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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: IX ZB 309/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 238 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 577 Abs. 6 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 309/04

vom 21. Dezember 2006

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer und die Richter Dr. Ganter, Dr. Kayser, Vill und Dr. Detlev Fischer

am 21. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

Dem Beklagten zu 2 wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt und Rechtsanwalt Dr. v. Mettenheim beigeordnet.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 2004 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 180.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger macht Anwaltshonorar aus einer Stundenabrechnungsvereinbarung geltend. Das Landgericht wies die Klage durch Urteil vom 18. Juni 2004 ab, das dem Kläger am 14. Juli 2004 zugestellt wurde. Hiergegen legte er mit Schriftsatz vom 13. August 2004 (Freitag) Berufung ein. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung durch Beschluss vom 28. September 2004 als unzulässig, weil sie nicht begründet worden war. Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 5. Oktober 2004 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2004 hat der Kläger beantragt, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt:

Die Überwachung von Fristen im Büro des Klägers sei so organisiert, dass die Kanzleivorsteherin K. Fristen sowohl im Computer als auch in einem Fristenkalender vermerke, wobei zusätzlich eine Woche vor Fristablauf eine Vorfrist eingetragen werde. Auch werde die Eintragung von Berufungs- und Berufungsbegründungsfristen im Fristenkalender auf dem jeweiligen Urteil vermerkt. Zusätzlich würden jeden Freitag Vor- und Ablauffristen der kommenden Woche ausgedruckt und dem zuständigen Rechtsanwalt vorgelegt. Die Eintragung und Kontrolle der Fristen obliege der Kanzleivorsteherin. Fehler seien insoweit nie vorgekommen oder bemerkt worden. Im vorliegenden Fall habe die nach einem Mutterschaftsurlaub im Rahmen eines Wiedereingliederungsprogramms in der Kanzlei tätige Anwaltsgehilfin H. zunächst versehentlich nur die Berufungsfrist notiert, nicht aber die Berufungsbegründungsfrist. Dem Kläger sei dies aufgefallen. Er habe seinen Bürokollegen Rechtsanwalt Dr. K. , der mit der Überprüfung der Erfolgsaussichten der Berufung befasst gewesen sei, hierüber informiert. Dieser habe am 13. August 2004 der Kanzleivorsteherin den Auftrag erteilt, auch die Berufungsbegründungsfrist zu notieren, was diese Dr. K. auch zugesichert habe. Hierfür habe sie die Akte bei sich auf dem Schreibtisch behalten. Entgegen dieser Zusage sei die Frist gleichwohl nicht notiert worden. Erst nach Eingang des Verwerfungsbeschlusses sei der Fristablauf und die unterbliebene Fristnotierung aufgefallen.

Zur Glaubhaftmachung hat sich der Kläger unter anderem auf die eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts Dr. K. bezogen, in der dieser angibt, von dem Kläger im Rahmen eines Gesprächs am 12. August 2004 auf die fehlende Notierung der Berufungsbegründungsfrist aufmerksam gemacht worden zu sein. Ihm sei die Akte mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts erst wieder am 5. Oktober 2004 vorgelegt worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die nach § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Zulässigkeitsgründe vorliegt. Die Rechtsfragen, die der Beschwerdefall aufwirft, sind höchstrichterlich geklärt. Die Begründung des Berufungsgerichts hält sich in dem durch diese Rechtsprechung vorgezeichneten Rahmen.

1. Das Berufungsgericht meint, die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) sei zu versagen, weil der Kläger als Prozessbevollmächtigter in eigener Sache die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft nicht eingehalten habe.

a) Hierbei befindet sich das Berufungsgericht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach braucht ein Rechtsanwalt zwar grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelweisung zu überwachen. Er kann im Allgemeinen auch darauf vertrauen, dass eine sonst zuverlässige Büroangestellte mündliche Anweisungen richtig befolgt (BGH, Beschl. v. 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689; v. 13. September 2006 - XII ZB 103/06, FamRZ 2006, 1663 f). In einer Anwaltskanzlei müssen jedoch grundsätzlich ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die mündliche Einzelweisung über die Eintragung einer wichtigen Frist in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In Bezug auf die Versäumung der Berufungsfrist hat der Bundesgerichtshof dies wiederholt klargestellt. Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt wird, dann bedeutet das Fehlen jeglicher Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574; v. 4. November 2003, aaO S. 689; v. 13. September 2006, aaO). Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze mit Recht auf die hier zu beurteilende Versäumung der Berufungsbegründungsfrist übertragen. Denn auch sie führt wie die Versäumung der Berufungsfrist zur Verwerfung und damit zum Verlust des Rechtsmittels (vgl. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Einer weiteren höchstrichterlichen Klärung bedarf es insoweit nicht.

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht zu dem - im Übrigen naheliegenden - Ergebnis gelangt, der Kläger habe die Fristversäumung verschuldet, weil er nicht dafür gesorgt habe, dass die Eintragung der Begründungsfrist sofort erfolgte und nicht wegen anderer Aufgaben zurückgestellt wurde. Diese Würdigung ordnet sich in die zu § 233 ZPO ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein.

a) Das Berufungsgericht führt aus, angesichts des vorausgegangenen Fehlverhaltens habe den Kläger eine besondere Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Eintragung und Sicherung der Berufungsbegründungsfrist getroffen (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 19. Januar 1984 - VII ZB 18/83, VersR 1984, 286). Da bereits die Anwaltsgehilfin die Eintragung vergessen gehabt habe und die daraufhin angewiesene Kanzleivorsteherin mit anderen Angelegenheiten beschäftigt gewesen sei, habe ein sorgfältiger Rechtsanwalt die sofortige Eintragung vor der Ausführung anderer Arbeiten sicherstellen und die Eintragung kontrollieren müssen. Dies sei jedoch unterblieben. Eine anwaltliche Kontrolle der Eintragung sei darüber hinaus auch deshalb erforderlich gewesen, weil die Eintragung nur der Begründungsfrist auf Einzelweisung für die angewiesene Kanzleivorsteherin eine Abweichung vom üblichen Ablauf dargestellt habe.

b) Diese Würdigung steht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht in Widerspruch zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

In seinem Beschluss vom 23. Oktober 2003 (V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369) hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass die konkrete Einzelweisung, welche die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten, den Rechtsanwalt bei einer unzureichenden Organisation nicht entlasten kann. Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht ohne Verfahrensverstoß angenommen. Durch die am 13. August 2004 erteilte Einzelweisung sollte nur das Versäumnis der Anwaltsgehilfin korrigiert werden. Dadurch wurden die allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Klägers nicht außer Kraft gesetzt. Diese waren nach dem Vortrag des Klägers, den das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat und der für das Rechtsbeschwerdegericht bindend ist (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003, aaO S. 368), unzureichend. Sie trafen keine Vorsorge für den auch hier eingetretenen Störfall, dass die Eintragung der Frist sowohl im Fristenkalender als auch auf der Urteilsabschrift unterblieb.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

Ende der Entscheidung

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