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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.02.2000
Aktenzeichen: IX ZB 31/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 935
ZPO § 940
ZPO § 890 Abs. 1
ZPO § 890 Abs. 2
ZPO § 890
ZPO § 891 Satz 2
ZPO § 887
ZPO § 888
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 31/99

vom

10. Februar 2000

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer am 10. Februar 2000

beschlossen:

Tenor:

Der Bundesgerichtshof legt gemäß Art. 3 des Protokolls vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1. Können Entscheidungen im Sinne von Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ unvereinbar sein, die voneinander nur hinsichtlich der besonderen Voraussetzungen abweichen, unter denen eine bestimmte selbständige einstweilige Maßnahme (i.S.v. Art. 24 EuGVÜ) erlassen werden kann?

2. Darf und muß das Gericht des Vollstreckungsstaates, das gemäß Art. 34 Abs. 1 und 31 Abs. 1 EuGVÜ eine ausländische Entscheidung für vollstreckbar erklärt, die den Schuldner zur Unterlassung bestimmter Handlungen verpflichtet, hierbei zugleich diejenigen Maßnahmen anordnen, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaates zur Vollstreckung eines gerichtlichen Unterlassungsgebots nötig sind?

3. Falls die Frage zu 2 bejaht wird: Sind die für eine Vollstreckbarkeit des Unterlassungsgebots im Vollstreckungsstaat nötigen Anordnungen auch dann zu treffen, wenn die anzuerkennende Entscheidung selbst vergleichbare Anordnungen nach dem Recht des Urteilsstaates nicht enthält und dieses Recht eine unmittelbare Vollstreckbarkeit entsprechender gerichtlicher Unterlassungsgebote überhaupt nicht vorsieht?

Gründe:

I.

Auszulegen ist das bezeichnete Übereinkommen in der seit dem Inkrafttreten des 3. Beitritts-Übereinkommens vom 26. Mai 1989 mit dem Königreich Spanien und der Portugiesischen Republik geltenden Fassung (Art. 54 Abs. 1 EuGVÜ).

II.

Die Gläubigerin ist eine in Bironto in Italien ansässige Gesellschaft (S.p.A.) italienischen Rechts. Sie vertreibt Polstermöbel mit Lederbezug unter der Bezeichnung LongLife. Die Schuldnerin ist eine in Leimbach in Deutschland ansässige Kommanditgesellschaft deutschen Rechts.

Die Gläubigerin schloß unter anderem mit der Schuldnerin am 8. Februar 1996 einen "Exklusivvertrag", demzufolge die Schuldnerin für fünf Jahre den ausschließlichen Vertrieb der von der Gläubigerin angebotenen Waren in einem räumlich begrenzten Bezirk übernahm. Unter Buchstabe F des Vertrages ist unter anderem bestimmt:

"1) ...

2) Die Abnehmer können das LongLife-Markenzeichen nur bei Vermarktung der Garnituren verwenden, die mit LongLife-Leder bezogen sind.

3) ...

4) Kein Abnehmer kann das LongLife-Markenzeichen für eigene Werbung verwenden, ohne eine schriftliche Freigabe vom Lieferant zu haben."

Als Gerichtsstand war im Vertrage Bari in Italien vereinbart.

Im September 1998 teilte die Schuldnerin unter Hinweis auf eine nach ihrer Ansicht mangelhafte Vertragserfüllung von seiten der Gläubigerin dieser mit, daß sie - die Schuldnerin - keine gemeinsame Werbeaussage anläßlich der bevorstehenden Hausmessen vertreten könne, sondern eine eigene WECO-Marke vorstellen werde. Daraufhin beantragte die Gläubigerin bei dem für den Sitz der Schuldnerin zuständigen Landgericht Koblenz (in Deutschland) den Erlaß einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, daß die Schuldnerin es zu unterlassen habe, die Marke "naturia longlife by M. D." als pflegeleichtes Leder zu vermarkten. Das Landgericht Koblenz wies diesen Antrag nach mündlicher Verhandlung durch Urteil vom 17. November 1998 mit der Begründung zurück, der Gläubigerin stehe ein Verfügungsgrund nicht zur Seite. Denn würde ihrem Antrag stattgegeben, käme das einer Verpflichtung der Schuldnerin zur Erfüllung des Vertrages vom 8. Februar 1996 gleich. Für diesen Fall einer Befriedigungsverfügung seien aber an den Verfügungsgrund strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich sei die objektive Gefahr einer irreparablen Schädigung oder eines endgültigen Rechtsverlustes; zusätzlich sei das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers abzuwägen gegen die Belastung, die für den Schuldner mit der in Betracht gezogenen Maßnahme verbunden sei. Die Gläubigerin habe die Gefahr einer irreparablen Schädigung oder eines endgültigen Rechtsverlustes nicht dargetan. Sie habe lediglich glaubhaft gemacht, daß die beabsichtigte Verhaltensweise der Schuldnerin auf Jahre hinaus bei der Gläubigerin finanzielle Einbußen und Imageschäden verursachen werde. Derartige Einbußen seien aber die zwangsläufige Folge bei einem Streit zweier Parteien über das Bestehen und gegebenenfalls den Umfang vertraglicher Verpflichtungen. Sie rechtfertigten nicht ohne weiteres den Erlaß einer einstweiligen Verfügung, weil derartige Schäden nachträglich gegebenenfalls durch Geldzahlungen ausgeglichen werden könnten. Zudem habe die Schuldnerin bereits konkrete Maßnahmen zur Bewerbung und Vermarktung ihrer Produkte mit Leder anderer Lieferanten getroffen. Im Hinblick darauf würde der Schuldnerin bei Erlaß des beantragten Verbotes gleichfalls ein erheblicher Schaden entstehen.

Daraufhin erwirkte die Gläubigerin einen Beschluß des Landgerichts Bari im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Darin wurde der Schuldnerin verboten, von der Marke oder dem Wort "LongLife" beim Vertrieb ihrer Lederprodukte für den Einrichtungsbereich in den Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Holland und Luxemburg Gebrauch zu machen. Nach einer mündlichen Verhandlung, in welcher die Schuldnerin durch einen Rechtsanwalt vertreten war, bestätigte das Landgericht Bari durch Beschluß vom 28. Dezember 1998 das vorangegangene Verbot.

Auf Antrag der Gläubigerin ordnete der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts Koblenz am 18. Januar 1999 an, daß die letztgenannte Entscheidung des Landgerichts Bari mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Er fügte antragsgemäß hinzu:

"Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der (Schuldnerin) ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,00 DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt."

Auf die Beschwerde der Schuldnerin wies das Oberlandesgericht unter Abänderung des Beschlusses vom 18. Januar 1999 die Anträge der Gläubigerin zurück. Dagegen hat diese form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet.

III.

Nach Art. 34 Abs. 2 EuGVÜ kann der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in den Art. 27 und 28 EuGVÜ aufgeführten Gründe abgelehnt werden.

1. Im vorliegenden Falle hat das Oberlandesgericht die Vollstreckbarerklärung gemäß Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ versagt. Es hat dazu ausgeführt:

Der Beschluß des Landgerichts Bari vom 28. Dezember 1998 sei nicht anzuerkennen, weil er mit dem Urteil des Landgerichts Koblenz vom 17. November 1998 nicht vereinbar sei. Beide Entscheidungen beträfen im Kern dieselbe Frage, ob nämlich die Schuldnerin im Hinblick auf die vertragliche Vereinbarung im Exklusivvertrag vom 8. Februar 1996 gehindert sei, bei der Vermarktung ihrer Lederprodukte das Zeichen oder das Wort LongLife zu benutzen. Die Gläubigerin habe sich insoweit jeweils auf eine vermeintliche Vertragsverletzung gestützt. Zwar hätten das in- und das ausländische Gericht hier nicht in der Frage des Verfügungsanspruchs unterschiedlich entschieden, sondern dazu, ob dieser Anspruch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltend gemacht werden könne, und damit in der Frage des Verfügungsgrundes. Dies reiche jedoch für eine Anwendung des Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ aus. Denn beide Gerichte hätten in Abwägung der Parteiinteressen in ihren Entscheidungen die Frage der Dringlichkeit und damit der Durchsetzbarkeit des behaupteten Anspruchs sachlich begründet. Da sie in dieser Abwägung zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt seien, hätten beide Entscheidungen Rechtsfolgen, die sich gegenseitig ausschlössen.

2. An dieser Auslegung des Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ hat der vorlegende Senat Zweifel.

a) Aufgrund der genannten Bestimmung wird eine Entscheidung nicht anerkannt, die mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist. Entscheidungen sind in diesem Sinne unvereinbar, wenn sie "Rechtsfolgen haben, die sich gegenseitig ausschließen" (EuGH, Urt. v. 4. Februar 1988 - C 145/86 - in der Rechtssache H. gegen K. unter Nr. 22, abgedr. in NJW 1989, 663, 664; vgl. ergänzend Schlosser, EuGVÜ Art. 27 Rdnr. 22).

Die danach gebotene Prüfung, ob die Ergebnisse der unterschiedlichen Entscheidungen einander ausschließen, ist bisher ausschließlich unter dem Gesichtspunkt gewürdigt worden, ob die jeweiligen Ergebnisse nach materiellem Recht unvereinbar sind (vgl. EuGH aaO; Koch, Unvereinbare Entscheidungen i.S.d. Art. 27 Nr. 3 und 5 EuGVÜ und ihre Vermeidung S. 23 ff; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. Art. 27 Rdnr. 45, 46; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 27 Rdnr. 140 - 150). Legt man allein diesen Maßstab an, betreffen die Beschlüsse des Landgerichts Koblenz und des Landgerichts Bari allerdings denselben Unterlassungsanspruch. Da sie zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, könnten die Entscheidungen unvereinbar sein.

b) Der vorliegende Fall bietet aber die Besonderheit, daß beide Entscheidungen im Verfahren des selbständigen einstweiligen Rechtsschutzes unter den dafür vorgesehenen, speziellen Verfahrensvoraussetzungen ergangen sind.

Das deutsche Landgericht Koblenz, dessen Urteil formell rechtskräftig ist, hat nicht etwa einen Unterlassungsanspruch der Gläubigerin der Sache nach verneint. Sein Beschluß vom 17. November 1998 lehnt vielmehr ausschließlich eine besondere Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluß eines selbständigen gerichtlichen Eilverfahrens ab. Gemäß § 935 der deutschen Zivilprozeßordnung (ZPO) darf eine einstweilige Verfügung erlassen werden, wenn zu besorgen ist, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Unter dieser Voraussetzung soll das angerufene Gericht im wesentlichen den bisherigen Zustand sichern. Weitergehende Maßnahmen darf es vor allem unter der Voraussetzung des § 940 ZPO treffen. Danach darf das Gericht ein Rechtsverhältnis auch einstweilen regeln, sofern dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Im vorliegenden Falle hat das Landgericht Koblenz angenommen, daß die Gläubigerin nicht nur eine Sicherung, sondern im Ergebnis eine Regelung des Rechtsverhältnisses der Parteien erstrebe. Es hat sodann gemeint, die von der Gläubigerin vorgetragene Gefährdung ihrer Interessen wiege nicht schwer genug, um einen so weitreichenden Eingriff in die Rechte der Schuldnerin zu rechtfertigen.

Diese Voraussetzung hat das Landgericht Bari in seinem Beschluß vom 28. Dezember 1998 anders gewertet. Es hat dazu ausgeführt:

"Das periculum in mora (Eilbedürftigkeit) ist in dem wirtschaftlichen Verlust der Klägerin und dem daraus möglichen juristischen 'Tod' zu sehen, wofür es keine Entschädigung gäbe. Die Entscheidung, mit welcher die Benützung des Wortes LongLife in allen Aspekten der Vermarktung der pflegeleichten Leder für Inneneinrichtungen untersagt wird, erscheint zur Wahrung der Interessen sowohl der Klägerin als auch der Beklagten die angemessenste zu sein. Einerseits wird dadurch die Geschäftstätigkeit der Beklagten nicht tout court (vollständig) beeinträchtigt, sondern lediglich die, welche im Konflikt mit der vertraglichen Vereinbarung vom 8.2.1996 steht ... Andererseits wird der Klägerin eine durch die Verwendung eines Markenzeichens mit erheblichen Verwechslungsmöglichkeiten in besonderer Weise beeinflussende Konkurrenz erspart ... Hiermit wird auch die Höhe eines Schadens, der eventuell zu entschädigen wäre, begrenzt."

3. Der vorlegende Senat meint, daß der Rechtsbegriff der "Unvereinbarkeit" im Sinne von Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ vertragsautonom auszulegen ist und daß dazu auch die Frage gehört, ob eine Abweichung zwischen den beiden fraglichen Entscheidungen einen rechtlichen Bereich betrifft, der seiner Bedeutung nach eine Anwendung der Bestimmung überhaupt zu rechtfertigen vermag. Wird dies allgemein bejaht, so sollte allerdings das Gericht des Vollstreckungsstaates befugt sein, von einer Anwendung des Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ dennoch im Einzelfall mit der Begründung abzusehen, daß die Abweichung aus der Sicht des Vollstreckungsstaates nicht schwer genug wiege. Denn Zweck der Vorschrift ist es nur, zu verhindern, daß das Rechtsleben in einem Staate gestört wird, indem man sich auf zwei sich widersprechende Urteile berufen könnte (Jenard-Bericht zu Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ). Ob eine derartige Störung im Einzelfall eintreten kann, ist allein aus der Sicht des Vollstreckungsstaates zu beurteilen.

Die vom Senat gestellte erste Frage soll die Anwendbarkeit des Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ auf einen Fall wie den vorliegenden klären. Andere Gründe, die Anerkennung des Beschlusses des Landgerichts Bari vom 28. Dezember 1998 zu versagen, sieht der vorlegende Senat auch unter Berücksichtigung des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ derzeit nicht.

IV.

Der Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat bei seiner Vollstreckbarerklärung vom 18. Januar 1999 entsprechend einem ausdrücklichen Antrag der Gläubigerin - ohne vorherige Anhörung der Schuldnerin (Art. 34 Nr. 1 EuGVÜ) - dieser zusätzlich für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vom Landgericht Bari ausgesprochene Verbot ein Ordnungsgeld, hilfsweise Ordnungshaft, angedroht.

1. Dies entspricht der Art, wie Unterlassungsgebote in Deutschland vollstreckt werden. Gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ist der Schuldner, der einer Unterlassungsverpflichtung zuwiderhandelt, wegen jeder Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozeßgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft zu verurteilen; das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 500.000 Deutsche Mark, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen. Der Verurteilung zu derartigen Ordnungsmitteln muß nach § 890 Abs. 2 ZPO eine entsprechende Androhung vorausgehen, die in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil enthalten sein kann und anderenfalls auf Antrag von dem Prozeßgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird. Vor dem Erlaß einer der unter anderem in § 890 ZPO genannten Entscheidungen ist gemäß § 891 Satz 2 ZPO der Schuldner zu hören. Die endgültige Festsetzung des zuvor angedrohten Ordnungsmittels setzt ein Verschulden des Schuldners an der Zuwiderhandlung voraus. Festgesetzte und beigetriebene Ordnungsgelder fließen an die Staatskasse, nicht an den Gläubiger persönlich.

Die Regelung des Art. 34 Abs. 1 EuGVÜ, daß der Schuldner vor der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung nicht zu hören ist, schließt eine Androhung von Ordnungsmitteln - trotz § 891 Satz 2 ZPO - nicht aus, wenn man jene Entscheidung noch als Bestandteil des Erkenntnisverfahrens (vgl. hierzu KG JW 1929, 2618; Wieczorek/Schütze, ZPO 2. Aufl., § 890 Rn. B II b; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 21. Aufl. § 890 Rn. 16 Fn. 85) im Vollstreckungsstaat versteht. Anderenfalls kann die Androhung nach einer Anhörung des Schuldners - auch im Beschwerdeverfahren (Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ) - auf Antrag des Gläubigers nachgeholt werden.

Falls der erkennende Senat die Vollstreckbarerklärung des Landgerichts Koblenz vom 18. Januar 1999 zu bestätigen hat (siehe oben III), ist zu prüfen, ob auch die darin aufgenommene Androhung von Zwangsmitteln bestehenbleiben darf und muß.

2. Eine solche Anordnung läßt sich zwar nicht auf Art. 43 EuGVÜ stützen, denn diese Bestimmung setzt umgekehrt voraus, daß bereits die ausländische Entscheidung auf Zahlung eines (endgültig festgesetzten) Zwangsgeldes lautet. Im vorliegenden Falle enthalten die Entscheidungen des Landgerichts Bari - und insbesondere die hier zu vollstreckende vom 28. Dezember 1998 - weder die Festsetzung noch auch nur die Androhung eines Zwangsgeldes.

Jedoch soll das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen die grenzüberschreitende Anerkennung von Urteilen fördern (EuGH in der Rechtssache H. gegen K., aaO unter Nr. 10). Der vorlegende Senat versteht deshalb Art. 31 Abs. 1 und 34 Abs. 1 EuGVÜ allgemein dahin, daß das Gericht des Vollstreckungsstaates für die anzuerkennende ausländische Gerichtsentscheidung möglichst dieselben günstigen Vollstreckungsvoraussetzungen schaffen soll wie für eine vergleichbare eigene Entscheidung aus dem Vollstreckungsstaat (BGHZ 122, 16, 18 ff): Das ausländische Urteil soll dem inländischen vollstreckungsmäßig möglichst gleichgestellt werden.

Dementsprechend wird angenommen, daß ausländische Urteile, die auf eine Handlung oder Unterlassung lauten, aber selbst kein Zwangsgeld androhen oder festsetzen, in Deutschland in der Weise zu vollstrecken sind, daß dem ausländischen Gläubiger die entsprechenden deutschen Normen der §§ 887, 888 und 890 ZPO zugute kommen (Schlosser aaO Art. 43 Rdnr. 9; Stürner, in Festschrift für Wolfram Henckel, 1995, S. 863, 871; vgl. auch Schlosser-Bericht Nr. 212). Das Landgericht Paris hat es jedoch in einem gleichartigen Falle abgelehnt, zugunsten einer deutschen Entscheidung, die selbst keine Strafe (Ordnungsmittel) aussprach, im - einseitigen - Anerkennungsverfahren gemäß Art. 34 Abs. 1 EuGVÜ eine astreinte festzusetzen (rev. crit. 1980, 783 f). Die vom Senat gestellte zweite Frage soll die Voraussetzungen für eine Vollstreckung von Nichtgeldleistungsurteilen klären. Im vorliegenden Fall besteht kein Anhaltspunkt für die Besorgnis, es komme eine kumulative Zwangsvollstreckung in weiteren Staaten außer Deutschland gegen die Schuldnerin in Betracht.

3. Der vorliegende Fall bietet eine zusätzliche Besonderheit wegen der eingeschränkten Art, in der Unterlassungsgebote im Urteilsstaat Italien anscheinend nur zu vollstrecken sind. Art. 2933 des italienischen Codice Civile (c.c.) sieht eine Zwangsvollstreckung von Unterlassungsverpflichtungen nur im Hinblick auf die Möglichkeit vor, auf Kosten des Verpflichteten alles zu vernichten, was unter Verletzung der Verpflichtung hergestellt worden ist. Für den vorliegenden Fall ist nicht dargetan, daß die Schuldnerin bereits irgendwelche Gegenstände unter Verstoß gegen das Unterlassungsgebot hergestellt haben könnte. Eine weitergehende Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung ordnet auch Art. 612 des italienischen Codice di Procedura Civile (c.p.c.) nicht an. Der vorlegende Senat versteht diese Regelungen dahin, daß das italienische Recht eine andere Art unmittelbarer Zwangsvollstreckung von Unterlassungsgeboten nicht kennt; statt dessen ist im Falle der Zuwiderhandlung nur Schadensersatz zu leisten (vgl. Cian/Trabucchi, Commentario breve al Codice Civile, 3. Aufl. Padua 1988, Art. 2910 Abs. 1 Rdnr. 2; Micheli/Azzariti/Scarpello, Tutela dei Diritti, libro sesto, Bologna/Rom 1977, Art. 2933 Anm. 1; Carpi/Colesanti/Taruffo, Commentario breve al Codice di Procedura Civile, 2. Aufl. Padua 1988, Art. 612 Abs. 1 Rdnr. 4).

Unter dieser Voraussetzung hätte die Anwendung deutscher Zwangsmittel zur unmittelbaren Durchsetzung eines italienischen Unterlassungsgebots stärkere Wirkungen, als sie das Recht des Urteilsstaates Italien selbst vorsieht.

Der vorlegende Senat hat Zweifel, ob dies von Art. 31 Abs. 1 und 34 Abs. 1 EuGVÜ zugelassen oder sogar geboten wird. Zur Klärung soll die dritte Frage dienen.



Ende der Entscheidung

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