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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.10.2004
Aktenzeichen: IX ZB 427/02
Rechtsgebiete: InsO
Vorschriften:
InsO § 309 Abs. 1 Satz 1 | |
InsO § 309 Abs. 3 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 21. Oktober 2004
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann am 21. Oktober 2004 beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 23. Juli 2002 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen. Der Ausspruch des vorbezeichneten Beschlusses wird jedoch dahingehend klargestellt, daß dem Schuldner die Kosten der Erstbeschwerde und der weiteren Beschwerde zur Last fallen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.556,46 € (5.000 DM) festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Schuldner hat am 10. Dezember 1999 die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens beantragt und einen zuletzt am 27. März 2000 geänderten Schuldenbereinigungsplan vorgelegt. Dieser enthält noch offene Forderungen folgender Gläubiger, jeweils ohne die nicht bezifferten Zinsen und Kosten:
M. Bank (fortan M. Bank) 1.682.404,05 DM
E. H. 320.000,00 DM
dieselbe aus abgetretenem Recht 2.174.500,00 DM
I. H. 210.000,00 DM
M. H. 300.000,00 DM
An Zahlungen sieht der Schuldenbereinigungsplan vor:
M. Bank 2.400,00 DM
M. H. 41,80 DM.
Die anderen Gläubiger sollen nichts erhalten.
Die M. Bank hat Einwendungen gegen den Plan erhoben. Sie hat ihre Forderung einschließlich Zinsen und Kosten am 5. Mai 2000 auf 2.990.499,04 DM beziffert. Außerdem hat sie im einzelnen dargelegte Zweifel an der Existenz der Verwandtenforderungen geltend gemacht. Die weiteren Gläubigerinnen haben dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt.
Die Vorinstanzen haben es abgelehnt, die Zustimmung der M. Bank zu dem Schuldenbereinigungsplan zu ersetzen. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hat die widersprechende Gläubigerin glaubhaft gemacht, daß die vom Schuldner benannten Ansprüche der ihm nahestehenden Gläubigerinnen nicht oder nicht in der behaupteten Höhe bestehen. Dafür reiche aus, daß durch das Vorbringen der widersprechenden Gläubigerin ernstliche Zweifel an Bestand und Höhe der bekämpften Forderungen begründet worden seien, so daß die Summenmehrheit der zustimmenden Gläubiger nicht festgestellt werden könne. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Schuldners, mit der er seinen Antrag auf Zustimmungsersetzung weiterverfolgt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 309 Abs. 2 Satz 3 InsO statthaft. Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 574 Abs. 2, § 575 ZPO sind erfüllt.
Die im angefochtenen Beschluß aufgeworfene Frage, ob das Insolvenzgericht das Vorliegen einer Kopf- und Summenmehrheit der dem Plan zustimmenden Gläubiger (§ 309 Abs. 1 Satz 1 InsO) allein nach dem Vorbringen des Schuldners im Schuldenbereinigungsplan zu beurteilen hat oder ob ein widersprechender Gläubiger auch hiergegen Tatsachen glaubhaft machen kann, die den Forderungsbestand angreifen, hat grundsätzliche Bedeutung.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Insolvenzgericht darf nach § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO die versagte Zustimmung eines widersprechenden Gläubigers zum Schuldenbereinigungsplan (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO) nur dann auf Antrag ersetzen, wenn dem Plan mehr als die Hälfte aller benannten Gläubiger zugestimmt haben und die Summe ihrer Ansprüche mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche aller benannten Gläubiger beträgt. Hierbei kommt es auch für die Summenmehrheit nicht auf Forderungen benannter Gläubiger an, die in dem Schuldenbereinigungsplan nicht aufgeführt sind und daher nach § 308 Abs. 3 InsO bestehen bleiben oder erlöschen. Daraus folgt aber noch nicht, daß die Summenmehrheit der zustimmenden Gläubiger gemäß § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO allein aufgrund der Angaben des Schuldners im Bereinigungsplan geprüft werden darf (a.A. AG Köln ZIP 2000, 83, 85 m. Anm. Schmitz/Steffen EWiR 2000, 347; MünchKomm-InsO/Ott, § 309 Rn. 7; FK-InsO/Grote, 3. Aufl. § 309 Rn. 9; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 309 Rn. 1; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 309 Rn. 17; Schäferhoff ZInsO 2001, 687, 689; Vallender ZAP Fach 14 S. 425, 434). Abweichende Angaben der Gläubiger sind vielmehr nach § 309 Abs. 3 ZInsO zu berücksichtigen. Das gilt auch schon für die Mehrheitsfeststellung gemäß § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO (Nerlich/Römermann, InsO § 309 Rn. 17).
Macht ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft, aus denen sich ernsthafte Zweifel ergeben, ob eine vom Schuldner angegebene Forderung besteht oder sich auf einen höheren oder niedrigeren Betrag richtet als angegeben, so kann von dem Ausgang des Streits nicht nur abhängen, ob der Gläubiger in dem vorgelegten Schuldenbereinigungsplan im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern angemessen beteiligt wird (§ 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO). Die Frage kann vielmehr schon sein, ob ohne die bestrittenen Forderungen überhaupt die Kopf- und Summenquote des § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO erreicht wird. Auch hierzu ist der Gläubiger nach § 309 Abs. 2 Satz 1 InsO zu hören und nach § 309 Abs. 2 Satz 3 InsO die Beschwerde mit der Behauptung statthaft, das Insolvenzgericht habe die doppelte Mehrheit für die Zustimmungsersetzung unrichtig festgestellt.
Könnte sich der Gläubiger für diese Rechtsverteidigung nur auf die Unschlüssigkeit der Schuldnerangaben berufen und wäre er mit eigenem Vorbringen ausgeschlossen, stünde er in diesem Fall deutlich schlechter als bei den Versagungsgründen des § 309 Abs. 1 Satz 2 InsO. Diese Ersetzungshindernisse decken im allgemeinen auch die Fälle ab, in denen schon die doppelte Mehrheit gegen einen Gläubiger fehlt, die § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO verlangt, damit seine Zustimmung zum Schuldenbereinigungsplan ersetzt werden kann. Denn bei verteilungsfähiger Masse und annähernd gleicher Befriedigungsquote wird jeder Gläubiger im Verhältnis zu den anderen Gläubigern zwangsläufig unangemessen beteiligt, wenn vom Schuldner angegebene Forderungen nicht bestehen oder sich auf einen niedrigeren Beitrag richten als angegeben oder der benachteiligte Gläubiger einen höheren als den angegebenen Beitrag fordern kann. Die Frage, ob ein scheinbarer Minderheitsgläubiger bei zutreffender Forderungsfeststellung Mehrheitsgläubiger ist und deshalb seine Zustimmung schon nach § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht ersetzt werden darf, stellt sich dann nicht mehr.
Anders verhält es sich, wenn sich die falsche Angabe von Forderungen auf die angemessene Beteiligung an der Masse nicht auswirkt, weil der Schuldner einen (Fast-)Nullplan vorgelegt hat oder eine unterschiedliche Befriedigungsquote den Fehler der Schuldenaufstellung wieder ausgleicht. An diese atypischen Fälle hat das Gesetz nicht gedacht. Der erste dieser Fälle liegt hier vor, weil nach dem Plan des Schuldners von insgesamt aufzubringenden 2.441,80 DM nur 41,80 DM an eine andere Gläubigerin gezahlt werden sollen und der Schuldner die widersprechende Gläubigerin mit 2.400 DM allenfalls zu 0,14 % befriedigt.
Hat der Schuldner schon nach § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen den (Mehrheits-)Gläubiger keinen Anspruch auf Ersetzung der versagten Zustimmung, kann es auf einen Versagungsgrund des Gläubigers nach § 309 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht mehr ankommen. Ein Gläubiger ist nicht weniger schutzwürdig, wenn der Schuldner durch fingierte Forderungen Dritter den Anteil der tatsächlichen Gläubiger schmälert, so daß nach dem Planinhalt gemäß § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO seine Zustimmung ersetzt werden kann (vgl. etwa LG Bielefeld ZIP 1999, 1275 f), als wenn ihm aufgrund bestrittener Angaben des Schuldners entgegen § 309 Abs. 1 Satz 2 InsO die Zustimmungsersetzung droht. Die Gleichheitswidrigkeit der Gläubigerbehandlung liegt dann schon in der Verletzung von § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO, indem der Schuldner gegen einen Mehrheitsgläubiger Ersetzungsantrag gestellt hat wie gegen einen Minderheitsgläubiger. Der Rechtsschutz des Mehrheitsgläubigers gegen diese Gleichstellung mit einem Minderheitsgläubiger trotz der vom Gesetz sachgerecht getroffenen Unterscheidung von zustimmender Mehrheit und Minderheit darf hinter dem der Ungleichbehandlung eines Minderheitsgläubigers mit anderen Minderheitsgläubigern nicht zurückbleiben. Denn dem Mehrheitsgläubiger darf durch gerichtliche Zustimmungsersetzung seine Forderung hier so wenig genommen werden wie beim Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 309 Abs. 1 Satz 2 InsO.
Unter diesen Umständen braucht im Beschwerdefall nicht entschieden zu werden, ob ein Nullplan oder Fast-Nullplan grundsätzlich zulässig ist (dafür: BayObLGZ 1999, 310, 316 f; OLG Köln ZIP 1999, 1929, 1931; OLG Karlsruhe NZI 2000, 163; OLG Frankfurt NZI 2000, 473, 474; OLG Celle ZInsO 2000, 601, 603; OLG Stuttgart ZInsO 2002, 836, 837; vgl. auch BGH, Beschl. v. 18. September 2001 - IX ZB 51/00, NJW 2002, 960, 961) und bejahendenfalls die Zustimmung eines Gläubigers nach allgemeinen Grundsätzen ersetzt werden kann (dafür: OLG Köln ZInsO 2001, 230, 231; OLG Frankfurt aaO; dagegen: LG Mönchengladbach ZInsO 2001, 1115, 1116 f; AG Hamburg ZIP 2000, 32, 33).
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Beschwerdegericht ausgeführt, daß gegenüber den von der widersprechenden Gläubigerin glaubhaft gemachten Tatsachen die Summenmehrheit der zustimmenden Gläubigerinnen nicht in einer ernstliche Zweifel ausschließenden Weise dargetan worden sei.
a) Für die vom Schuldner ohne Bezifferung von Zinsen und Kosten angegebene Forderung der widersprechenden Gläubigerin ist danach insgesamt von 2.990.499,04 DM auszugehen.
b) Dem gegenüber steht eine Forderung der Gläubigerin E. H. aus abgetretenem Recht einschließlich Zinsen und Kosten von 2.174.000 DM, gegen die das Beschwerdegericht ernsthafte Zweifel nicht erkannt hat. Unrichtig ist jedoch die Annahme des Beschwerdegerichts, diese Forderung könne bei Feststellung der Summenmehrheit gemäß § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO gleichwohl nur in Höhe des Erwerbsaufwandes von maximal 168.265,80 DM berücksichtigt werden. Es mag sein, daß die Gläubigerin schon beim Erwerb dieser Forderung von der abtretenden Bank damit gerechnet hat, daß der Schuldner zur Leistung außerstande sei. Daraus folgt jedoch noch nicht, daß sie das Forderungsrecht verwirkt hat oder dieses sonst in seinem rechtlichen Bestand berührt ist. Allein darauf kommt es jedoch bei Prüfung der Summenmehrheit nach § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO an. Es zählen hierbei auch nicht nur solche Beträge, die der jeweilige Gläubiger von dem Schuldner bereits ernsthaft eingefordert hat, sondern sämtliche zur Tabelle feststellbaren (§ 179 InsO) Forderungen.
c) Soweit nach den Angaben des Schuldners der Gläubigerin E. H. weitere 210.340 DM und zusätzliche Beträge bis zur Gesamthöhe von 320.000 DM gegen ihn aus darlehensweiser Tilgung seiner Schulden bei anderen Gläubigern zustehen, haben beide Tatrichter ernsthafte Zweifel am Bestand eines solchen Deckungsverhältnisses geäußert. Insoweit handelt es sich um eine Würdigung, die für das Rechtsbeschwerdegericht nach § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 Abs. 2 ZPO bindend ist. Das für die Würdigung einschlägige Beweismaß des § 309 Abs. 3 InsO hat das Beschwerdegericht nicht verkannt.
d) Soweit das Beschwerdegericht die ernsthaften Zweifel des Amtsgerichts geteilt hat, daß die im Schuldenbereinigungsplan bezeichneten Ansprüche der Ehefrau des Schuldners bestehen, weil die Valutierung der behaupteten Darlehen nicht ersichtlich sei, handelt es sich gleichfalls um eine tatrichterliche Würdigung, an die das Rechtsbeschwerdegericht gebunden ist.
e) Nach den ernsthaften Zweifeln, die das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei gegen die im Schuldenbereinigungsplan aufgeführten Forderungen der Gläubigerinnen E. H. über 320.000 DM und der Ehefrau des Schuldners über 210.000 DM angenommen hat, verbleibt nur noch eine summenmäßige Planzustimmungsquote von rund 45 % (2.174.000 DM zuzüglich 300.000 DM = 2.474.000 DM gegen eine Forderung der widersprechenden Gläubigerin von 2.990.419,04 DM).
Letztlich offen bleiben kann daher, ob das Beschwerdegericht auch die im Planentwurf des Schuldners mit 300.000 DM bezeichnete Forderung seiner Mutter M.H. bei Feststellung der Summenmehrheit gemäß § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO außer Betracht lassen durfte.
Ende der Entscheidung
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