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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: IX ZB 217/05
Rechtsgebiete: AVAG, ZPO


Vorschriften:

AVAG § 14 Abs. 1
AVAG § 15 Abs. 1
ZPO § 3
ZPO § 293
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 575 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 575 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 766 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 217/05

vom 21. September 2006

in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

am 21. September 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. August 2005 wird auf Kosten der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erwirkte am 4. März 2003 beim Kreisgericht Katowice einen Zahlungstitel über 831.422,70 PLN (Zloty) gegen die Antragsgegnerin. Mit Beschluss vom 28. Juni 2004 eröffnete das Rayongericht - Abteilung für Insolvenz und Sanierung - Gliwice ein Absicherungsverfahren über das Vermögen der Antragsgegnerin und setzte einen vorübergehenden Gerichtsverwalter ein. Aufgrund eines bereits am 30. April 2003 gestellten Antrags der Antragstellerin trug das Rayongericht - Abteilung für Grundbücher - Zabrze am 30. November 2004 eine Zwangshypothek auf dort belegenem Grundbesitz der Antragsgegnerin ein. Mit Beschluss vom 6. Juni 2005 stellte das Rayongericht - Abteilung für Insolvenz und Sanierung - Gliwice die Unzulässigkeit der Eintragung der Zwangshypothek fest.

Der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts hat dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Zahlungstitels stattgegeben. Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat zunächst mit Beschluss vom 9. November 2004 festgestellt, dass das Verfahren unterbrochen ist. Auf den Antrag der Antragstellerin hat es das Verfahren aufgenommen und die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Feststellung begehrt, dass das Verfahren unterbrochen ist.

II.

Das gemäß § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig, denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). Bei der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde prüft der Bundesgerichtshof nach § 574 Abs. 2 ZPO ebenso wie bei der Nichtzulassungsbeschwerde nur die Zulassungsgründe, welche die Rechtsmittelbegründung nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO schlüssig und substantiiert dargelegt hat (BGH, Beschl. v. 29. September 2005 - IX ZB 430/02, ZinsO 2005, 1162).

Auf das Verfahren findet das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988 (i.F.: LugÜ), Anwendung (Art. 66 EuGVVO; vgl. Geimer/Schütze/Pörnbacher, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 66 EuGVVO Rn. 7, 11).

Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht vor.

1. Die erhobene Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs geht fehl. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten zwar zur Kenntnis nimmt, aber aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (BGHZ 152, 181, 194; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02, WM 2003, 992, 994). Das Beschwerdegericht hat sich mit dem Vortrag der Antragstellerin, das Rayongericht Gliwice habe mit rechtskräftigem Beschluss vom 6. Juni 2005 die Unzulässigkeit der Eintragung der Zwangshypothek festgestellt, auseinandergesetzt. Es hat jedoch die Rechtsauffassung vertreten, der - nicht mit Gründen versehene - Beschluss des Rayongerichts Gliwice sei in einem Grundbuchberichtigungsverfahren nicht bindend, und eine Löschung der Hypothek sei deshalb nicht zu erwarten. Das Beschwerdegericht war unter dem Aspekt der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht gehalten, vor Erlass seines Beschlusses die Rechtskraft weiterer polnischer Gerichtsentscheidungen abzuwarten, deren zeitliche Abfolge zudem ungewiss erschien. Eine Vorgreiflichkeit der von der Beschwerde angekündigten Abhilfeentscheidung des Rayongerichts Zabrze war in Bezug auf die Entscheidung im Vollstreckbarerklärungsverfahren im rechtstechnischen Sinn nicht gegeben.

2. Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe gegen das Willkürverbot verstoßen, weil es nicht erklärt habe, warum die nach dem Beschluss der Grundbuchabteilung des Rayongerichts Zabrze vom 30. Mai 2005 ergangene rechtskräftige Entscheidung des Insolvenzgerichts Gliwice vom 6. Juni 2005 zur Frage der Zulässigkeit der Eintragung einer Zwangshypothek für das Grundbuchamt nicht maßgeblich sein solle, trifft ebenfalls nicht zu.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kommt in Betracht, wenn ein Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires, willkürfreies Verfahren vorliegt. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein genügt dafür nicht; vielmehr muss die Auffassung des Gerichts unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sein und daher vermuten lassen, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002 aaO). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Beschwerdegericht ist unter Hinweis auf Art. 518 § 3 poln. ZPO davon ausgegangen, die Eintragung der Zwangshypothek sei nach wie vor wirksam, weil sie - im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung - nicht aufgehoben worden sei. Die Frage, in welchem Umfang nach polnischem Recht eine Bindung des Gerichts, das über einen Berichtigungsantrag nach Art. 10 des Gesetzes vom 6. Juli 1982 über Grundbücher und Hypothek beziehungsweise über die Anfechtung des Grundbucheintrags zu befinden hat, an rechtskräftige Entscheidungen anderer Gerichte besteht, ist ohne vertiefte Kenntnisse des dortigen Rechtssystems nicht zu beantworten. Selbst wenn das Beschwerdegericht bei der Beurteilung dieser Frage nicht zum richtigen Ergebnis gelangt sein sollte, liegt jedenfalls kein Fall krasser Missdeutung des fremden Rechts vor. Ob das Beschwerdegericht die aus § 293 ZPO abzuleitende Pflicht zur Ermittlung des maßgeblichen ausländischen Rechts insoweit verletzt hat, kann für die Entscheidung dahin stehen. Ein solcher Verstoß allein würde für die Annahme von Willkür nicht ausreichen.

3. Die Rechtsbeschwerde bezieht den Vorwurf der Willkür auch auf die Auffassung des Beschwerdegerichts, die mit dem Grundbuchberichtigungsantrag befassten polnischen Richter würden Art. 81 Abs. 3 des polnischen Gesetzes über Konkurs und Sanierung vom 28. Februar 2003 so auslegen, dass das Verbot der Belastung der Insolvenzmasse keine Hypothekeneintragungen betreffe, die länger als sechs Monate vor Stellung des Insolvenzantrags beantragt worden seien. Diese Ausführungen hat die Vorinstanz jedoch im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 38 Abs. 1 LugÜ (§ 36 Abs. 1 AVAG) gemacht. Eine solche Entscheidung ist, auch wenn sie - wie hier - zusammen mit der Entscheidung über den Rechtsbehelf selbst ergeht, nicht anfechtbar (vgl. BGH, Beschl. v. 21. April 1994 - IX ZB 8/94, NJW 1994, 2156, 2157 zu Art. 38 Abs. 1 EuGVÜ m.N. aus der Rspr. des EuGH).

Im Übrigen ist der Vorwurf der Willkür nicht berechtigt: Das Beschwerdegericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen zwei Stellungnahmen namhafter polnischer Gutachter eingeholt, die spezielle Kenntnisse auch der ausländischen Rechtspraxis haben. Prof. Dr. Z. hat zwar in seiner Äußerung eine Abweichung zumindest der Instanzgerichte vom Wortlaut der Vorschrift für unwahrscheinlich erachtet. Andererseits hat aber gerade die Grundbuchrichterin am Rayongericht Zabrze im Beschluss vom 30. Mai 2005 die Vorschrift in dem Sinn ausgelegt, die ihr auch beide Gutachter beigemessen haben. Es ist deshalb keineswegs als willkürlich zu betrachten, dass das Beschwerdegericht der Auffassung von Prof. Dr. E. gefolgt ist.

4. Dem Insolvenzverwalter (Gerichtsaufseher) steht es frei, gegen Vollstreckungsakte der Antragstellerin im Inland, die nach einer - von ihm zu belegenden - rechtskräftigen Löschung der Zwangshypothek erfolgen, mit der Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorzugehen (vgl. Art. 140 des polnischen Gesetzes über Konkurs und Sanierung vom 28. Februar 2003; EuGH InVo 1999, 243, 245 [Tz. 28 bis 32]; MünchKomm-InsO/Breuer, aaO § 89 Rn. 40). Dieser Einwand ist schon deshalb nicht nach § 14 Abs. 1 AVAG präkludiert, weil sich diese Vorschrift nur auf die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bezieht.

5. Mangels eines zulässigen Rechtsmittels ist der Senat gehindert, den von den Beteiligten dieses Verfahrens nicht angesprochenen Bedenken gegen die Bestimmtheit des für vollstreckbar erklärten Tenors nachzugehen, soweit dieser die Fälligkeit der zurückzuerstattenden Prozesskosten betrifft (zu den tatrichterlichen Aufgaben in diesem Zusammenhang vgl. BGHZ 122, 16, 17 ff; BGH, Beschl. v. 5. April 1990 - IX ZB 68/89, NJW 1990, 3084, 3085).

6. Der am 19. Juni 2006 eingegangene Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12. Juni 2006 gibt zu einer anderen Entscheidung keinen Anlass. Er ist nach Ablauf der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gemäß § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingegangen; aus ihm ergibt sich im Übrigen auch kein Zulässigkeitsgrund (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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