlichen Werten berechnet. Der von dem Amtsgericht zugrunde gelegte Betrag von 2.397.923,89 € setzt sich aus den Einnahmen zusammen, die der weitere Beteiligte zu 1 teils als vorläufiger Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren, teils als früherer Insolvenzverwalter erzielt hat. Demgegenüber hat sich das Landgericht an der voraussichtlichen Teilungsmasse bei Verfahrensbeendigung orientiert. Beide Lösungen sind fehlerhaft.

a) Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV wird die Vergütung des Insolvenzverwalters nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. Nach § 66 Abs. 1 InsO hat der Insolvenzverwalter bei der Beendigung seines Amtes Rechnung zu legen. Ob das Amt vorzeitig endet, das Insolvenzverfahren also durch einen anderen Insolvenzverwalter fortgeführt wird, ist unerheblich (OLG Brandenburg NZI 2002, 41, 42).

b) Unzutreffend ist es, als Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorzeitig abgelösten Insolvenzverwalters lediglich - wie es das Amtsgericht getan hat - die Einnahmen zugrunde zu legen, die der frühere Insolvenzverwalter teils aus dem Eröffnungsverfahren übernommen, teils während seiner Tätigkeit erzielt hat. Diese Ansicht hätte zur Folge, dass Bestandteile der Masse, die der ausgeschiedene Verwalter bis zur Beendigung seines Amtes nicht verwertet hat, die jedoch seiner Verwaltung unterlagen, unberücksichtigt bleiben müssten.

Im Übrigen herrscht Streit darüber, wie im Falle vorzeitiger Beendigung des Amtes als Insolvenzverwalter die Berechnungsgrundlage der Vergütung zu ermitteln ist. Nach der einen Auffassung ist die voraussichtliche, vom Insolvenzgericht zu schätzende Teilungsmasse bei Verfahrensbeendigung zugrunde zu legen (OLG Bamberg ZInsO 2005, 477, 480; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 1 InsVV Rn. 6; Eickmann in Kübler/Prütting, InsO vor § 1 InsVV Rn. 70). Nach anderer Ansicht ist der Wert der Masse maßgeblich, die der ausgeschiedene Insolvenzverwalter bis zu seiner Ablösung verwaltet hat (OLG Brandenburg NZI 2002, 41, 42; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung 3. Aufl. § 1 Rn. 99; MünchKomm-InsO/Nowak, § 63 Rn. 46; Uhlenbruck, InsO 12. Auf. § 63 Rn. 22; Keller DZWIR 2005, 292).

c) Nach Auffassung des Senats ist die zuletzt genannte Auffassung im Grundsatz zutreffend. Mit der Insolvenzmasse, auf welche sich die Schlussrechnung bezieht und die für die Vergütung des Insolvenzverwalters maßgeblich ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV), kann nur die Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Schlussrechnung gemeint sein. Wird der Insolvenzverwalter vor Beendigung des Verfahrens abgelöst, hat er für diesen Zeitpunkt seine Schlussrechnung zu legen. Müsste er diese auf den noch gar nicht absehbaren Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung beziehen, wäre er dazu außerstande. Dann kann es auch nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts sein, den Wert der Masse zu diesem ungewissen Zeitpunkt zu schätzen und den Schätzwert bei der Vergütungsfestsetzung zugrunde zu legen.

Diese Auffassung entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats. In dem Beschluss vom 16. Dezember 2004 (IX ZB 301/03, NZI 2005, 161), der dasselbe Verfahren betraf, in dem der Beschluss des OLG Brandenburg (aaO) ergangen war, hat er dargelegt, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters, dessen Amt vorzeitig geendet hat, regelmäßig durch Reduzierung des Regelsatzes gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. c InsVV zu berechnen ist und dass sonstige Umstände, welche die Tätigkeit dieses Insolvenzverwalters erleichtert oder erschwert haben, den für ihn maßgeblichen Bruchteil der Vergütung unmittelbar gemäß § 3 InsVV verringern oder erhöhen. Damit entfällt der rechnerische Zwischenschritt der Ermittlung einer fiktiven Verwaltervergütung ohne vorzeitige Amtsbeendigung (zustimmend Rendels EWiR 2005, 401; Keller DZWIR 2005, 292, 293). Es wäre inkonsequent, diesen Zwischenschritt bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage wieder einzuführen.

Die gegenteilige Auffassung, wonach die voraussichtliche, vom Insolvenzgericht zu schätzende Teilungsmasse bei Verfahrensbeendigung zugrunde zu legen wäre, stünde auch in einem Wertungswiderspruch zu der Rechtsprechung des Senats, dass in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 10, 11 i.V.m. § 1 InsVV) die Vermögenswerte Eingang zu finden haben, die zum Zeitpunkt der Beendigung der zu vergütenden Tätigkeit zu dem gesicherten und verwalteten Vermögen gehört haben (BGHZ 146, 165, 175, BGH, Beschl. v. 29. April 2004 - IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653, 1654; v. 8. Juli 2004 - IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555, 1556; v. 9. Juni 2005 - IX ZB 284/03, NZI 2005, 558, 559).

2. Bei Massezuflüssen, die erst nach Beendigung des Amts des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters, jedoch vor der gerichtlichen Festsetzung seiner Vergütung, stattgefunden haben, ist zu differenzieren.

a) Solche Massezuflüsse sind in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des ersten Insolvenzverwalters einzustellen, falls jene ausschließlich Folge seiner Tätigkeit sind (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 1 Rn. 100; Eickmann aaO; Keller aaO; Nowak aaO; wohl auch OLG Brandenburg aaO). Es reicht nicht aus, dass der ausgeschiedene Insolvenzverwalter den späteren Massezufluss lediglich in die Wege geleitet hat, dieser dann aber erst durch Bemühungen seines Nachfolgers abgeschlossen worden ist. Abgesehen davon, dass der Massezufluss tatsächlich erst nach dem Ausscheiden des ersten Insolvenzverwalters vollzogen worden ist, muss dieser alles getan haben, was den Massezufluss bewirkt hat. Beispielsweise zählen Sicherheiten, die erst nach dem Ausscheiden des ersten Insolvenzverwalters infolge von Verhandlungen mit den Sicherungsnehmern, die der erste Insolvenzverwalter noch abgeschlossen hat, freigegeben werden, zu dem von ihm verwalteten Vermögen (Eickmann aaO). Hat der ausgeschiedene Insolvenzverwalter einen Anfechtungsrechtsstreit nach §§ 129 ff. InsO durchgefochten und zahlt der Anfechtungsgegner nach dem Verwalterwechsel, ist dieser Massezufluss ebenfalls dem ausgeschiedenen Insolvenzverwalter zuzurechnen (Keller aaO). Die Senatsentscheidung vom 29. April 2004 (IX ZB 225/03, NZI 2004, 444, 445) steht nicht entgegen. Seinerzeit hat der Senat entschieden, Bemühungen zur Klärung der Voraussetzungen von künftigen Ansprüchen zur Masseanreicherung - etwa aus Insolvenzanfechtung - seien bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Dies hatte seinen Grund darin, dass Ansprüche aus Insolvenzanfechtung erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen. Sie gehören damit noch nicht zu dem von dem vorläufigen Insolvenzverwalter zu sichernden und zu verwaltenden Vermögen. Das trifft nach Insolvenzeröffnung auf den Insolvenzverwalter nicht zu.

b) Ist die bis zur Festsetzung der Vergütung des ersten Insolvenzverwalters erfolgte Masseanreicherung nicht - oder nicht nachweisbar - ausschließlich auf seine Bemühungen zurückzuführen, erscheint es vielmehr als möglich, dass auch Bemühungen des neuen Insolvenzverwalters dazu beigetragen haben, kann der dadurch bewirkte Massezufluss bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des ersten Insolvenzverwalters nicht berücksichtigt werden. Denn der Zufluss ist auch bei der Vergütung des zweiten Insolvenzverwalters zugrunde zu legen, und zwar durch Einstellen in die Berechnungsgrundlage. Dann kann er nicht zugleich in die Berechnungsgrundlage für den ersten Insolvenzverwalter Eingang finden, weil dies zu einer doppelten Belastung der Masse mit Insolvenzverwaltervergütungen führen würde. Den Massezufluss unterschiedslos sowohl bei dem früheren Insolvenzverwalter als auch bei dem Nachfolger zu berücksichtigen, verbietet sich außerdem deshalb, weil beide zumeist in verschiedenem Umfang tätig geworden sind und in unterschiedlichem Maße zu dem Massezufluss beigetragen haben. Entsprechend den unterschiedlichen Tätigkeitsbeiträgen zu differenzieren, ist nicht möglich, weil ein zur Masse zu rechnender Vermögenswert entweder ganz oder gar nicht, jedoch nicht anteilig als Berechnungsgrundlage dienen kann. Auch entstünden andernfalls erhebliche Abgrenzungsprobleme.

Andererseits erscheint es nicht gerechtfertigt, den ausgeschiedenen Insolvenzverwalter wegen seiner - möglicherweise sehr arbeitsintensiven - Bemühungen um eine Masseanreicherung ganz leer ausgehen zu lassen, nur weil der Nachfolger ebenfalls etwas zu dem Gelingen dieses Unternehmens beigetragen hat. Bei einem derartigen Sachverhalt können die von dem ausgeschiedenen Insolvenzverwalter entfalteten Bemühungen einen Zuschlag gemäß § 3 InsVV begründen. Die Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 29. April 2004 (aaO) gelten hier entsprechend. Der Zuschlag muss der Bedeutung der von dem ersten Insolvenzverwalter entfalteten Tätigkeit entsprechen. Seine Bemessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters.

3. Ist im Zeitpunkt der Entscheidung über den Vergütungsfestsetzungsantrag des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters eine Masseanreicherung, die gegebenenfalls ganz oder teilweise auf seine Bemühungen zurückzuführen sein wird, zwar noch nicht eingetreten, erscheint sie aber als möglich, kann diese Aussicht bei der Vergütungsfestsetzung nicht berücksichtigt werden. Weder kann der mögliche Massezufluss in die Berechnungsgrundlage eingestellt noch kann deswegen ein Zuschlag gewährt werden. Die Vergütung eines Insolvenzverwalters ist zwar tätigkeits- und nicht erfolgsbezogen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO vor § 1 Rn. 49). Solange noch offen ist, ob und in welcher Höhe der Masse noch Vermögen zufließt, fehlt jedoch die Grundlage für eine Berücksichtigung bei der Festsetzung der Vergütung. Erst wenn das Ergebnis feststeht, lässt sich zudem beurteilen, ob es allein oder jedenfalls in nicht unerheblichem Maße auf der Tätigkeit des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters beruht.

Der erste Insolvenzverwalter kann jedoch, sobald der Massezufluss feststeht, einen Antrag auf ergänzende Feststellung seiner Vergütung stellen. Die formelle und materielle Rechtskraft der ersten Feststellung steht dem nicht entgegen, weil die nunmehr eingetretene, maßgeblich auf die Bemühungen des ersten Insolvenzverwalters zurückzuführende Masseanreicherung eine neue Tatsache darstellt. Der erste Insolvenzverwalter kann sich die Ergänzung seines Vergütungsfestsetzungsantrags bei der ersten Antragstellung vorbehalten; notwendig ist dies jedoch nicht.

4. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht in die Berechnungsgrundlage zwei Bankguthaben der Schuldnerin in Höhe von insgesamt 105.332.171,62 € eingestellt. Nach den tatrichterlichen Feststellungen sind diese Guthaben an ein Bankenkonsortium verpfändet. Der frühere Insolvenzverwalter habe jedoch - so das Beschwerdegericht - "ermittelt, dass die Verpfändung ... angefochten werden ... kann", und es sei ihm durch Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung mit den Pfandgläubigern "gelungen, diese Guthaben für die Masse zu sichern".

Nach den unter 3. dargelegten Grundsätzen rechtfertigen diese Feststellungen - die nicht einmal ausreichen, um bereits für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Vergütungsfeststellungsantrag davon ausgehen zu können, die Bankguthaben seien der Masse "sicher" gewesen - derzeit weder die Einstellung des erhofften Massezuflusses in die Berechnungsgrundlage noch die Gewährung eines Zuschlags.

Ende der Entscheidung

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