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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: IX ZB 287/03
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG
Vorschriften:
ZPO § 572 | |
RPflG § 8 Abs. 4 | |
RPflG § 20 Nr. 17 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 2. Juni 2005
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 2. Juni 2005
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 9. Dezember 2003 und des Amtsgerichts Chemnitz vom 13. November 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht - Insolvenzgericht - zurückverwiesen.
Die in diesem Verfahren bisher angefallenen Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.890 €.
Gründe:
I.
Die Schuldnerin ist Eigentümerin eines Grundstücks. Hieran bestellte sie am 21. Januar 1997 zugunsten der (weiteren) Beteiligten zu 2 eine Grundschuld und unterwarf sich wegen des Grundschuldkapitals sowie der Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundstück. Mit Beschluß vom 8. Januar 2003 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen.
Am 20. Juni 2003 hat die Beteiligte zu 2 den Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen eines Teilanspruchs aus ihrer Grundschuld in die Ansprüche der Schuldnerin gegen ihre Mieter, die Beteiligten zu 3 bis 8, auf Zahlung der gegenwärtigen und zukünftigen Nettokaltmiete beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht diese Entscheidung mit Beschluß vom 25. September 2003 aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen; zur Begründung hat es ausgeführt, daß § 89 Abs. 1 InsO - anders als das Amtsgericht gemeint hat - der beantragten Mobiliarvollstreckung nicht entgegenstehe. Daraufhin hat das Amtsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erlassen. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 Erinnerung gemäß § 766 ZPO eingelegt, die das Amtsgericht - Rechtspflegerin - zurückgewiesen hat. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 Abs. 1 bis 3 ZPO auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen.
Das Landgericht hätte die Entscheidung des Amtsgerichts nicht bestätigen dürfen, da sie von der funktionell unzuständigen Rechtspflegerin erlassen worden ist.
Der auf die Erinnerung des Beteiligten zu 1 gemäß § 766 ZPO ergangene Beschluß des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - vom 13. November 2003 beruht - wie das Gericht zutreffend erkannt hat - auf § 89 Abs. 3 InsO. Diese Entscheidung ist nach § 20 Nr. 17 Satz 2 RpflG dem Richter vorbehalten (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 - IX ZB 97/03, WM 2004, 834, 835; MünchKomm-InsO/Ganter § 6 Rn. 64).
Die Entscheidung der Rechtspflegerin ist daher gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 RpflG unwirksam. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 4 Satz 2 RpflG. Denn das Geschäft war der Rechtspflegerin nicht durch eine Entscheidung nach § 7 RpflG zugewiesen worden. Nach dieser Vorschrift entscheidet der Richter über die Zuständigkeit durch Beschluß, wenn Streit oder Ungewißheit darüber besteht, ob ein Geschäft von dem Richter oder dem Rechtspfleger zu bearbeiten ist. Im vorliegenden Fall hat eine Richterin lediglich - nach zutreffender Vorlage durch die Geschäftsstelle - der Rechtspflegerin die Sache im Wege einer innerdienstlichen, den Beteiligten nicht bekannt gemachten Verfügung "zuständigkeitshalber" zugeschrieben. Dies genügt nicht (vgl. OLG Köln Rpfleger 1986, 268, 269; Herrmann in Arnold/Meyer-Stolte, RpflG 6. Aufl. § 7 Rn. 4; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RpflG 10. Aufl. § 7 Rn. 3; Dallmeyer/Eickmann, RpflG § 7 Rn. 3).
Die unwirksame Entscheidung des funktionell unzuständigen Rechtspflegers ist im Rechtsbehelfsverfahren aufzuheben. Auf die Frage, ob diese Entscheidung sachlich richtig war, kommt es nicht an. Sie wird auch nicht dadurch wirksam, daß sie vom Erstbeschwerdegericht in der Sache gebilligt wird (BayObLG Rpfleger 1982, 292, 293; 422, 423; 1983, 443, 444; 1988, 472, 473; OLG München Rpfleger 1979, 346; OLG Frankfurt am Main NJW-RR 1996, 1288; OLG Brandenburg DZWir 1996, 472, 473; OLG Zweibrücken Rpfleger 2003, 117; LG Berlin ZVI 2005, 98, 99). Zwar hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 538 ZPO die Zurückverweisungsbefugnis des Berufungsgerichts eingeschränkt (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 102). Ob und inwieweit der Grundgedanke dieser Regelung auf § 572 ZPO übertragen werden kann, kann jedoch hier offenbleiben. Denn der Fall einer unwirksamen Erstentscheidung wird von § 538 ZPO nicht erfaßt. Insoweit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für ein Rechtsmittelverfahren.
Die danach bereits durch das Landgericht gebotene Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur Entscheidung durch den zuständigen Richter (vgl. LG Berlin aaO) hat der Senat nachzuholen. Es kann dahinstehen, ob möglicherweise eine andere Verfahrensweise erwogen werden könnte, wenn der Senat an die tragenden Erwägungen des (aufhebenden) Beschlusses des Landgerichts vom 25. September 2003 gebunden und an einer hiervon abweichenden sachlichen Entscheidung gehindert wäre. Eine sogenannte Rückbindung besteht jedoch nicht. Denn weder das Amtsgericht noch das Landgericht haben den Beteiligten zu 1 vor ihrer Entscheidung über den Antrag und die Beschwerde der Beteiligten zu 2 angehört.
Ende der Entscheidung
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