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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: IX ZB 296/03
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 4a
InsO § 4a Abs. 2
InsO § 7
InsO § 305
InsO § 305 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 296/03

vom 29. September 2005

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann

am 29. September 2005

beschlossen:

Tenor:

Dem Schuldner wird gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 4. März 2003 hinsichtlich der Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren und insoweit aufgehoben, als die Ablehnung der Kostenstundung bestätigt worden ist.

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 11. April 2002 aufgehoben, soweit der Stundungsantrag zurückgewiesen worden ist.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Schuldners wird als unzulässig verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Insolvenzgericht - zurückverwiesen.

Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: bis 300 €.

Gründe:

I.

Der verheiratete Schuldner beantragte beim Amtsgericht - Insolvenzgericht - unter Vorlage der gemäß § 305 InsO erforderlichen Erklärungen und Unterlagen die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und die Gewährung der Restschuldbefreiung. Gleichzeitig stellte er den Antrag, ihm die Verfahrenskosten zu stunden sowie einen bestimmten Rechtsanwalt beizuordnen. Im Vermögensverzeichnis gab der Schuldner an, über kein pfändbares Vermögen zu verfügen und eine wöchentliche Arbeitslosenunterstützung von 125,08 Euro zu erhalten. Ferner legte er eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Verwendung des amtlichen Vordrucks zum Antrag auf Prozesskostenhilfe vor. Als Einkommen ist dort der wöchentliche Bezug des Unterhaltsgeldes aufgeführt; über die Einkünfte der Ehefrau machte der Antragsteller keine Angaben.

Das Insolvenzgericht wies den Schuldner darauf hin, dass den bisherigen Angaben noch nicht hinreichend entnommen werden könne, ob die Voraussetzungen für eine Stundung der Verfahrenskosten vorlägen; es fehlten die notwendigen Belege zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Dem trat der Schuldner entgegen; hilfsweise verwies er "auf die Erklärung wegen der Familie" in dem parallel geführten Insolvenzverfahren über das Vermögen seines Vaters (88 IK 202/01).

Das Amtsgericht hat die Anträge auf Stundung der Verfahrenskosten und Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen, weil der Schuldner trotz Aufforderung keine Belege über seine monatlichen Einkünfte vorgelegt habe. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat auch den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das Beschwerdeverfahren zurückgewiesen. Der Senat hat dem Schuldner Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bewilligt. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner, nach seinen in der Vorinstanz gestellten Anträgen zu erkennen.

II.

Wegen der Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde war dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 236 Abs. 1 bis 3 ZPO).

III.

1. Soweit sich der Schuldner gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts wendet, ist seine gemäß § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unzulässig. Die Rechtssache hat insoweit keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). Es ist rechtlich geklärt, dass der Schuldner für das Stundungsverfahren die Beiordnung eines Rechtsanwaltes grundsätzlich nicht verlangen kann (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 - IX ZB 539/02, NJW 2003, 2910, 2911 insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 159, 92). Selbst dann, wenn er die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, kommt die Beiordnung nur bei besonderen Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage in Betracht (BGH, aaO). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zeigt die Rechtsbeschwerde in diesem Punkt nicht auf.

2. Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Landgericht dem Schuldner keine Prozesskostenhilfe bewilligt habe. Das Landgericht hat den Antrag des Schuldners auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das Beschwerdeverfahren nach den Grundsätzen der Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff ZPO) abgelehnt in der - unzutreffenden - Annahme, § 4a InsO enthalte insoweit eine abschließende Sonderregelung. Dagegen findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof nur statt, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002 - IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793, 2794; BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 aaO). Daran fehlt es.

IV.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, so weit sie sich gegen die Ablehnung der Stundung der Verfahrenskosten richtet. In diesem Umfang hat das Rechtsmittel auch Erfolg. Bis jetzt kann dem Antragsteller die Verfahrenskostenstundung nicht deshalb versagt werden, weil er zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen seiner Ehefrau unzureichende Angaben gemacht, insbesondere keine Belege vorgelegt habe.

Dass der Antragsteller nach Beendigung der Beschwerdeinstanz zu den Vermögensverhältnissen seiner Ehefrau Angaben nachgereicht hat, kann zwar nicht mehr berücksichtigt werden. Indes sind die instanzgerichtlichen Entscheidungen deshalb fehlerhaft, weil der Schuldner niemals konkret darauf hingewiesen worden ist, welche Angaben er noch machen und belegen sollte.

Sind die Angaben des Schuldners zum Stundungsbegehren gemäß § 4a InsO unvollständig, hat das Insolvenzgericht die Mängel konkret zu bezeichnen und dem Schuldner aufzugeben, binnen angemessener Frist Darlegung und Nachweise zu ergänzen. Dies folgt insbesondere aus der dem Gericht gemäß § 4a Abs. 2 InsO obliegenden Fürsorgepflicht. Erst dann, wenn der Schuldner dieser Aufforderung nicht nachkommt und die ihm gegebenen Hinweise unbeachtet lässt, darf der Stundungsantrag zurückgewiesen werden (BGHZ 156, 92, 94 f; BGH, Beschl. v. 4. November 2004 - IX ZB 70/03, ZVI 2004, 745, 746).

Im Streitfall ist der Schuldner nicht darauf hingewiesen worden, dass Angaben zu den Einkünften seiner Ehefrau erforderlich waren. Auch ist er nicht konkret aufgefordert worden, einen Nachweis über die von ihm angegebenen Einkünfte vorzulegen. Der Hinweis des Amtsgerichts auf die fehlenden "notwendigen Belege zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen" ist hierfür unzureichend, zumal der Schuldner jedenfalls dann, wenn er - wie im vorliegenden Fall - gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben und Erklärungen versichert hat, ohne besonderen Anlass - wozu auch die gezielte Aufforderung durch das Insolvenzgericht gehören kann - nicht verpflichtet ist, einzelne Angaben zu belegen.

Ende der Entscheidung

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