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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: IX ZB 23/06
Rechtsgebiete: EuGVVO, AVAG, ZPO


Vorschriften:

EuGVVO Art. 46 Abs. 1
AVAG § 22 Abs. 2
AVAG § 22 Abs. 3
ZPO § 807 Abs. 1
ZPO § 900 Abs. 1
Auch im Falle einer Aussetzung des Verfahrens oder einer Anordnung, dass die Zwangsvollstreckung nicht über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen darf, ist der Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn der Gläubiger einen entsprechenden Auftrag erteilt.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 23/06

vom 2. März 2006

in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann

am 2. März 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Anträge des Schuldners, das Verfahren auszusetzen und - hilfsweise - anzuordnen, dass die Zwangsvollstreckung nicht über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen darf, werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht Colmar hat den Schuldner am 9. Oktober 2003 zur Zahlung einer Geldsumme an die Gläubigerin verurteilt. Auf deren Antrag hat der Vorsitzende der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz die Entscheidung für vollstreckbar erklärt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben.

Nach fristgerechter Einlegung der Rechtsbeschwerde beantragt der Schuldner, das Verfahren auszusetzen, hilfsweise anzuordnen, dass die Zwangsvollstreckung nicht über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen darf. Er macht geltend: Er verfüge nicht über die Mittel, den Urteilsbetrag zu zahlen oder rechtzeitig ein entsprechendes Darlehen zu erhalten. Er müsste die eidesstattliche Versicherung, zu deren Abgabe er auf den 9. März 2006 geladen worden sei, leisten. Dies hätte zur Folge, dass private und geschäftliche Kredite in erheblicher Höhe sofort fällig gestellt würden und er als Geschäftsführer nicht mehr tragbar wäre.

II.

Die Anträge des Schuldners sind unzulässig.

Der Schuldner hat das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht glaubhaft gemacht. Er kann sowohl mit der in erster Linie beantragten Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 46 Abs. 1 EuGVVO als auch mit dem Hilfsantrag nach § 22 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 AVAG nur erreichen, dass die Gläubigerin auf eine Sicherungsvollstreckung beschränkt ist. Das folgt für § 22 Abs. 2 und 3 AVAG bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, gilt aber auch für die Aussetzung des Verfahrens (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Art. 46 EuGVVO Rn. 6; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 46 EuGVVO Rn. 2; Stadler IPrax 1995, 220, 222 zu Art. 38 EuGVÜ).

Der Schuldner hat sein Interesse an einer Eilentscheidung des Senats damit begründet, dass er auf Betreiben der Gläubigerin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen worden sei. Hierzu wäre er aber auch dann verpflichtet, wenn der Senat einem seiner Anträge stattgeben würde. Denn auch im Rahmen einer Sicherungsvollstreckung ist der Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet (vgl. zu § 720a ZPO OLG Hamburg MDR 1999, 255; OLG Frankfurt am Main Rpfleger 1996, 468; OLG Koblenz MDR 1991, 63 f; OLG München MDR 1991, 64; KG MDR 1989, 745; OLG Hamm MDR 1982, 416; OLG Düsseldorf NJW 1980, 2717; OLG Stuttgart NJW 1980, 1698; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 807 Rn. 5; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 3. Aufl. § 720a Rn. 6; MünchKomm-ZPO/Krüger, 2. Aufl. § 720a Rn. 4; Zöller/Stöber, 25. Aufl. § 720a Rn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 64. Aufl. § 720a Rn. 4; Musielak/Lackmann, ZPO 4. Aufl. § 720a Rn. 4; Musielak/Becker, aaO § 807 Rn. 2; a.A. LG Berlin Rpfleger 1989, 206; LG Osnabrück MDR 1989, 463; LG Mainz DGVZ 1987, 61).

Dem Wortlaut der Art. 46, 47 EuGVVO und der §§ 18 ff AVAG kann nicht entnommen werden, dass der Gläubiger im Rahmen der danach zulässigen Maßnahmen zur Sicherung nicht auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erwirken kann. Das Gleiche gilt für die Vorschrift des § 720a ZPO; die dort genannte Beschränkung auf die Pfändung beweglicher Sachen und die Eintragung einer Sicherungs- oder Schiffshypothek besagt nichts über die Zulässigkeit von Nebenmaßnahmen der Zwangsvollstreckung, die ihrerseits erst eine zulässige Vollstreckungsmaßnahme ermöglichen sollen (OLG Düsseldorf aaO).

Die Gesetzesmaterialien verhalten sich nicht zu der hier zu entscheidenden Frage (vgl. BT-Drucks. 7/2729 S. 21, 45, 109 f, 7/5250 S. 16, 64 zu § 720a ZPO; 14/4591 S. 22 zu § 22 AVAG 2001; 11/351 S. 26 zu § 24 AVAG 1988; BR-Drucks. 534/99 zu Art. 43, 44 des Vorschlags einer Verordnung [EG] des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen).

Abzustellen ist daher auf Sinn und Zweck der Vorschriften, die dem Gläubiger den Zugriff auf das Schuldnervermögen im Wege der Sicherungsvollstreckung eröffnen. Dem Gläubiger soll eine dem Arrest vergleichbare Sicherung verschafft werden, indem er auch vor einer Schmälerung der Haftungsmasse durch den Schuldner geschützt wird (BT-Drucks. 7/2729 S. 21, 45, 109 f, 7/5250 S. 16). Dieser Zweck ist aber nur dann sicher zu erreichen, wenn der Schuldner unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen die eidesstattliche Versicherung abgeben muss. Denn nur auf diesem Wege kann der Gläubiger zuverlässig ermitteln, ob der Schuldner Vermögen besitzt, auf das er im Wege der Sicherungsvollstreckung zugreifen kann (OLG Hamburg aaO; Krüger, aaO). Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist daher eine Maßnahme zur Vorbereitung zulässiger, hier auf Sicherung beschränkter, Vollstreckungszugriffe. Aus vergleichbaren Erwägungen ist - soweit ersichtlich - allgemein anerkannt, dass der dingliche Arrest ein zur Herbeiführung der Offenbarungsversicherung genügender Titel ist (OLG Stuttgart aaO; Stein/Jonas/Münzberg, aaO; MünchKomm-ZPO/Eickmann, 2. Aufl. § 807 Rn. 3).

Vermag somit der Schuldner mit den von ihm beantragten einstweiligen Maßnahmen die anstehende Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht zu verhindern, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis für seine Anträge.

Ende der Entscheidung

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