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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: IX ZB 291/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 238 Abs. 2 | |
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4 | |
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 | |
ZPO § 577 Abs. 6 Satz 3 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 23. November 2006
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer
am 23. November 2006
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 15. November 2005 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Wert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 122.023,98 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der beklagte Rechtsanwalt, der sich in erster Instanz selbst vertreten hatte, wurde durch Urteil des Landgerichts Göttingen vom 4. August 2005 zur Zahlung von 122.023,98 Euro nebst Zinsen verurteilt. Das Urteil wurde ihm am 5. August 2005 zugestellt. Am 29. September 2005 ging eine Berufungsschrift der Rechtsanwälte Dr. A. und Partner beim Oberlandesgericht Celle ein. Der Beklagte hat mit folgender Begründung Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist beantragt: Er habe die Rechtsanwälte Dr. A. und Partner mit Schreiben vom 25. August 2005 beauftragt, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Sein Mitarbeiter habe dieses Schreiben am Abend des 25. August 2005 in den Briefkasten der Hauptpost in Göttingen eingeworfen. Dass das Auftragschreiben nicht bei den Rechtsanwälten Dr. A. und Partner eingegangen sei, habe er erst bei einer telefonischen Nachfrage am 15. September 2005 erfahren.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Beklagte nicht dargelegt habe, dass ihn an der Fristversäumung kein Verschulden treffe. Er sei nämlich verpflichtet gewesen, rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist Rücksprache bei den Rechtsanwälten Dr. A. und Partner zu nehmen. Eine allgemeine Absprache zwischen ihm und diesen Anwälten hinsichtlich der Übernahme von Rechtsmittelmandaten habe nicht bestanden. Dass die Rechtsanwälte in einer Parallelsache für ihn Berufung eingelegt hätten, reiche insoweit nicht aus.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Beklagte die Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Weil die Rechtsanwälte Dr. A. und Partner bereits in einer Parallelsache für ihn Berufung eingelegt hätten, sei eine Kontrolle, ob der Auftrag übernommen werde, nicht erforderlich gewesen. Er habe sich vielmehr darauf verlassen dürfen, dass ihm eine - nicht zu erwartende - Ablehnung des Auftrags unverzüglich mitgeteilt worden wäre.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). Verfahrensgrundrechte des Klägers sind nicht verletzt.
1. Ein Rechtsanwalt, der einen anderen Rechtsanwalt mit der Einlegung eines Rechtsmittels beauftragen will, hat das Auftragsschreiben rechtzeitig abzusenden und dafür Sorge zu tragen, dass der Rechtsmittelanwalt den Auftrag innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist bestätigt. Der Eingang des Bestätigungsschreibens ist zu überwachen. Bleibt die Mandatsbestätigung des Rechtsmittelanwalts aus, muss der Anwalt rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Rückfrage halten. Dafür hat er das mit der Führung des Fristenkalenders betraute Personal entweder allgemein oder im jeweiligen Einzelfall anzuweisen, den Ablauf der Rechtsmittelfrist als selbstständige Frist festzuhalten und damit dafür zu sorgen, dass die Sache ihm noch einmal vorgelegt wird, wenn sich nicht zuverlässig feststellen lässt, dass der Rechtsmittelanwalt sich zur rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels bereit gefunden hat. Nur wenn zwischen den Rechtsanwälten im Einzelfall oder allgemein abgesprochen worden ist, dass der zweitinstanzliche Anwalt einen Rechtsmittelauftrag annehmen, prüfen und ausführen wird, kann sich der erstinstanzliche Anwalt bei ordnungsmäßiger Büroorganisation grundsätzlich darauf verlassen, dass der Auftrag den Rechtsmittelanwalt rechtzeitig erreicht. In einem solchen Fall besteht eine Pflicht des erstinstanzlichen Anwalts zu Nachforschungen allenfalls dann, wenn sich ihm nach den konkreten Umständen die Befürchtung aufdrängen muss, dass mit dem Auftrag etwas nicht in Ordnung ist (BGHZ 105, 116, 119 f; BGH, Beschl. v. 25. Januar 2001 - IX ZB 120/00, NJW 2001, 1576).
2. Im vorliegenden Fall war zwischen dem beklagten Anwalt und den Rechtsanwälten Dr. A. und Kollegen weder allgemein noch im konkreten Einzelfall besprochen worden, dass Rechtsmittelaufträge angenommen werden würden. Der Auftrag in einem Parallelverfahren vermag die notwendige Absprache nicht zu ersetzen.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Ende der Entscheidung
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