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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.06.1999
Aktenzeichen: IX ZB 30/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233 Hb
ZPO § 518
ZPO §§ 233 Hb, 518

Ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe durch einen Rechtsanwalt beantragt hat, ist, sofern er vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags mangels Bedürftigkeit rechnen mußte, auch dann bis zur Kenntnis von der Entscheidung über die Zurückweisung des Gesuchs schuldlos an der Wahrung der Rechtsmittelfrist gehindert, wenn der Rechtsanwalt das Prozeßkostenhilfegesuch mit der unzulässigen Erklärung verbunden hat, für den Fall der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe werde das Rechtsmittel eingelegt.

BGH, Beschluß vom 24. Juni 1999 - IX ZB 30/99 - OLG München LG München II


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 30/99

vom

24. Juni 1999

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

am 24. Juni 1999

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. Februar 1999 aufgehoben.

Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

Gründe:

I.

Die Beklagte wurde durch Urteil des LG München II verurteilt, aus der dort näher bezeichneten Zwangshypothek die Zwangsvollstreckung zu dulden. Vor Ablauf der Berufungsfrist reichte ihr Prozeßbevollmächtigter beim Oberlandesgericht einen Schriftsatz ein, mit dem er Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragte. Weiter erklärte er, für den Fall, daß der Mandantin Prozeßkostenhilfe gewährt werde, lege er gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein.

Mit Beschluß vom 24. November 1998 lehnte das Oberlandesgericht die Gewährung von Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ab. Mit einem am 16. Dezember 1998 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz beantragte die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte Berufung ein. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Das gemäß §§ 519 b Abs. 2, 577 ZPO form- und fristgerecht eingegangene Rechtsmittel hat im Ergebnis Erfolg.

1. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß der Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 5. November 1998, mit dem Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz erbeten wurde, zugleich eine unwirksame Berufungseinlegung enthielt.

Der Prozeßbevollmächtigte hat dort erklärt, er lege für den Fall, daß Prozeßkostenhilfe gewährt werde, Berufung ein. Die Verknüpfung, die der Schriftsatz damit zwischen der Gewährung von Prozeßkostenhilfe und der Einlegung der Berufung herstellte, ist im Sinne einer Bedingung zu verstehen. Das geht auch daraus hervor, daß (nur) Anträge und Begründung, also nicht die Erklärung, Berufung einzulegen, vorbehalten blieben. Der Rechtsanwalt der Beklagten hat sich also am 5. November 1998 nicht darauf beschränkt, eine spätere Berufung lediglich anzukündigen. Da § 518 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine uneingeschränkte, also unbedingte Erklärung verlangt, war mit dem genannten Schriftsatz keine wirksame Berufung beim Oberlandesgericht eingegangen.

2. Die Gründe, aus denen das Berufungsgericht der Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt hat, halten jedoch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozeßkostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen, sofern er nach den gegebenen Umständen nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen mangelnder Bedürftigkeit rechnen muß. Dies trifft auch dann zu, wenn die Prozeßkostenhilfe im Einzelfall mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung versagt worden ist (BGH, Beschl. v. 29. Januar 1985 - VI ZB 20/84, VersR 1985, 395; v. 25. März 1987 - IVb ZB 42/87, BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 3; v. 11. November 1992 - XII ZB 118/92, BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 7). Dies ist im Streitfall nicht deshalb anders zu beurteilen, weil das zulässige Prozeßkostenhilfegesuch mit einer unwirksamen Berufungseinlegung verbunden wurde.

Reicht ein Rechtsanwalt für eine Partei lediglich ein Prozeßkostenhilfegesuch zur Vorbereitung eines beabsichtigten Rechtsmittels ein, so bringt er damit schlüssig zum Ausdruck, daß er vor Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch nicht die Vertretung des mittellosen Antragstellers übernehmen will. Darauf beruht gerade dessen unverschuldete Verhinderung, das Rechtsmittel fristgerecht einzulegen. An dieser Sachlage ändert sich nichts, wenn der handelnde Rechtsanwalt dem Prozeßkostenhilfegesuch die - unzulässige und unnötige - Erklärung beifügt, er lege bereits jetzt für den Fall der Bewilligung des Gesuchs das Rechtsmittel ein. Auch in einem solchen Fall will der Rechtsanwalt zunächst nicht ohne Bewilligung von Prozeßkostenhilfe in der Rechtsmittelinstanz auftreten. Die unzulässige Rechtsmittelerklärung hat damit keinen Einfluß auf die Gründe, aus denen die Partei an der Fristwahrung gehindert ist. Folglich darf der Wiedereinsetzungsantrag nicht allein deshalb zurückgewiesen werden, weil der Anwalt der Partei nicht nur Prozeßkostenhilfe beantragt, sondern zugleich eine unzulässigerweise von dem Erfolg des Gesuchs abhängig gemachte Berufung eingelegt hat.

3. Die Beklagte hat glaubhaft gemacht, daß die Entscheidung, durch die das Berufungsgericht die Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die zweite Instanz versagt hat, ihrem Prozeßbevollmächtigten am 2. Dezember 1998 zugestellt worden ist. Das am 16. Dezember 1998 beim Berufungsgericht eingegangene Wiedereinsetzungsgesuch ist daher innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gestellt worden. Es ist auch begründet, weil die Beklagte, ehe sie von dem Beschluß des Berufungsgerichts vom 24. November 1998 Kenntnis erhalten hatte, mit einer Ablehnung des Antrags mangels Bedürftigkeit vernünftigerweise nicht rechnen mußte und somit schuldlos die Berufungsfrist versäumt hat.

Ende der Entscheidung

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