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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: IX ZB 238/06
Rechtsgebiete: InsO
Vorschriften:
InsO § 21 | |
InsO § 22 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 13. Dezember 2007
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Dr. Detlev Fischer
am 13. Dezember 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 22. November 2006 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Schuldnerin, eine in der Rechtsform der GmbH & Co. KG geführte Gesellschaft, unterhielt in C. eine Bauunternehmung. Durch Gesellschafterbeschluss vom 23. Oktober 2006 soll die Geschäftsführung der Komplementärgesellschaft ausgewechselt worden sein. Als neuer Geschäftsführer tritt K. T. auf, der nach seinen Angaben in P. wohnt. Er kündigte dem zu 1 beteiligten Gläubiger noch am selben Tage das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2006, hilfsweise zu dem nächstzulässigen Termin, und gab dem zu 4 beteiligten Gläubiger, einem Subunternehmer, am 24. Oktober 2006 den Geschäftsführerwechsel und seine Anschrift im Ausland bekannt. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind Bauherren, die geltend machen, dass den von ihnen erbrachten Zahlungen nur um ca. 20.000 Euro geringere Leistungen der Schuldnerin gegenüberständen.
Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2006, der am Folgetag um 8.55 Uhr beim Amtsgericht C. eingegangen ist, haben die Gläubiger Insolvenzantrag gestellt und Sicherungsmaßnahmen angeregt, weil Bestrebungen im Gange seien, das schuldnerische Unternehmen durch Verlegung nach Spanien "zu beerdigen". Das Amtsgericht hat am 1. November 2006 Sicherungsmaßnahmen getroffen und den weiteren Beteiligten zu 5 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt diese die Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 7 InsO). Der Entscheidung des Landgerichts liegt eine statthafte sofortige erste Beschwerde zugrunde (§ 6 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil sie keinen Zulassungsgrund aufzeigt. Die Rechtssache hat ersichtlich weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
1. Dies beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde, falls die für die Entscheidung tragenden Rechtsfragen in der Zwischenzeit im Ergebnis in einem dem Beschwerdeführer ungünstigen Sinne beantwortet worden sind (vgl. BVerfG WM 2007, 182 f; BGH, Beschl. v. 28. September 2006 - IX ZB 230/05, NZI 2007, 40 für die Nichtzulassungsbeschwerde; Saenger/Kayser, ZPO 2. Aufl. § 544 Rn. 23, § 574 Rn. 12).
2. In Anwendung dieser Grundsätze fügen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen in die Rechtsprechung des Senats zu der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen bei noch nicht abschließend geklärter örtlicher und internationaler Zuständigkeit ein (vgl. BGH, Beschl. v. 22. März 2007 - IX ZB 164/06, ZIP 2007, 878 ff).
a) Die von der Rechtsbeschwerde als zu beantwortende Grundsatzfrage geforderte Klarstellung, ob die internationale Zuständigkeit des für die Eröffnung zuständigen Gerichts die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen vor Verfahrenseröffnung umfasst, hinterfragt eine Selbstverständlichkeit. Ist das angegangene Gericht örtlich und international zuständig, über den Eröffnungsantrag zu entscheiden, hat es ab dem Zeitpunkt der Antragstellung die Vorschriften der Insolvenzordnung über das Eröffnungsverfahren anzuwenden, mithin auch §§ 21, 22 InsO.
b) Die von der Rechtsbeschwerde vermissten höchstrichterlichen Orientierungshilfen, was unter dem "Ort des satzungsgemäßen Sitzes" im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO zu verstehen sei, insbesondere wenn der im Gesellschaftsvertrag bestimmte und der tatsächliche Verwaltungssitz auseinander fielen, haben keinerlei Entscheidungsrelevanz. Zum einen hat sich das Landgericht aus einzelfallbezogenen, in den Verantwortungsbereich des Tatrichters fallenden Gründen davon überzeugt, dass die Gesellschaft im Wege der "Firmenbestattung" beseitigt werden sollte, mithin ein manipulatives Verhalten der Geschäftsführung vorlag. Liegt in einem solchen Fall der satzungsgemäße Sitz - wie hier - ebenso in Deutschland wie der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners im Zeitpunkt der Manipulation, kann einem künstlich hergestellten abweichenden Verwaltungssitz keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Die Rechtsbeschwerde hat keine einzige Entscheidung oder Literaturstimme aufzuzeigen vermocht, die einen abweichenden Standpunkt einnimmt.
c) Der Senat hat entgegen der Rechtsbeschwerde im Streitfall schließlich keine Leitlinien dafür vorzugeben, unter welchen Voraussetzungen eine manipulative "Firmenbestattung" anzunehmen ist. Dies zu beurteilen, fällt weitgehend in den Verantwortungsbereich des Tatrichters. Über den Einzelfall hinausgehende Aussagen hierzu sind, soweit sie der Senat nicht schon ohnehin getroffen hat (vgl. BGHZ 165, 343, 348 f), nicht möglich. Überdies sind im Streitfall nach den vom Senat im Beschluss vom 22. März 2007 (aaO S. 878 ff) entwickelten Grundsätzen Sicherungsmaßnahmen schon vor Feststellung der Zulässigkeit des Insolvenzantrags zulässig.
Ende der Entscheidung
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