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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.11.1998
Aktenzeichen: IX ZB 84/98
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO
Vorschriften:
ZPO § 519 b Abs. 2 | |
ZPO § 547 | |
ZPO § 567 Abs. 4 | |
ZPO § 7 Abs. 2 | |
ZPO § 577 ZPO | |
ZPO § 234 | |
ZPO § 236 Abs. 2 | |
EGZPO § 6 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
26. November 1998
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter
am 26. November 1998
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 13. Juli 1998 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 604.475 DM.
Gründe
I.
Das dem beklagten Rechtsanwalt nachteilige Urteil des Landgerichts vom 7. November 1997 wurde seinem Prozeßbevollmächtigten am 3. Februar 1998 zugestellt. Der beim Berufungsgericht zugelassene Beklagte legte selbst am 3. März 1998 Berufung ein. Auf seinen Antrag vom 3. April 1998 wurde die Frist zur Berufungsbegründung verlängert bis zum 15. Mai 1998. Auf Antrag vom 15. Mai 1998 wurde diese Frist bis zum 25. Mai 1998 verlängert. Als Grund für diesen Antrag hatte der Beklagte eine Armverletzung seiner Frau angegeben. Am 22. Mai 1998 beantragte der Beklagte eine weitere Fristverlängerung, weil er für zwei Wochen arbeitsunfähig sei; dazu legte er folgende ärztliche Bescheinigung vom 20. Mai 1998 vor:
"Psychovegetativer Erschöpfungszustand mit Begleitsymptome".
Weiterhin legte der Beklagte eine "Folgebescheinigung" vom 4. Juni 1998 vor:
"Status idem".
Mit gerichtlicher Verfügung vom 8. Juni 1998, dem Beklagten zugegangen am 18. Juni 1998, wurde die begehrte Fristverlängerung abgelehnt. Am 1. Juli 1998 beantragte der Beklagte wegen Arbeitsunfähigkeit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Oberlandesgericht hat durch Beschluß vom 13. Juli 1998 das Wiedereinsetzungsgesuch und die Berufung als unzulässig verworfen.
Gegen diesen Beschluß, der ihm am 20. Juli 1998 zugestellt worden ist, hat der Beklagte die am 28. August 1998 beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangene sofortige Beschwerde eingelegt und dieser eine Berufungsbegründung von demselben Tage beigefügt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist unzulässig (§§ 519 b Abs. 2, 547, 567 Abs. 4 ZPO, 7 Abs. 2, 6 EGZPO), weil sie nicht in der Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses eingelegt worden ist (§ 577 ZPO).
Zugunsten des Beklagten geht der Senat davon aus, daß seine Beschwerde einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist enthält, weil der Beklagte darin geltend gemacht hat, von Mitte Mai 1998 bis 25. August 1998 arbeitsunfähig gewesen zu sein. Ob ein solcher Antrag rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist gestellt ist (§ 234 i.V.m. § 236 Abs. 2 ZPO), bedarf keiner Vertiefung. Denn er ist jedenfalls nicht begründet, weil der Beklagte nicht ohne sein Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten (§ 233 ZPO).
Ein Rechtsanwalt hat dafür zu sorgen, daß für den Fall seiner Erkrankung fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig eingereicht werden können; auch ein Einzelanwalt - wie der Beklagte - hat dies durch zumutbare Maßnahmen - etwa durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen - sicherzustellen. Die Versäumung einer Notfrist kann nur dann trotz geeigneter Vorkehrung unverschuldet sein, wenn der Anwalt plötzlich in einer Weise erkrankt, die es ihm unmöglich macht, den Vertreter rechtzeitig zu unterrichten (BGH, Urt. v. 7. Mai 1982 - V ZR 233/81, VersR 1982, 802; Beschl. v. 2. Februar 1994 - XII ZB 175/93, VersR 1994, 1207, 1208; v. 26. Februar 1996 - II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541).
Es ist davon auszugehen, daß die Versäumung der Beschwerdefrist auf einem Organisationsverschulden des Beklagten beruht. Er hat eine allgemeine, geeignete Vorsorge, die gewährleistet, daß im Falle seiner Erkrankung fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig eingereicht werden können, nicht behauptet. Seine Krankheit ist nicht so plötzlich und in einer so schwerwiegenden Weise aufgetreten, daß er an einer solchen Vorkehrung ohne Verschulden gehindert war. Für den hier maßgeblichen Zeitraum nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses hat der Beklagte eine "akute Gastroenteritis" als Ursache seiner Arbeitsunfähigkeit angegeben. Diese Erkrankung schließt das Organisationsverschulden nicht aus. Eine Entschuldigung ist in der Rechtsprechung anerkannt worden, wenn die fehlende Vorsorge für die Wahrung der Rechtsmittelfrist auf der besonderen psychischen Lage nach dem Entschluß zur Selbsttötung beruhte (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1984 - VI ZB 10/84, VersR 1984, 988, 989) oder auf die Einlieferung auf die Intensivstation eines Krankenhauses durch den Notarzt zurückzuführen war (BGH, Beschl. v. 6. März 1990 - VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026). Solcher Art war die Erkrankung des Beklagten nicht, selbst wenn - gemäß seiner Behauptung - auch seine "Psyche mitangegriffen" worden war wegen des Streitgegenstandes, der die Verletzung eines anwaltlichen Treuhandvertrages betrifft.
Ende der Entscheidung
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