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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: IX ZB 219/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 233 Fd |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 15. November 2007
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Vill
am 15. November 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 13. September 2006 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 9.800,84 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von 9.800,84 € Steuerberaterhonorar. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Urteil ist dem Beklagten am 23. Juni 2006 zugestellt worden. Sein Prozessbevollmächtigter hat am 21. Juli 2006 Berufung eingelegt und diese am 24. August 2006 begründet.
Am 28. August 2006 hat die Vorsitzende des Berufungsgerichts darauf hingewiesen, dass die Begründung erst nach Ablauf der Begründungsfrist bei Gericht eingegangen ist.
Am 6. September 2006 hat der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt:
Der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist sei von der hierfür zuständigen und in Fristsachen geschulten und ansonsten stets sorgfältig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten falsch berechnet und falsch im Fristenbuch für den 24. August 2006 vermerkt worden. Der für den Fall zuständige Rechtsanwalt habe die fehlerhafte Berechnung bei Abfassung der Berufungsbegründung am 22. August 2006 bemerkt und sein Sekretariat angewiesen, den Schriftsatz nach Erledigung einiger geringfügiger Korrekturen und nach Unterzeichnung des Schriftsatzes noch am 22. August 2006, jedenfalls aber am 23. August 2006 an das Berufungsgericht zu faxen. Ob dieser Anweisung gefolgt worden sei, habe der bearbeitende Rechtsanwalt nicht überprüft, da er am 23. August 2006 in Urlaub gefahren sei. Tatsächlich sei die Reinschrift erst am 24. August 2006 erstellt und an das Berufungsgericht gefaxt worden. Offenbar sei die fälschlicherweise für diesen Tag im Fristenkalender eingetragene Frist beachtet worden.
Das Kammergericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Sätze 3 und 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), aber unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Beklagten eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt weder den Anspruch des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Oktober 2006 - XI ZB 27/05, NJW 2007, 601, 602 m.w.N.) noch weicht die Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab.
1. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag für unbegründet erachtet, weil die Frist zur Begründung der Berufung durch Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten versäumt worden sei. Dieses liege darin, dass er keine organisatorische Vorkehrungen in seinem Büro getroffen habe, die sicherstellen konnten, dass die im Fristenkalender falsch eingetragene Frist korrigiert und der Begründungsschriftsatz rechtzeitig gefaxt wurde.
2. Das Berufungsgericht hat damit entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden.
a) Ein Rechtsanwalt darf zwar grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (st. Rspr., z.B. BGH, Beschl. v. 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, NJW-RR 2004, 1361, 1362; v. 13. September 2006 - XII ZB 103/06, BGHReport 2006, 1493; v. 21. Dezember 2006 - IX ZB 309/04, AnwBl 2007, 236; v. 4. April 2007 - III ZB 85/06, BGHReport 2007, 623, 624).
In einer Anwaltskanzlei müssen jedoch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die mündliche Einzelanweisung über die Eintragung oder Einhaltung einer wichtigen Frist in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung oder rechtzeitige Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes unterbleibt (für die Eintragung einer wichtigen Frist vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689; v. 21. Dezember 2006 aaO; für die Einhaltung einer wichtigen Frist zur Übermittlung eines Schriftsatzes per Fax vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 22. Juni 2004 aaO; v. 13. September 2006 aaO; v. 4. April 2007 aaO). In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeglicher Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (BGH, Beschl. v. 22. Juni 2004 aaO; v. 13. September 2006 aaO; v. 21. Dezember 2006 aaO; v. 4. April 2007 aaO).
Eine besondere Vorkehrung mag ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn die Bürokraft die unmissverständliche Weisung erhalten hat, einen Vorgang sogleich auszuführen (BGH, Beschl. v. 22. Juni 2004 aaO; v. 4. April 2007 aaO). Lässt der Anwalt dagegen seiner Angestellten einen zeitlichen Spielraum von mehreren Stunden oder gar - wie hier - bis zum Ende des nächsten Tages, besteht die Gefahr, dass der Auftrag im Drange der sonstigen Geschäfte vergessen wird. Dieser Fehler kann auch ansonsten verlässlichen Kanzleikräften unterlaufen. Der Rechtsanwalt muss deshalb, wenn er nicht die sofortige Ausführung seiner Anweisung anordnet, durch allgemeine Weisung oder durch besonderen Auftrag Vorkehrungen gegen das Vergessen treffen (BGH, Beschl. v. 4. April 2007 aaO).
3. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, der Beklagte habe die Fristversäumnis verschuldet. Sein Prozessbevollmächtigter hat nicht dafür gesorgt, dass die Einhaltung der von ihm erteilten Einzelweisung gesichert wurde. Er hat weder seine Urlaubsvertretung oder eine andere Person veranlasst, am nächsten Tag die Einhaltung der Frist zu kontrollieren, noch zumindest dafür gesorgt, dass die im Fristenkalender noch immer falsch eingetragene Frist korrigiert wurde, so dass wenigstens die erforderliche Ausgangskontrolle anhand dieses Kalenders noch rechtzeitig hätte erfolgen können.
Dieses Verschulden seines Prozessbevollmächtigten muss sich der Beklagte zurechnen lassen, § 85 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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