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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.02.2006
Aktenzeichen: IX ZB 196/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4
ZPO § 522 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 196/04

vom 9. Februar 2006

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter, Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer

am 9. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. Juni 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.156,66 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Zahlung von Anwaltshonorar wegen deren Vertretung in einem vorausgegangenen Rechtsstreit vor dem Landgericht Duisburg. Das Amtsgericht hat ein klagezusprechendes Versäumnisurteil aufrechterhalten. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.

a) Das Landgericht hat gemeint, die Berufung der Beklagten sei unzulässig, weil die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO genüge. Sie erschöpfe sich in Ziffer 1 darin, sich den Sachvortrag der Kläger in erster Instanz zu Eigen zu machen und im Einzelnen zu dem Gang verschiedener anderer Verfahren vorzutragen. Worin die Mängel des angefochtenen Urteils liegen sollten, werde nicht ausgeführt. Soweit in der Berufungsbegründung neue Verteidigungsmittel vorgetragen würden, fehle die erforderliche Darlegung der Zulassungstatsachen. Auch die Rüge einer Verletzung der Hinweispflicht durch das Amtsgericht werde nicht ausreichend ausgeführt.

b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob, wie die Beklagte vorab rügt, der angefochtene Beschluss bereits wegen des Fehlens einer Sachverhaltsdarstellung aufgehoben werden muss (vgl. BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648 f; v. 12. Januar 2006 - IX ZB 140/04, z.V.b.), oder ob sich hier der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 25. April 1991 - I ZR 232/89, NJW 1991, 3038, 3039).

c) Das Landgericht hat, wie die Beklagte zu Recht beanstandet, die Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO überspannt.

aa) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsklägers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder auch nur vertretbar sind. Damit wird weitgehend an den Rechtszustand vor Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F.) angeknüpft; nach dem Willen des Reformgesetzgebers sollten dabei die Anforderungen an den Inhalt der Rüge falscher Rechtsanwendung gesenkt werden (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/4722 S. 95; vgl. BGH, Beschl. v. 21. Mai 2003 - VIII ZB 133/02, NJW-RR 2003, 1580; v. 28. Mai 2003 - XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531, 2532; v. 26. Juni 2003 - III ZB 71/02, NJW 2003, 2532, 2533). Dies kommt auch im unterschiedlichen Wortlaut der alten und der neuen Fassung der Vorschrift über die Berufungsbegründung zum Ausdruck, weil § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO auf die "bestimmte" Bezeichnung der Gründe verzichtet.

bb) Entgegen der Ansicht des Landgerichts genügt die Berufungsbegründung der Beklagten vom 28. April 2004 diesen Anforderungen. Die Beklagte hat ihren Rechtsausführungen unter Ziffer 1 der Berufungsbegründung eine Bezugnahme auf Seite 3 des amtsgerichtlichen Urteils vorangestellt. Dort werden zunächst die näheren Umstände der Mandatsübernahme als unstreitig festgestellt. Hierauf aufbauend meint das Amtsgericht, es sei den Klägern wegen der Kürze der zwischen der Mandatserteilung und dem Termin zur mündlichen Verhandlung liegenden Zeit nicht nur nicht zuzumuten, sondern auch praktisch unmöglich gewesen, Akteneinsicht zu nehmen oder gar dem Gericht schriftsätzlich vorzutragen. Daran knüpft die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung an ("Also"), indem sie den Klägern vorwirft, sie hätten das Mandat nicht übernehmen dürfen, sondern sie, die Beklagte, darauf hinweisen müssen, dass sie in der verbleibenden Zeit nichts mehr für sie würden tun können. Die Kläger hätten ihr empfehlen müssen, es bei dem Mandatsverhältnis mit dem bisherigen Anwalt zu belassen, "anstatt unnütze weitere Gebühren einzusetzen." Damit hat die Beklagte geltend gemacht, die Kläger hätten das Mandat pflichtwidrig übernommen, ihr Schaden - von dem sie, wie ihr Berufungsantrag belegt, befreit zu werden wünscht - bestehe in der Belastung mit der eingeklagten Gebührenforderung. Das erfüllt die formellen Anforderungen an eine Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO; um ein neues Verteidigungsmittel im Sinne des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO handelt es sich nicht. Möglicherweise meinte das Berufungsgericht, diese Ausführungen der Beklagten lägen tatsächlich oder rechtlich neben der Sache. Darauf kommt es jedoch nicht an; denn dies würde nicht zur Unzulässigkeit der Berufung führen (vgl. BGH, Urt. v. 27. Mai 1964 - VIII ZR 174/63, VersR 1964, 949; Beschl. v. 28. Mai 2003, aaO; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 25. Aufl. § 520 Rn. 34).

d) Der Berufungsangriff ist gegen die Klageforderung insgesamt gerichtet.

e) Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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