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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.07.2002
Aktenzeichen: IX ZB 83/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 519 b Abs. 2 a.F.
ZPO § 519 Abs. 2 Satz 2 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 83/02

17. Juli 2002

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und Kayser

am 17. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Dezember 2001 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 105.734,32 € (206.798,36 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger hat den beklagten Rechtsanwalt wegen schuldhafter Verletzung seiner vertraglichen Pflichten auf Schadensersatz in Höhe von 206.798,36 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen das am 13. August 2001 zugestellte Urteil am 10. September 2001 mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom selben Tage Berufung eingelegt und die Berufung durch einen am 15. Oktober 2001 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger hat fristgerecht Wiedereinsetzung begehrt und zur Begründung vorgetragen: In der Kanzlei seiner Prozeßbevollmächtigten erfolge die Fristberechnung und -überwachung durch die seit ca. 25 Jahren als Rechtsanwaltsfachangestellte tätige Frau H. -K . Seine Prozeßbevollmächtigte habe auf dem für die Einlegung der Berufung bestimmten Schriftsatz die Angestellte mit der Verfügung "F! VF vier Tage!" angewiesen, die Berufungsbegründungsfrist einzutragen. Fristsachen würden in der Kanzlei in eine gesonderte als "Fristlauf" bezeichnete Rubrik im Terminkalender eingetragen. Frau H. -K. habe den Fristenkalender, wie regelmäßige Kontrollen der Rechtsanwältin ergeben hätten, bisher fehlerfrei geführt.

Im vorliegenden Falle habe Frau H. -K. in eigener Initiative am 10. September den Berufungsschriftsatz vorab per Telefax an das Gericht gesandt. Aufgrund der Eingangsbestätigung des Oberlandesgerichts vom 11. September habe sie versehentlich als Fristbeginn nicht den 10. September, sondern den 13. September, den Tag des Eingangs der gerichtlichen Mitteilung, vermerkt. Demzufolge habe sie als Tag des Fristablaufs der Berufungsbegründungsfrist den 15. Oktober 2001 (Montag) sowie die viertägige Vorfrist auf den 11. Oktober 2001 eingetragen. An diesem Tage habe die Rechtsanwältin bei Vorlage der Akte den Fehler bemerkt.

Das Berufungsgericht hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.

II.

Das gemäß § 519 b Abs. 2 ZPO a.F. zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. a) Nach der im Streitfall noch geltenden Vorschrift des § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. begann die Berufungsbegründungsfrist mit der Einlegung der Berufung. Es war Aufgabe des Rechtsanwalts, die Wahrung dieser Frist durch Anordnung sorgfältiger Kontrollmaßnahmen zu sichern. Er hatte nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sein Kanzleipersonal anzuweisen, schon bei Absendung der Berufungsschrift das mutmaßliche Ende der Frist im Fristenkalender zu notieren und den Vermerk zu überprüfen, sobald das genaue Eingangsdatum bei Gericht bekannt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Februar 1998 - VIII ZB 50/97, NJW 1998, 2291, 2292).

b) Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags läßt nicht erkennen, daß die Prozeßbevollmächtigte des Klägers in ihrer Kanzlei eine entsprechende allgemeine Anordnung getroffen hat. Erst die Beschwerdebegründung enthält eine entsprechende Behauptung. Diese kann jedoch nicht mehr berücksichtigt werden.

Alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, müssen innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) vorgetragen werden. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, dürfen nach Fristablauf vervollständigt werden. Das Vorbringen zur Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsantrags enthielt eine in sich geschlossene Darstellung, die aus sich heraus verständlich war und die Notwendigkeit einer Erläuterung oder Ergänzung nicht erkennen ließ (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998 - VI ZB 10/98, NJW 1998, 2678, 2679). Davon abgesehen ist es grundsätzlich nicht möglich, mit der Beschwerde erstmals organisatorische Maßnahmen darzustellen, auf deren Fehlen der angefochtene Beschluß die Versagung der Wiedereinsetzung gestützt hat (BGH, Beschl. v. 8. April 1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121).

2. Das Fehlen einer allgemeinen Anordnung wäre allerdings unschädlich, wenn der Kläger glaubhaft gemacht hätte, daß seine Prozeßbevollmächtigte im konkreten Fall ihrem Büropersonal eine hinreichend deutliche, unmißverständliche Einzelweisung zur sofortigen Eintragung der Frist erteilt hätte. Der Hinweis "F! VF vier Tage!" auf dem Berufungsschriftsatz besagt jedoch lediglich, in dieser Sache habe der übliche Fristenvermerk im Kalender zu erfolgen. Er stellt nicht klar, zu welchem Zeitpunkt - zwingend schon in unmittelbarem Zusammenhang mit der Absendung der Berufungsschrift - diese Anweisung erfüllt werden muß und läßt damit Raum für eine Handhabung in der Weise, daß die Eintragung erst nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung über die Einlegung der Berufung vorgenommen wird.

3. Der Kläger trägt außerdem mit der Beschwerde erstmals vor, die Handakte sei seiner Prozeßbevollmächtigten am 13. September 2001 aufgrund der Bestätigung über den Eingang der Berufung mit dem Empfangsbekenntnis vorgelegt worden. Dabei habe sie festgestellt, daß in der Handakte die vorliegende Frist nicht eingetragen gewesen sei und sich auch im Terminkalender kein Vermerk befunden habe. Deshalb habe die Rechtsanwältin der Angestellten die Handakte zusammen mit dem unterzeichneten Empfangsbekenntnis vorgelegt und sie nochmals mündlich angewiesen, die Berufungsbegründungsfrist und die Vorfrist sofort ordnungsgemäß einzutragen.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob ein solches Vorbringen geeignet sein kann, glaubhaft zu machen, daß sich der vorausgegangene Organisationsfehler hier nicht ausgewirkt hat und den Rechtsanwalt deshalb an der Fristversäumung kein Verschulden trifft. Aus den oben zu 1 b genannten Gründen ist die neue Darstellung ebenfalls wegen Versäumung der Zwei-Wochen-Frist (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) unbeachtlich.

Ende der Entscheidung

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