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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.11.2005
Aktenzeichen: IX ZB 211/03
Rechtsgebiete: InsO, ZPO, KO


Vorschriften:

InsO § 1
InsO § 4
InsO §§ 4a ff
InsO § 4d
InsO § 7
InsO § 26 Abs. 1
InsO § 207 Abs. 1
InsO §§ 286 ff
ZPO §§ 114 ff
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 577 Abs. 1 Satz 2
KO § 107 Abs. 1
KO § 204 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 211/03

vom 3. November 2005

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann

am 3. November 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Insolvenzverfahren richtet.

Im Übrigen wird sie als unzulässig verworfen.

Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde nach einem Wert von 4.000 Euro.

Gründe:

I.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners ist am 23. August 1999 eröffnet worden. Am 10. Januar 2000 beantragte der Schuldner Restschuldbefreiung; am 7. Januar 2003 stellte er Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Bereits am 23. August 2002 hatte der Verwalter fehlende Kostendeckung durch die Masse angezeigt. Nachdem das Insolvenzgericht einen Kostenvorschuss zur Deckung der weiteren Verfahrenskosten angefordert hatte, beantragte der Schuldner die Bewilligung von Prozessko-stenhilfe oder die Stundung der Verfahrenskosten. Sein Antrag wurde unter Hinweis auf Art. 103a EGInsO zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner den Antrag weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Ablehnung der Stundung der Verfahrenskosten richtet.

1. Das Beschwerdegericht hat die Zulassung auf die Frage beschränkt, ob Prozesskostenhilfe für das Insolvenzverfahren bewilligt werden kann. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Prüfung des Umfangs einer zugelassenen Revision auch die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils heranzuziehen (BGH, Urt. v. 3. März 2005 - IX ZR 45/04, BGH-Report 2005, 867 mit weiteren Nachweisen). Das gilt für zugelassene Rechtsbeschwerden entsprechend. Enthält der Entscheidungssatz keine Einschränkung, muss sich diese zwar aus den Gründen klar und zweifelsfrei ergeben; eine Begründung der Zulassung reicht insoweit nicht aus (BGH, Urt. v. 3. März 2005, aaO mit weiteren Nachweisen). Der angefochtene Beschluss ist jedoch in diesem Sinne eindeutig. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil § 7 InsO nicht anwendbar sei und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Insolvenzkostenhilfe für Schuldner erfordere. Gegen die Ablehnung der Stundung der Verfahrenskosten findet gemäß § 4d InsO die sofortige Beschwerde statt, so dass auch § 7 InsO anwendbar ist.

Wenn eine Zulassung erfolgt wäre, wäre das Rechtsbeschwerdegericht im Übrigen nicht an sie gebunden gewesen, weil § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur auf Absatz 1 Nr. 2 verweist, also nicht für kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerden gilt (BGH, Beschl. v. 20. Februar 2003 - V ZB 59/02, WM 2003, 1829, 1830; Beschl. v. 24. September 2003 - IX ZB 24/03, NZI 2004, 511).

2. Der Schuldner hat nicht - auch nicht hilfsweise - zu den Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorgetragen (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde muss insoweit gemäß § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen werden.

III.

Soweit die Rechtsbeschwerde zugelassen worden ist, ist sie nach § 127 Abs. 2 Satz 2, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Ein Schuldner, der die Kosten des Insolvenzverfahrens nicht aufzubringen vermag, hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe gelten nicht für das Insolvenzverfahren.

1. Das Recht der Konkursordnung ließ nach allgemeiner Meinung für den Gemeinschuldner keine Prozesskostenhilfe zu. Der Grund wurde darin gesehen, dass die bei fehlendem Schuldnervermögen bestehende Massearmut nach § 107 Abs. 1 KO zur Abweisung des Eröffnungsantrags und nach § 204 Abs. 1 KO zur Einstellung des Verfahrens führte, sofern nicht ein kostendeckender Vorschuss eingezahlt wurde. Wegen des alleinigen Zwecks des Konkursverfahrens, das Vermögen des Gemeinschuldners gleichmäßig unter die Gläubiger zu verteilen, wäre es sinnlos gewesen, dem Gemeinschuldner die aus seinem Vermögen nicht zu deckenden Massekosten mit Hilfe staatlicher Mittel zur Verfügung zu stellen; denn er hatte an der Durchführung des Verfahrens kein Interesse (BGHZ 144, 78, 82 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Jaeger/Eckardt, InsO § 4a Rn. 3).

2. Die Insolvenzordnung hat daran, dass bei nicht kostendeckender Masse ein Insolvenzverfahren nicht durchgeführt wurde, zunächst nichts geändert. Die Vorschriften des § 26 Abs. 1 und des § 207 Abs. 1 InsO, welche die Abweisung des Eröffnungsantrags und nach Eröffnung des Verfahrens dessen Einstellung verlangen, wenn eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht vorhanden ist, stehen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Insolvenzschuldner entgegen.

a) Das Insolvenzverfahren dient - anders als das Konkursverfahren - allerdings nicht nur der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, sondern auch dazu, den redlichen Schuldner nach Maßgabe der §§ 286 ff InsO von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 Satz 2 InsO). Dieses zumindest in erster Linie im Interesse des Schuldners liegende Ziel kann er nach der Konzeption des Gesetzes nur erreichen, wenn ein Insolvenzverfahren durchgeführt wird. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2710) blieb es ihm verschlossen, wenn sein Vermögen zur Deckung der dafür erforderlichen Kosten nicht ausreichte und der dafür notwendige Betrag auch sonst von niemandem zur Verfügung gestellt wurde. Die beiden in § 1 InsO normierten Verfahrensziele waren in massearmen Verfahren nicht in Einklang zu bringen (BGHZ 144, 78, 83 f).

b) Gleichwohl konnten die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe über § 4 InsO nicht entsprechend auf das Insolvenzverfahren angewandt werden. Es fehlte an einer ungewollten Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung hätte geschlossen werden können (vgl. BGHZ 144, 78, 85; weitere Nachweise bei Jaeger/Eckardt, aaO Rn. 4 Fn. 16). Der beschriebene Widerspruch zwischen den Verfahrenszielen in massearmen Verfahren war bereits im Gesetzgebungsverfahren gesehen worden. Der Gesetzgeber hatte bewusst von einer Bereitstellung der zur Verfahrensdurchführung notwendigen Massekosten aus öffentlichen Mitteln abgesehen; denn eine sämtliche Verfahrenskosten einschließlich der Kosten für Insolvenzverwalter und Treuhänder umfassende Prozesskostenhilfe hätte die öffentlichen Haushalte zu stark belastet (BT-Drucks. 12/2443 S. 255).

c) Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2710) können die Verfahrenskosten gemäß §§ 4a ff InsO gestundet werden. Werden die Kosten gestundet, kann weder ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen noch ein bereits eröffnetes Verfahren mangels eine die Verfahrenskosten deckende Masse eingestellt werden (§ 26 Abs. 1 Satz 2, § 207 Abs. 1 Satz 2 InsO). Auch völlig mittellose Schuldner erhalten so Zugang zum Insolvenzverfahren und damit zur Restschuldbefreiung. Der Widerspruch der Verfahrensziele wurde beseitigt.

d) Für Verfahren, die - wie im vorliegenden Fall - vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind, finden gemäß Art. 103a EGInsO die bis dahin geltenden Vorschriften Anwendung. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde muss "Insolvenzkostenhilfe" in Form von Prozesskostenhilfe auch nicht deshalb gewährt werden, weil die Stundungsvorschriften der §§ 4a ff InsO in Altverfahren grundsätzlich nicht anwendbar sein dürften. Bis zum 1. Dezember 2001 hatte ein Insolvenzschuldner keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wie sich auch daraus ergibt, dass der Gesetzgeber es aus Kostengründen ausdrücklich abgelehnt hat, die Anwendbarkeit der §§ 114 ff ZPO im Insolvenzverfahren "klarzustellen" (BT-Drucks. 14/5680 S. 14). Der Rechtsbeschwerdeführer wird dadurch nicht härter getroffen als andere Schuldner, deren Verfahren vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind.

Ende der Entscheidung

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