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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: IX ZB 183/04
Rechtsgebiete: VergVO, InsVV
Vorschriften:
VergVO § 1 | |
VergVO § 4 Abs. 5 | |
VergVO § 4 Abs. 6 | |
InsVV § 1 | |
InsVV § 6 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 26. Januar 2006
in dem Gesamtvollstreckungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer
am 26. Januar 2006
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 4. August 2004 wird auf Kosten des Gesamtvollstreckungsverwalters mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen Beschwerde auf 75.538,49 € festgesetzt wird.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 9.484,63 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Rechtsbeschwerdeführer ist Verwalter in dem am 30. September 1993 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Mit Vorlage der Schlussrechnung vom 30. April 2002 beantragte er, seine Vergütung nach der gemäß § 2 VergVO bereinigten Teilungsmasse von 3.743.012,07 € und einem 16-fachen Regelsatz auf 440.966,50 € zuzüglich Auslagen und 16 % Umsatzsteuer, insgesamt 514.849,84 € festzusetzen.
Das Insolvenzgericht hielt mit Beschluss vom 4. Februar 2003 lediglich den 14-fachen Regelsatz für gerechtfertigt und setzte die Vergütung auf 385.845,69 € nebst Auslagen in Höhe von 2.869,57 € und 16 % Umsatzsteuer in Höhe von 62.194,44 €, insgesamt 450.909,70 € fest. Unter Berücksichtigung der bereits gewährten Vorschüsse von 203.863,88 € wurden dem Verwalter damit weitere 247.045,82 € zuerkannt. Die gegen diesen Beschluss erhobene sofortige Beschwerde wurde vom Landgericht am 28. Oktober 2003 zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2003 legte der Verwalter eine aktualisierte Schlussrechnung vor. Nach einer bereinigten Teilungsmasse von nunmehr 3.867.993,66 € beantragte er die Festsetzung der Vergütung und Auslagen bei einem 16-fachen Regelsatz auf insgesamt nunmehr 526.448,19 €, also gegenüber der später rechtskräftig gewordenen Festsetzung des Amtsgerichts weitere 75.538,49 €, gegenüber seinem Erstantrag weitere 11.598,35 €.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Festsetzung weiterer Vergütung vom 14. Februar 2003 (gemeint: 17. Februar 2003) mit Beschluss vom 19. März 2003 zurückgewiesen. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Verwalter nur noch nach einem 14-fachen Regelsatz die Festsetzung einer weiteren Vergütung von 8.748,76 € sowie Umsatzsteuerausgleich in Höhe von 735,87 € nach § 4 Abs. 5 Satz 2 VergVO.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil Entscheidungen des Gesamtvollstreckungsgerichts über die Vergütung des Verwalters nach §§ 20, 21 Abs. 1 GesO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind (BGH, Urt. v. 5. Januar 1995 - IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291) und das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (BGH, Beschl. v. 15. Januar 2004 - IX ZB 62/03, WM 2004, 490, 491; v. 10. März 2005 - IX ZB 269/03, ZIP 2005, 995, 996).
Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
Sie ist jedoch im Ergebnis unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht meint, nach erfolgter Festsetzung der Vergütung des Verwalters könne eine ergänzende Vergütung nicht mehr festgesetzt werden, auch wenn bis zum Schlusstermin weitere Massezuflüsse erfolgten. Nach § 4 Abs. 4 VergVO stehe die Vergütung im Falle der Nachtragsverteilung im billigen Ermessen des Gerichts. Eine solche Vergütung sei regelmäßig abzulehnen, weil die Vergütung nach § 1 VergVO auch die Tätigkeit im Rahmen einer nachträglichen Verteilung erfasse, wenn diese vorhersehbar gewesen sei. Die bis zur Schlussverteilung zu erwartenden weiteren Einnahmen seien vom Verwalter bei der Berechnung der Teilungsmasse zu berücksichtigen. Auch aus der gebotenen ergänzenden Anwendung des § 6 Abs. 1 InsVV ergebe sich, dass der Verwalter zur Vermeidung eines weiteren Vergütungsfestsetzungsverfahrens gehalten sei, seine bis zur Schlussverteilung zu erbringende Tätigkeit einheitlich abzurechnen. Habe der Verwalter solche weiteren, der Masse zufließenden Einnahmen bei der Berechnung seiner Vergütung nicht berücksichtigt, verliere er insoweit seinen Vergütungsanspruch.
2. Diese Auffassung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass für das am 30. September 1993 eröffnete Gesamtvollstreckungsverfahren gemäß § 21 Abs. 1 GesO für die Vergütung des Verwalters die Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirates (VergVO) anwendbar bleibt, § 19 InsVV a.F., Art. 103 EGInsO.
b) Gemäß § 1 Abs. 1 VergVO berechnet sich die Vergütung nach der gemäß § 2 VergVO bereinigten Teilungsmasse, auf die sich die Schlussrechnung bezieht.
Der Fall, dass sich die bereinigte Teilungsmasse nach Abgabe der Schlussrechnung bis zum Schlusstermin erhöht, ist in der VergVO nicht normiert. Aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich jedoch, dass Mittelzuflüsse bis zum Schlusstermin bei der Vergütung des Verwalters zu berücksichtigen sind (LG Magdeburg, ZIP 2004, 1915).
(1) Nach § 4 Abs. 4 VergVO entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, ob und in welcher Höhe Nachtragsverteilungen besonders vergütet werden. Dies betrifft lediglich ein selbständiges Nachtragsverteilungsverfahren nach der Schlussverteilung (vgl. Amtl. Begr. zur VergVO, abgedr. bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vergütungen im Insolvenzverfahren InsVV/VergVO, 2. Aufl. vor § 1 VergVO S. 218; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 4 VergVO Rn. 33; für die Nachfolgeregelung vgl. die Amtl. Begr. zu § 6 Abs. 1 InsVV, abgedruckt bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. vor § 1; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV aaO § 6 Rn. 5; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht § 6 InsVV Rn. 2). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Frage, ob dem Verwalter eine weitere Vergütung zu gewähren ist, richtet sich deshalb nicht nach § 4 Abs. 4 VergVO, § 6 Abs. 1 InsVV.
(2) Bei der Festsetzung der Vergütung des Verwalters sind jedenfalls alle Einnahmen bis zum Schlusstermin zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus dem ergänzend anwendbaren § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO. Die Schlussrechnung, die der Verwalter nach Abschluss der Verwertung vorlegt, hat auf den Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens abzustellen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO 2. Aufl. § 1 VergVO Rn. 2). Grundlage für die Berechnung der Vergütung des Gesamtvollstreckungsverwalters ist damit - von Nachtragsverteilungen abgesehen - der Wert der Insolvenzmasse bei Beendigung des Verfahrens (BGH, Beschl. v. 17. Juni 2003 - IX ZB 476/02, ZIP 2003, 2171, 2172; v. 10. November 2005 - IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93; für den vorläufigen Insolvenzverwalter vgl. BGHZ 146, 165, 175; BGH, Beschl. v. 229. April 2004 - IX ZB 225/03; ZInsO 2004, 672, 673; v. 8. Juli 2004 - IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555, 1556).
Werden vor dem Schlusstermin in der Schlussrechnung nicht enthaltene Einnahmen für die Masse erzielt, ist die Schlussrechnung, die, wie im vorliegenden Fall, oftmals bereits lange Zeit vor dem Schlusstermin eingereicht wird, fortzuschreiben und die sich hieraus ergebende neue Teilungsmasse der ergänzenden Festsetzung der Vergütung zugrunde zu legen.
(3) Einnahmen der Masse, die noch nicht feststehen, können nicht Grundlage der Vergütungsfestsetzung des Verwalters sein. Der Verwalter ist nicht berechtigt, bei Erstellung der (vorläufigen) Schlussrechnung als Massezuflüsse Positionen aufzunehmen, deren Eingang nicht sicher feststeht. Solange offen ist, ob und in welcher Höhe der Masse Vermögen zufließen wird, fehlt es an einer Grundlage sowohl für eine Verteilung wie für eine Berücksichtigung bei der Festsetzung der Vergütung. Erst wenn der Zufluss feststeht, kann er gemäß § 1 VergVO der Festsetzung der Vergütung zugrunde gelegt werden (BGH, Beschl. v. 10. November 2005, aaO S. 95).
Der Verwalter kann demgemäß, sobald ein über die bisherige Schlussrechnung hinausgehender Massezufluss feststeht, seinen Antrag auf Festsetzung der Vergütung ergänzen oder bei bereits erfolgter Festsetzung einen Antrag auf ergänzende Festsetzung stellen. Die formelle und materielle Rechtskraft einer bereits erfolgten Festsetzung steht im letzteren Fall nicht entgegen, weil die nunmehr eingetretene Masseanreicherung eine neue Tatsache darstellt. Der Insolvenzverwalter kann sich die Ergänzung seines Vergütungsfestsetzungsantrages bei der ersten Antragstellung vorbehalten; notwendig ist dies jedoch nicht (BGH, Beschl. v. 10. November 2005, aaO S. 95).
Steht ein späterer Massezufluss bei Einreichung der Schlussrechnung schon mit Sicherheit fest, ist es allerdings zweckmäßig, diesen bereits in der Schlussrechnung und der hierauf gestützten (ersten) Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigen.
3. Die Rechtsbeschwerde ist gleichwohl unbegründet.
Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 4. Februar 2003 dem Verwalter auf die festgesetzte Vergütung zusätzlich Umsatzsteuer von 16 % zuerkannt, obwohl gemäß § 4 Abs. 5 VergVO in der Vergütung die Umsatzsteuer in Höhe des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % bereits enthalten ist. Es hätte deshalb aus dem gemäß § 3 VergVO festgesetzten Vergütungsbetrag zunächst die darin enthaltene Umsatzsteuer von 7 % herausrechnen müssen, bevor es auf den Nettobetrag der Vergütung 16 % Umsatzsteuer berechnete (vgl. im einzelnen BGH, Beschl. v. 20. November 2003 - IX ZB 469/02, ZIP 2004, 81 f).
Danach hätte die Vergütung wie folgt berechnet werden müssen:
Vergütung: | 385.845,69 € |
abzüglich enthaltener 7 % = | 360.603,45 € |
Auslagen | 2.869,57 € |
363.473,02 € | |
16 % Umsatzsteuer | 58.155,68 € |
zusammen: | 421.628,70 € |
Mit den festgesetzten 450.909,70 € wurden somit 29.281,00 € zuviel festgesetzt.
Bei der nunmehr im Rechtsbeschwerdeverfahren noch geltend gemachten zusätzlichen Vergütung von 8.748,76 € wurde zwar die zusätzlich beantragte Umsatzsteuer korrekt berechnet, aber nur hinsichtlich des zusätzlich geforderten Betrages.
Die Vergütungsfestsetzung im Beschluss vom 4. Februar 2003 ist rechtskräftig. Eine zusätzliche Vergütung kann jedoch nur insoweit zuerkannt werden, als die richtig berechnete Vergütung die bereits rechtskräftig festgesetzte Vergütung übersteigt.
Dem steht weder die Rechtskraft noch das auch im Beschwerdeverfahren geltende Verschlechterungsverbot (BGHZ 159, 122, 224 f) entgegen, weil es nicht um die Verminderung der festgesetzten Vergütung, sondern um die Frage geht, in welchem Umfang eine zusätzliche Vergütung festzusetzen ist.
Auf die Frage, in welchem Umfang die gewährten Zuschläge bei einem zu berücksichtigenden späteren erheblichen Mittelzufluss an die Masse der Überprüfung bedürfen, kommt es hiernach nicht mehr an.
Ende der Entscheidung
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