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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: IX ZB 225/04
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, RpflG
Vorschriften:
ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2 | |
ZPO § 234 Abs. 2 | |
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 577 Abs. 1 Satz 2 | |
ZPO § 574 Abs. 1 | |
ZPO § 575 Abs. 1 | |
InsO § 4 | |
InsO § 59 | |
InsO § 59 Abs. 1 Satz 2 | |
InsO § 59 Abs. 2 | |
RpflG § 11 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 2. März 2006
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer
am 2. März 2006
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 18. Mai 2004 und 26. August 2004 werden auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Der Schuldner, über dessen Vermögen mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 18. Mai 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat mit Schreiben vom 28. November 2002 die Bestellung eines Sonderverwalters für die Durchführung eines Rechtsstreits gegen eine Bank sowie zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter beantragt. Das Insolvenzgericht hat den Antrag durch Beschluss des Rechtspflegers vom 19. August 2003 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hat das Insolvenzgericht - Insolvenzrichter - als Erinnerung behandelt und zurückgewiesen. Hiergegen hat der Schuldner Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Sonderverwalter zu bestellen. Mit einem weiteren Schriftsatz hat er beantragt, den Insolvenzverwalter aus wichtigem Grund aus dem Amt zu entlassen. Durch Beschluss der Rechtspflegerin vom 5. Januar 2004 hat das Insolvenzgericht diese Anträge des Schuldners, einen Sonderverwalter zu bestellen sowie den Insolvenzverwalter zu entlassen, zurückgewiesen. Der gegen diesen Beschluss vom Schuldner eingelegten sofortigen Beschwerde hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen. Der Insolvenzrichter hat sie als Erinnerung behandelt und mit Beschluss vom 29. März 2004 zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat der Insolvenzrichter nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 18. Mai 2004 mangels Statthaftigkeit als unzulässig verworfen.
Auf die hiergegen eingelegte "außerordentliche Beschwerde" hat das Landgericht den Schuldner mit Beschluss vom 16. Juli 2004 darauf hingewiesen, dass nicht die außerordentliche Beschwerde, sondern die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft sei. Mit Schreiben vom 1. August 2004 hat der Schuldner gegen diese Sachbehandlung Gegenvorstellung und Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Er hat nunmehr verlangt, seine "außerordentliche Beschwerde" als Gehörsrüge zu behandeln. Diese hat das Landgericht mit Beschluss vom 26. August 2004 zurückgewiesen.
Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich der Schuldner gegen die Beschlüsse vom 18. Mai 2004 und 26. August 2004.
II.
Die Rechtsbeschwerden sind unzulässig und deshalb zu verwerfen, § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
1. Gemäß § 574 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. Die Befugnis zur Rechtsbeschwerde setzt grundsätzlich voraus, dass bereits die sofortige Beschwerde statthaft war (BGHZ 144, 78, 82 ff; BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 75/03, WM 2003, 2344; v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 599/02, WM 2003, 2390, 2391; v. 7. April 2005 - IX ZB 63/03, WM 2005, 1246). Das war hier nicht der Fall.
2. Der Rechtsbehelf, den der Schuldner gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 29. März 2004 eingelegt hat, war als sofortige Beschwerde unstatthaft. Das Landgericht hat sie daher im Beschluss vom 18. Mai 2004 zutreffend als unzulässig verworfen.
Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung dies ausdrücklich vorsieht (§ 6 InsO). Dies ist bei den hier angegriffenen Entscheidungen nicht der Fall.
a) Die Entlassung des Insolvenzverwalters kann nach § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO von Amts wegen oder auf Antrag des Verwalters, des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung erfolgen. Der Schuldner hat kein Antragsrecht. Ein von ihm gestellter unzulässiger Antrag kann aber als Anregung für eine Tätigkeit von Amts wegen gewertet werden (HK-InsO/Eickmann, 4. Aufl. § 59 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Graeber, § 59 Rn. 37; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 59 Rn. 11; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 59 Rn. 15; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 59 Rn. 9).
Gegen die Ablehnung des Antrags stehen gemäß § 59 Abs. 2 InsO dem Verwalter, dem Gläubigerausschuss oder, wenn die Gläubigerversammlung den Antrag gestellt hat, jedem Gläubiger die sofortige Beschwerde zu. Dem Schuldner ist demgegenüber keine Beschwerdebefugnis eingeräumt (HK-InsO/Eickmann, aaO § 59 Rn. 12; Kübler/Prütting/Lüke, aaO; Uhlenbruck, aaO § 59 Rn. 22).
Das Insolvenzgericht - Rechtspfleger - hat, obwohl hierzu eine Notwendigkeit nicht bestand, den Antrag des Schuldners förmlich mit Beschluss vom 5. Januar 2004 verbeschieden. Hiergegen war, da ein Rechtsmittel nach der InsO nicht gegeben ist, gemäß § 11 Abs. 2 RpflG die sofortige Erinnerung statthaft. Diese wurde als unbegründet zurückgewiesen. Ein weiteres Rechtsmittel findet nicht statt.
b) Die Bestellung eines Sonderverwalters ist in der InsO nicht geregelt. Es entspricht jedoch einhelliger Auffassung, dass eine solche Bestellung möglich ist (vgl. BGH, Urt. v. 17. November 2005 - IX ZR 179/04, ZIP 2006, 36; LG Frankfurt/Oder ZInsO 1999, 45). Sie setzt voraus, dass der Verwalter tatsächlich oder rechtlich verhindert ist, sein Amt auszuüben (vgl. LG Frankfurt/Oder aaO; HK-InsO/Eickmann, aaO § 56 Rn. 35; Kübler/Prütting/Lüke, aaO § 56 Rn. 32; MünchKomm-InsO/Graeber, § 56 Rn. 114; Uhlenbruck, aaO § 56 Rn. 31).
Ein Rechtsmittel gegen die Ablehnung der beantragten Bestellung eines Sonderverwalters ist in der InsO nicht vorgesehen. Es kommt aber - wie auch der Beschwerdeführer meint - in Betracht, die Vorschrift des § 59 InsO entsprechend anzuwenden. Auch dann ist aber für den Schuldner ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Ausführungen zum Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters gelten entsprechend.
Das Insolvenzgericht - Rechtspfleger - hat auch diesen Antrag des Schuldners mit Beschluss vom 5. Januar 2004 verbeschieden. Hiergegen war demgemäß ebenfalls gemäß § 11 Abs. 2 RpflG die sofortige Erinnerung, aber kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Diese wurde als unbegründet zurückgewiesen.
c) Der Ausschluss eines Instanzenzuges verstößt nicht gegen die aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden (BVerfG NJW 2003, 1924; BGH, Beschl. v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 599/02, WM 2003, 2390, 2392 f). Den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügt es, dass Entscheidungen des Rechtspflegers, die nach den allgemeinen Regeln des Verfahrensrechts nicht anfechtbar sind, gemäß § 11 Abs. 2 RpflG dem Richter vorzulegen sind (BVerfGE 101, 397, 407 f; BVerfG NJW-RR 2001, 1077 f).
Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt schon deshalb nicht vor, weil er in seinen Anträgen und als sofortige Erinnerung behandelten Beschwerden hinreichend Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt vorzubringen. Dieser wurde auch sachlich verbeschieden.
d) Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 575 Abs. 1 ZPO eingelegt worden und deshalb verfristet. Wiedereinsetzung ist nicht beantragt worden. Eine Gewährung von Amts wegen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 4 InsO kommt nicht in Betracht, weil der Kläger die Rechtsbeschwerde erst am 4. Oktober 2004 eingelegt hat, obwohl der entsprechende Hinweis des Landgerichts ihm spätestens am 1. August 2004 zugegangen ist. Er hat damit jedenfalls die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO versäumt. Die Entscheidung über die Gehörsrüge vom 26. August 2004 durfte er nicht abwarten, weil diese gerade voraussetzte, dass ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung vom 18. Mai 2004 nicht gegeben war (BGHZ 150, 133, 136).
Die Rechtsmittelfrist kann auch nicht aufgrund des Meistbegünstigungsprinzips als eingehalten angesehen werden (vgl. hierzu BGHZ 152, 213, 216). Das Landgericht hat weder eine der Form nach unrichtige Entscheidung getroffen, noch bestand für den Beschwerdeführer aufgrund eines Fehlers oder einer Unklarheit in der anzufechtenden Entscheidung eine Unsicherheit über den einzulegenden Rechtsbehelf.
3. Die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts vom 26. August 2004 ist nicht statthaft, weil damit über die zunächst als "außerordentliche Beschwerde" bezeichnete Gehörsrüge entschieden wurde. Diese Entscheidung ist nicht mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar (BGHZ 150, 133, 136; vgl. auch § 321a Abs. 4 Satz 4 ZPO in der bis 31. August 2004 geltenden Fassung).
Ende der Entscheidung
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