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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.07.2003
Aktenzeichen: IX ZB 510/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 238 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4 | |
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1 | |
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1 | |
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
24. Juli 2003
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Fischer, Dr. Ganter, Kayser und Dr. Bergmann
am 24. Juli 2003
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. September 2002 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 49.325,37 Euro.
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt unter anderem von dem beklagten Rechtsanwalt (Beklagter zu 2) Schadensersatz, weil ein anderes Mitglied der Rechtsanwaltssozietät, der vormalige Beklagte zu 1), Pflichten aus einem Treuhandvertrag verletzt habe. Das Landgericht hat die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen. Das auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2002 ergangene Urteil gelangte am 25. April 2002 in den Posteinlauf der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten des Klägers; der sachbearbeitende Rechtsanwalt Dr. W. nahm es aber erst am 29. April 2002 in Empfang. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil ging rechtzeitig, die Berufungsbegründung nebst Wiedereinsetzungsantrag erst am 8. Juli 2002 beim Oberlandesgericht ein. Durch Beschluß vom 11. September 2002 wies das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Berufung als unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Urteilszustellung begründet worden sei.
Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags und gegen die Verwerfung der Berufung als unzulässig.
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt grundsätzlich das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, daß die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (BGH, Beschl. v. 9. Dezember 1976 - II ZB 10/76, VersR 1977, 424; v. 26. März 1996 - VI ZB 1, 2/96, NJW 1996, 1900, 1901; v. 5. November 2002 - VI ZR 399/01, NJW 2003, 435 f). Geschieht dies ausnahmsweise nicht, muß der Rechtsanwalt durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, daß die von ihm erteilte Anweisung zur Eintragung der Frist im Fristenkalender auch zutreffend ausgeführt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 5. November 2002 aaO).
2. Im Streitfall war die Berufungsbegründungsfrist nach dem belegten Vortrag des Klägers zunächst nach dem Eingangszeitpunkt der Sendung in der Kanzlei berechnet und im Fristenbuch eingetragen worden. Die von Rechtsanwalt Dr. W. "gleichzeitig" mit Abgabe des Empfangsbekenntnisses erteilte Anordnung, die Fristberechnung auf das (spätere) Datum der Abgabe des Empfangsbekenntnisses zu beziehen und die Eintragung im Fristenkalender zu ändern, wurde nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Klägers indes nicht richtig ausgeführt, weil die Büroleiterin H. unter dem 1. Juli 2002 (letzter Tag der Berufungsbegründungsfrist) irrtümlich die Vorfrist eingetragen hat, was nach dem weiteren Vortrag des Klägers zur Folge hatte, daß die Akte von Rechtsanwalt Dr. W. erst nach Fristablauf in Bearbeitung genommen wurde. Ob der Prozeßbevollmächtigte des Klägers unter diesen besonderen Umständen alles getan hat, um das für den Lauf der Rechtsmittelbegründungsfrist maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zu ermitteln und festzuhalten (vgl. BGH, Beschl. v. 5. November 2002 aaO), ist eine Frage des Einzelfalls; weiterer grundsätzlicher Ausführungen hierzu bedarf es nicht. Auch die Beantwortung der von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Pflicht zur Gegenkontrolle (Nachberechnungspflicht) besteht, wenn ein Rechtsanwalt erkennt, daß die im Fristenbuch vermerkte Frist nicht zutrifft, weil sie in Wirklichkeit später endet, ist typischerweise auf den Einzelfall bezogen und nicht geeignet, als Grundlage zu rechtsgrundsätzlichen Ausführungen zu dienen. Daß in den Fällen, in denen das Empfangsbekenntnis zurückgegeben worden ist, bevor die Frist im Fristenkalender (zutreffend) notiert worden ist, den Rechtsanwalt erhöhte Sorgfaltspflichten treffen, ist bereits höchstrichterlich entschieden (vgl. BGH, Beschl. v. 26. März 1996 aaO; v. 5. November 2002 aaO).
Ende der Entscheidung
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