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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.05.2006
Aktenzeichen: IX ZB 249/04
Rechtsgebiete: InsVV


Vorschriften:

InsVV § 3
a) Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Gericht für einzelne Zu- und Abschlagstatbestände zunächst gesonderte Zu- und Abschläge festsetzt; eine solche Vorgehensweise ist jedoch nicht erforderlich. Maßgebend für den Gesamtzuschlag oder Gesamtabschlag ist eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung mit nachvollziehbarer Begründung.

b) Der Umstand, dass das Unternehmen des Schuldners nicht fortgeführt worden ist, begründet keinen Abschlag.

c) Die Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters rechtfertigt regelmäßig einen Abschlag auf die Vergütung des endgültigen Insolvenzverwalters auch dann, wenn dem vorläufigen Insolvenzverwalter keine Zuschläge bewilligt worden sind.

d) Ist der vorläufige Insolvenzverwalter durch Zuschläge für eine Tätigkeit vergütet worden, die regelmäßig dem endgültigen Verwalter obliegt (z.B. Verwertung der Insolvenzmasse), ist die Vergütung des endgültigen Verwalters durch in der Höhe korrespondierende, angemessene Abschläge zu kürzen.

e) Ein Abschlag auf die Vergütung des Insolvenzverwalters ist auch dann zulässig, wenn die Masse nicht im Sinne des § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV groß war.

f) Eine außergewöhnlich hohe Zahl von Gläubigern rechtfertigt einen Zuschlag, eine entsprechende Abweichung vom Normalfall nach unten einen in der Höhe korrespondierenden Abschlag.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 249/04

vom 11. Mai 2006

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Vill und Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer

am 11. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Insolvenzverwalterin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 6. Oktober 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.291,77 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Aufgrund Eigenantrags bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 20. September 2002 die (weitere) Beteiligte zur vorläufigen Verwalterin im Insolvenzeröffnungsverfahren betreffend das Vermögen des Schuldners. Für diese Tätigkeit setzte das Amtsgericht eine Vergütung inklusive Auslagen und Umsatzsteuer von 14.582,71 € fest. Mit Beschluss vom 2. Dezember 2002 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren.

Die Insolvenzverwalterin hat beantragt, ihre Vergütung unter Berücksichtigung eines Vorschusses von 6.663,67 € auf weitere 14.503,43 € einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer festzusetzen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11. Juni 2004 die Vergütung einschließlich des Vorschusses auf 15.875,33 € festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht als im Ergebnis unbegründet zurückgewiesen, da einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer eine Vergütung von 15.412,37 €, also weniger als zugesprochen berechtigt sei.

Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte ihren Antrag in vollem Umfang weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Auf die Vergütungsfestsetzung sind die bis 6. Oktober 2004 geltenden Vorschriften der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung anzuwenden, weil das Insolvenzverfahren vor dem 1. Januar 2004 eröffnet worden ist (§ 19 InsVV i.d.F. des Art. 1 Nr. 10 der Verordnung vom 4. Oktober 2004 - BGBl I S. 2569).

1. Amtsgericht und Landgericht haben bei der Festsetzung die von der Beteiligten errechnete Ausgangs-Regelvergütung von 12.962,10 € zugrunde gelegt. Sie haben einen Abschlag von 25 % vorgenommen. Das Amtsgericht hat dies damit begründet, dass nur 29 Gläubiger Forderungen angemeldet hätten und auch im Übrigen das Verfahren unter Einschluss des vorläufigen Insolvenzverfahrens nur als "etwas überdurchschnittlich" angesehen werden könne, weil die Insolvenzverwalterin auch als vorläufige Verwalterin eingesetzt gewesen sei und die Fortführung des Betriebes vor Eröffnung des Verfahrens geendet habe, so dass ein Abschlag gemäß § 3 Abs. 2 InsVV von 25 % erforderlich sei.

Das Beschwerdegericht meint, der so vorgenommene Abschlag sei nicht zu beanstanden. Er sei gerechtfertigt, weil die Insolvenzverwalterin aus ihrer Tätigkeit als Sachverständige und vorläufige Insolvenzverwalterin Erkenntnisse habe gewinnen können, die ihre Tätigkeit im nachfolgenden Insolvenzverfahren vereinfacht und erleichtert hätten. Die Tätigkeit der Verwalterin im eröffneten Verfahren habe sich im Wesentlichen auf die Verwertung des schuldnerischen Vermögens beschränkt, die mit "keinen besonderen Schwierigkeiten" verbunden gewesen sei. Das Verfahren habe "keine besonderen Anforderungen" an die Verwalterin gestellt und sei, anders als das Amtsgericht meine, eher unterdurchschnittlich gewesen, weil es hinsichtlich des Unternehmensumsatzes, der Anzahl der Gläubiger und Schuldner und der Anzahl der Buchungsvorgänge unterhalb eines durchschnittlichen Regelinsolvenzverfahrens gelegen habe.

2. Diese Ausführungen greift die Rechtsbeschwerde in verschiedener Hinsicht an. Damit hat sie zum Teil Erfolg.

a) Die Rechtsbeschwerde meint, Amtsgericht und Landgericht hätten nicht pauschal für alle vergütungsmindernden Faktoren einen einheitlichen Gesamtabschlag von 25 % vornehmen dürfen, sondern es hätte für jeden einzelnen Abschlagstatbestand eine dezidierte Einzelprüfung durchgeführt werden müssen.

Soweit die Rechtsbeschwerde damit fordern will, dass jedem vergütungsmindernden Umstand ein eigener Abschlagsfaktor zugemessen werden müsse, ist dem nicht zu folgen. Die Behandlung von Zu- und Abschlägen gemäß § 3 Abs. 1 und 2 InsVV folgt wegen des einheitlichen Regelungssystems allerdings einheitlichen Grundsätzen. In Betracht kommende Abschlagstatbestände sind einzeln in gleicher Weise zu prüfen wie in Betracht kommende Zuschlagstatbestände. Bestehen konkrete, über das Normale hinausgehende Besonderheiten in Form von Erschwernissen, ist gemäß § 3 Abs. 1 InsVV die Vergütung zu erhöhen. Bestehen konkrete, das Normalmaß unterschreitende Besonderheiten in Form von Erleichterungen, ist gemäß § 3 Abs. 2 InsVV die Vergütung zu kürzen. Dabei bedarf es einer genauen Überprüfung und Beurteilung aller in Frage kommenden Tatbestände. Insbesondere sind vom Verwalter geltend gemachte Zuschlagstatbestände im Einzelnen zu beurteilen (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 - IX ZB 50/03, ZIP 2004, 518, 520 f; Kübler/Prütting/Eickmann, InsO § 8 InsVV Rn. 13). Dasselbe gilt für in Betracht kommende Abschlagstatbestände.

Der von Teilen der Literatur vertretenen Auffassung, dass für alle Zu- und Abschlagstatbestände zunächst gesonderte Zu- und Abschläge festzusetzen seien (Rendels, EWiR 2003, 1043; Kübler/Prütting/Eickmann, aaO § 8 InsVV Rn. 13; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl. § 8 Rn. 22), kann dagegen nicht gefolgt werden. Eine solche Vorgehensweise wird in vielen Fällen schon deshalb unzweckmäßig sein, weil sich einzelne Zu- und Abschlagstatbestände in ihren Voraussetzungen häufig überschneiden. Es ist zwar nicht zu beanstanden, wenn das Gericht in geeigneten Fällen Zu- und Abschlagstatbestände zunächst einzeln bewertet. Es ist aber hierzu nicht gezwungen. Auch wenn es einzelne Zu- und Abschläge festsetzt, muss es anschließend in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer aufs Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder den Gesamtabschlag festlegen. Maßgebend ist in jedem Fall eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung. Daher hängt es vom Einzelfall ab, welchen Aufwand das Gericht für erforderlich halten darf und muss, um das von ihm gefundene Ergebnis nachvollziehbar zu begründen. Letzteres ist in jedem Fall erforderlich (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 - IX ZB 607/02, ZIP 2003, 1757; v. 22. April 2004 - IX ZB 136/03, NZI 2004, 448; v. 16. Juni 2005 - IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371; v. 12. Januar 2006 - IX ZB 127/04, zitiert nach juris; v. 23. März 2006 - IX ZB 20/05, ZIP 2006, 858).

b) Die Rechtsbeschwerde wendet sich allerdings zu Recht dagegen, dass das Beschwerdegericht einen Abschlag vorgenommen hat, weil das schuldnerische Unternehmen im eröffneten Insolvenzverfahren nicht mehr fortgeführt worden ist.

Dieser Umstand rechtfertigt keinen Abschlag. Dies ergibt sich daraus, dass die Fortführung des Unternehmens nach der Konzeption der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung stets ein in die Gesamtabwägung einzubeziehender erhöhender Faktor ist (Kübler/Prütting/Eickmann, aaO § 3 InsVV Rn. 22; Kübler/Prütting/Lüke, aaO § 63 InsO Rn. 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 3 InsVV Rn. 16).

Zwar gehört die Fortführung des bei Verfahrenseröffnung noch betriebenen Unternehmens des Schuldners jedenfalls bis zum Berichtstermin, in dem die Gläubigerversammlung über die Fortführung beschließt, zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters. Die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung behandelt dies gleichwohl nicht als einen durch die Regelvergütung abgegoltenen Normalfall. Vielmehr kann die Unternehmensfortführung die Vergütung nur erhöhen, entweder durch Berücksichtigung des erwirtschafteten Überschusses bei der Berechnungsgrundlage gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b InsVV oder, wenn die Masse nicht entsprechend vergrößert worden ist, durch einen Zuschlag gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. b) InsVV. Dann kann aber der Umstand, dass das Unternehmen nicht fortgeführt wurde, kein Abschlagstatbestand sein.

c) Die Rechtsbeschwerde rügt auch zu Recht, dass das Beschwerdegericht den Abschlag damit begründet hat, dass die Verwertung des Schuldnervermögens mit "keinen besonderen Schwierigkeiten" verbunden gewesen sei und das Verfahren "keine besonderen Anforderungen" an die Beklagte gestellt habe. Einen Abschlag würde dies nur dann rechtfertigen, wenn das von der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung der Regelvergütung zugrundegelegte Normalverfahren besondere Schwierigkeiten voraussetzen und an den Verwalter besondere Anforderungen stellen würde. Dies ist mit einem Normalverfahren offenkundig nicht gemeint.

Der Senat hält es allerdings für nicht ausgeschlossen, dass das Beschwerdegericht ausdrücken wollte, das Verfahren sei unterdurchschnittlich schwierig gewesen. Es wird dies nach der Zurückverweisung klarzustellen und gegebenenfalls näher zu begründen haben.

d) Zu Unrecht beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass das Landgericht die Tätigkeit der Beteiligten als vorläufige Insolvenzverwalterin als Grund für einen Abschlag angesehen hat.

aa) Die Rechtsbeschwerde meint, entgegen dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Buchst. a InsVV rechtfertige die Tatsache, dass im Verfahren ein vorläufiger Verwalter tätig war, eine Kürzung nicht. Die bloße Bestellung eines vorläufigen Verwalters führe für sich genommen nicht zu einem Abschlag.

In der Literatur wird allerdings diese Auffassung vertreten. Sie stützt sich auf die amtliche Begründung und meint aus ihr entnehmen zu können, dass das Abschlagskriterium nur dann eingreifen solle, wenn dem nachfolgenden Insolvenzverwalter durch die Vorarbeiten tatsächlich erhebliche Arbeit erspart worden und der vorläufige Verwalter für seine Tätigkeit auch adäquat, durch entsprechende Erhöhung der Normalvergütung entlohnt worden sei (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 3 InsVV Rn. 75; Kübler/Prütting/Eickmann, aaO § 3 InsVV Rn. 49; Blersch in Bräutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 3 InsVV Rn. 26).

bb) Dem kann in dieser Form nicht gefolgt werden.

Richtig ist, dass die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters einen Abschlag bei der Vergütung des endgültigen Insolvenzverwalters nicht zu rechtfertigen vermag. § 3 Abs. 2 Buchst. a InsVV geht aber davon aus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter auch pflichtgemäß tätig geworden und vergütet worden ist. Für diesen Fall hat der Verordnungsgeber angenommen, dass seine Tätigkeit dem Insolvenzverwalter erhebliche Arbeiten ersparen kann (Amtliche Begründung zu § 3 Abs. 2 Buchst. a InsVV, abgedruckt bei Kübler/Prütting, aaO Anhang II zur InsVV).

Durch § 63 InsO und die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung soll dem Insolvenzverwalter und dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine angemessene Vergütung gewährleistet werden (BGHZ 116, 233, 238; 157, 282, 287). Jede Tätigkeit soll jedoch nur einmal vergütet werden, es sei denn, durch einen Wechsel in der Person des Verwalters werden Doppelarbeit und doppelte Aufwendungen unabweisbar (BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180). Dies gilt auch im Verhältnis des vorläufigen Insolvenzverwalters zu seiner Tätigkeit als Sachverständiger (BGH, Beschl. v. 22. April 2004 - IX ZB 136/03, NZI 2004, 448) und entspricht auch dem Grundsatz, dass die Vergütungen des vorläufigen und endgültigen Insolvenzverwalters gleich zu bemessen sind, wenn sich deren Tätigkeit qualitativ und quantitativ nicht unterscheidet (BGH, Beschl. v. 8. Juli 2004 - IX ZB 589/02, NZI 2004, 626, 627 f; v. 4. November 2004 - IX ZB 52/04, NZI 2005, 106; v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 256/04, WM 2006, 530, 532, z.V.b. in BGHZ). Demgemäß kann die Arbeit, die der vorläufige Insolvenzverwalter bereits geleistet hat und die ihm vergütet worden ist, dem endgültigen Insolvenzverwalter - von den genannten Ausnahmen abgesehen - nicht erneut vergütet werden.

cc) Allerdings muss die Ersparnis erheblich, also signifikant sein. Bagatellabweichungen sind unerheblich. Zu- und Abschläge auf die Vergütung sind erst dann vorzunehmen, wenn die Abweichung vom Normalfall eine Erhöhung oder Herabsetzung der Regelvergütung von mindestens 5 % rechtfertigt. Darunter liegende Zu- und Abschläge sind schon im Hinblick auf die Bandbreite, innerhalb der ein Normalfall anzunehmen ist, verfehlt. Festzustellen, ob gegenüber einem Normalfall Besonderheiten vorliegen, ist Aufgabe des Tatrichters.

§ 3 Abs. 2 Buchst. a) InsVV geht allerdings wie alle Zu- und Abschlagstatbestände des § 3 Abs. 1 und 2 InsVV davon aus, dass regelmäßig eine erhebliche Abweichung vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180). Sie ist im Einzelfall vom Gericht der Höhe nach zu bemessen. Es obliegt dem Insolvenzverwalter darzulegen, aus welchen Gründen dies im Einzelfall nicht zutrifft und die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters für ihn keine erhebliche Arbeitserleichterung bewirkt hat. Bei der Frage, welche Tätigkeiten des vorläufigen Verwalters die Tätigkeit des endgültigen Verwalters erheblich vereinfachen, ist darauf abzustellen, welche Aufgaben des Insolvenzverwalters entfallen sind oder weniger aufwendig waren, weil ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden war. Die Erstellung einer, wenn auch möglicherweise noch nicht vollständigen, Vermögensübersicht und die Feststellung der Gläubiger und Schuldner vereinfachen in der Regel dem Verwalter die Arbeit erheblich.

dd) Soweit die Auffassung vertreten wird, es könnten nur solche Tätigkeiten berücksichtigt werden, die beim vorläufigen Insolvenzverwalter mit einem Zuschlag nach § 3 InsVV zusätzlich vergütet worden sind, trifft dies nicht zu. Auch die mit der Regelvergütung des vorläufigen Verwalters abgegoltene Tätigkeit kann dem Verwalter die Erfüllung seiner Aufgabe erheblich erleichtert haben.

Das Beschwerdegericht hat im vorliegenden Fall berücksichtigt, dass die Verwalterin bei der Verwertung auf die in dem von der vorläufigen Verwalterin erstellten Gutachten enthaltene Bestandsaufnahme zurückgreifen konnte, die keine wesentlichen Veränderungen mehr erfahren habe. Dies ist nicht zu beanstanden, weil die dadurch erzielte Arbeitsersparnis nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts erheblich war.

Die Erstattung des Gutachtens ist der vorläufigen Insolvenzverwalterin im Rahmen ihrer Verwaltertätigkeit vergütet worden. Eine gesonderte Vergütung als Sachverständige ist nicht beantragt worden und erfolgt. § 3 Abs. 2 Buchst. a InsVV findet deshalb unmittelbar Anwendung.

Aber selbst dann, wenn die vorläufige Insolvenzverwalterin gesondert als Sachverständige vergütet worden wäre und die Arbeitsersparnis des Verwalters sich gerade aus diesem Sachverständigengutachten ergäbe, wäre ein Abschlag vorzunehmen. Ob hier der Regelfall des § 3 Abs. 2 Buchst. a InsVV Anwendung fände, ist für das Ergebnis unerheblich; auch in diesem Fall wären geringere Anforderungen als im Normalfall anzunehmen (vgl. hierzu unten f).

ee) Die Rechtsbeschwerde meint, ein Vergleich mit § 3 Abs. 2 Buchst. b) InsVV zeige, dass die der Beteiligten ersparte Arbeit nicht erheblich sei, weil auch dort ein Abschlag nur gerechtfertigt sei, wenn der vorläufige Verwalter die Masse bereits zu einem wesentlichen Teil verwertet habe. Ein solcher wesentlicher Teil sei erst bei etwa der Hälfte anzunehmen (so Kübler/Prütting/Eickmann, aaO § 3 InsVV Rn. 50; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 3 InsVV Rn. 76; FK-InsO/Lorenz, 4. Aufl. § 3 InsVV Rn. 35 sogar für 70 %). Demzufolge sei ein Abschlag auch für Buchst. a) nur gerechtfertigt, wenn der vorläufige Verwalter dem endgültigen Verwalter zumindest die Hälfte der Arbeit erspart habe.

Auch dem kann nicht zugestimmt werden. Die Verwertung der Insolvenzmasse gehört grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des vorläufigen Verwalters (vgl. § 22 InsO). Nimmt er eine Verwertung gleichwohl in berechtigter Weise vor, kann er hierfür eine besondere Vergütung beanspruchen (BGHZ 146, 165, 176; BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 - IX ZB 28/03, NZI 2004, 381, 382; v. 12. Januar 2006 - IX ZB 127/04, zitiert nach juris).

In wertmäßig korrespondierender Höhe ist dann aber ein Abschlag bei der Vergütung des Insolvenzverwalters gerechtfertigt, der diese ihm an sich obliegende Aufgabe nicht mehr erledigen muss. Die Bagatellgrenze entspricht sich in diesen Fällen. Ist die Abweichung so wesentlich, dass sie zu einem Zuschlag beim vorläufigen Verwalter führt, ist sie auch so wesentlich, dass sie einen entsprechenden Abschlag beim Verwalter rechtfertigt.

Im Übrigen hat die tatbestandliche Einschränkung eines Regelbeispieles nicht auch eine gleiche Einschränkung der anderen Regelbeispiele zur Folge.

e) Die Rechtsbeschwerde meint schließlich, dass selbst bei einem unterdurchschnittlichen Verfahren eine Kürzung der Regelvergütung aus Rechtsgründen ausgeschlossen sei, wenn die Teilungsmasse als Berechnungsgrundlage der Vergütung unter 250.000 € liege. Dies ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Buchst. d) InsVV, wonach eine Kürzung der Vergütung wegen geringer Anforderung an den Verwalter nur bei großer Masse zulässig sei, die bei 250.000 € beginne. Im vorliegenden Fall habe die Teilungsmasse aber weniger als 40.000 € betragen.

Bei einer Teilungsmasse von 250.000 € würde die Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1 InsVV 34.750 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer betragen. Die Auffassung, unterhalb einer Netto-Vergütung dieses Betrages sei eine Kürzung der Vergütung des Verwalters grundsätzlich nicht zulässig, ist unzutreffend.

Nach § 3 Abs. 2 Buchst. d) ist ein Abschlag gerechtfertigt, wenn die Masse groß ist und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellt. In der Literatur wird hierzu die Meinung vertreten, die Anforderungen müssten "außergewöhnlich gering" sein (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 3 InsVV Rn. 79; Blersch in Breutigam/Blersch/Götsch, aaO § 3 InsVV Rn. 33) und die Teilungsmasse mindestens 250.000 € (Kübler/Prütting/Eickmann, aaO § 3 Rn. 53; Blersch, aaO Rn. 33; MünchKomm-InsO/Nowak, § 3 InsVV Rn. 28) oder 400.000 bis 500.000 € (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO) betragen. Darüber hinaus müsse die sich nach § 2 Abs. 1 InsVV zu berechnende Vergütung völlig außer Verhältnis zur Tätigkeit des Verwalters stehen (Haarmeyer/Wutzke/Förster aaO; Blersch, aaO).

Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Anforderungen müssen gering gewesen sein. Das Angemessenheitsverhältnis bezieht sich auf die nach § 2 Abs. 1 InsVV berechnete Regelvergütung. Die Vergütung ohne Abschlag muss außer Verhältnis zu der Tätigkeit des Verwalters stehen. Soweit im Schrifttum strengere Voraussetzungen gefordert werden, besteht hierfür in § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV keine Grundlage. Wo jeweils die Grenzwerte zu ziehen sind und wie groß die Masse im Sinne des § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV sein muss, bedarf hier jedoch keiner abschließenden Abgrenzung.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde muss die Voraussetzung der großen Masse des § 3 Abs. 2 Buchst. d) InsVV nicht kumulativ auch bei den anderen Abschlagstatbeständen erfüllt sein. Hierfür ergeben sich aus der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung keinerlei Anhaltspunkte; dies würde auch zu unangemessenen Ergebnissen führen.

f) Inhaltlich hat das Beschwerdegericht einen Abschlagstatbestand angenommen, weil das Verfahren eher unterdurchschnittliche Anforderungen an den Verwalter gestellt habe. Das Amtsgericht, das von einem etwas überdurchschnittlichen Verfahren gesprochen hatte, hatte wohl ebenfalls unterdurchschnittlich gemeint; andernfalls wäre seine Argumentation nicht nachvollziehbar.

Liegen unterdurchschnittliche Anforderungen an den Insolvenzverwalter vor, ist zwar kein Regeltatbestand für einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 InsVV gegeben. Gleichwohl ist ein Abschlag gerechtfertigt, wenn die Anforderungen eines Normalverfahrens erheblich unterschritten wurden (BGH, Beschl. v. 23. März 2006, aaO S. 858, 859). Die Grenze der Erheblichkeit kann nicht anders bemessen werden als bei dem entsprechenden Zuschlagstatbestand wegen überdurchschnittlicher Anforderungen. Bagatellabweichungen können in beiden Richtungen nicht berücksichtigt werden.

Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters wird gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 InsO durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen. § 3 InsVV konkretisiert diese gesetzlichen Vorgaben. Die einzelnen Zu- und Abschlagstatbestände haben nur beispielhaften Charakter. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Umstände, die für die Bemessung der Vergütung im Einzelfall Bedeutung gewinnen können (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 - IX ZB 607/02, ZIP 2003, 1757, 1758; v. 23. März 2006, aaO; Amtl. Begründung zu § 3 InsVV, aaO).

Maßgebend ist, ob die Bearbeitung den Insolvenzverwalter stärker oder schwächer als im entsprechenden Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen hat, also der real gestiegene oder gefallene Arbeitsaufwand (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003, aaO; v. 16. Juli 2003 - IX ZB 453/02, ZIP 2003, 1759; v. 23. März 2006, aaO).

Ebenso wie eine außergewöhnlich hohe Gläubigerzahl einen Zuschlag rechtfertigt (vgl. etwa Kübler/Prütting/Eickmann, § 3 InsVV Rn. 44; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 3 InsVV Rn. 72; MünchKomm-InsO/Nowak, § 3 InsVV Rn. 23), rechtfertigt eine ungewöhnlich niedrige Gläubigerzahl einen Abschlag (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO Rn. 85; Kübler/Prütting/Eickmann, aaO Rn. 54). Dabei gelten für Zu- und Abschläge dieselben Grenzwerte (zutreffend Kübler/Prütting/Eickmann, aaO). Es besteht kein Grund, bei Abweichungen nach oben früher und höhere Zuschläge vorzunehmen als bei entsprechenden Abweichungen nach unten (a.A. Haarmeyer/Wutzke/Förster, je aaO, die bei der von ihnen als durchschnittlich angesehenen Gläubigerzahl von 100 bereits einen Zuschlag von 10 % für gerechtfertigt halten, einen Abschlag aber erst bei Reduzierung der Gläubigerzahl unter 20).

Entsprechendes gilt für andere Erschwernisse oder Erleichterungen, die erheblich von einem Normalverfahren abweichen. Auch hier gilt, dass Zu- und Abschläge miteinander korrespondieren. Im Ergebnis muss nach einer Gesamtwürdigung in dem einen wie anderen Fall eine angemessene Gesamtvergütung festgesetzt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003, aaO). Die konkrete Bemessung der hiernach vorzunehmenden Zu- und Abschläge ist Aufgabe tatrichterlicher Würdigung (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003, aaO; v. 23. September 2004 - IX ZB 215/03, NZI 2004, 665; v. 16. Juli 2005 - IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371).

3. Bei der Neufestsetzung der Vergütung wird das Beschwerdegericht auch Folgendes zu berücksichtigen haben:

Werden Zu- und Abschläge gesondert festgesetzt, sind diese jeweils aus der Regelvergütung zu berechnen, nicht auch aus Ab- oder Zuschlägen (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 - IX ZB 50/03, ZIP 2004, 518; v. 8. Juli 2004 - IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555, 1557; v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180 f; v. 16. Juni 2005 - IX ZB 264/03, ZIP 2005, 1372, 1373; Kübler/Prütting/Eickmann, aaO § 3 InsVV Rn. 18). Dies hat das Beschwerdegericht zutreffend gesehen.

Das Beschwerdegericht hat aber angenommen, dass für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten ein Zuschlag gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. a) InsVV beantragt, vom Amtsgericht gewährt und von ihm bestätigt worden sei. Ein solcher Zuschlag war weder beantragt noch bewilligt worden . Das Amtsgericht hat zwar von einem "Zuschlag gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 InsVV" gesprochen. Diese Vorschrift sieht einen Zuschlag aber nicht vor. Beantragt war vielmehr eine Vergütung für die Bearbeitung von Absonderungsrechten gemäß der Vergleichsrechnung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV. Beantragt und bewilligt wurden demgemäß 1.635,90 € als Hälfte der zur Masse geflossenen Feststellungskosten gemäß § 171 Abs. 1 InsO. Dies hat das Beschwerdegericht inhaltlich bestätigt.

Dieser Betrag ist aber Bestandteil der Berechnungsgrundlage und damit der Regelvergütung, auf die sich Zu- und Abschläge gemäß § 3 InsVV beziehen. Ein möglicher Abschlag ist deshalb auch aus dem Betrag von 1.635,90 € zu berechnen. Dies ist auch bei der Bemessung der Höhe des Abschlags zu berücksichtigen.

Zum Umfang des Verschlechterungsverbots in diesem Zusammenhang verweist der Senat auf seine Beschlüsse vom 16. Juni 2005 - IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371, und IX ZB 264/03, ZIP 2005, 1372, 1373.

4. Der Gegenstandswert bemisst sich nach der Differenz zwischen beantragter Vergütung (ohne Vorschuss 14.503,43 €) und vom Amtsgericht festgesetzter Vergütung (ohne Vorschuss 9.211,66 €).

Ende der Entscheidung

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