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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.12.1998
Aktenzeichen: IX ZB 88/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 243 Abs. 1
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 519
ZPO § 233
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 88/98

vom

10. Dezember 1998

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

am 10. Dezember 1998

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. September 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 642.065,03 DM.

Gründe

I.

Die Beklagten haben gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts rechtzeitig am 2. Juni 1998 Berufung eingelegt. Nach Ablauf der bis zum 3. August 1998 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ging am 7. August 1998 beim Kammergericht ein mit "Wiedereinsetzungsantrag und Berufungsbegründung" überschriebener, vom Prozeßbevollmächtigten der Beklagten unterzeichneter Schriftsatz vom selben Tage ein, in dem der auf Klageabweisung gerichtete Berufungsantrag angekündigt wurde und zur Begründung "auf den anliegenden Schriftsatz vom 3.8.1998" verwiesen wurde. Dieser letztgenannte Schriftsatz, in dem die Berufung begründet wurde, war von dem beim Kammergericht nicht zugelassenen, beim Prozeßbevollmächtigten der Beklagten als freier Mitarbeiter tätigen Rechtsanwalt H. unterschrieben. In dem Schriftsatz vom 7. August 1998 führte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags aus, er sei in der Zeit vom 10. Juli bis zum 4. August 1998 im Urlaub gewesen. Deshalb habe er Rechtsanwalt H. beauftragt, die Berufungsbegründung vorzubereiten und bis zum 3. August 1998 für einen rechtzeitigen Zugang bei Gericht zu sorgen. Am Nachmittag des 3. August 1998 habe Rechtsanwalt H. die von ihm gefertigte Berufungsbegründungsschrift dem Büromitarbeiter Sch. mit der Anweisung übergeben, sie nach Büroschluß zum Kammergericht zu bringen und dort in den Nachtbriefkasten einzuwerfen. Sch. habe den Schriftsatz zunächst auf seinen Schreibtisch gelegt. Kurz bevor er das Büro habe verlassen wollen, habe er einen Anruf von seiner Ehefrau erhalten. Nach diesem Gespräch, das längere Zeit gedauert habe, habe er nicht mehr an jenen Schriftsatz gedacht und das Büro verlassen, ohne ihn mitzunehmen.

In einem weiteren Schriftsatz vom 9. September 1998 hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten vorgetragen, er habe vor Urlaubsantritt mit seinem Kollegen H. vereinbart, daß dieser zwar die Berufungsbegründung fertigen, sie aber durch den beim Kammergericht zugelassenen Rechtsanwalt Hu. habe unterzeichnen lassen sollen, mit dem das trotz seines damaligen stationären Krankenhausaufenthalts so abgesprochen gewesen sei. Aus Versehen habe Rechtsanwalt H. die Berufungsbegründung dann doch selbst unterschrieben. Hilfsweise werde nunmehr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Nachholung der Berufungsbegründung gestellt; gleichzeitig wiederhole er, der Prozeßbevollmächtigte, "vorsorglich hilfsweise den gesamten Vortrag in der Berufungsbegründungsschrift vom 3.8.1998". In einer dem Schriftsatz vom 9. September 1998 beigefügten eidesstattlichen Versicherung heißt es dazu, er, der Prozeßbevollmächtigte, habe erst jetzt - nach einem Anruf des gegnerischen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten - bemerkt, daß die Berufungsbegründung die Unterschrift des Rechtsanwalts H. trage.

Das Kammergericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht hat die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags damit begründet, daß die Beklagten den Sachverhalt, aus dem sich ergeben solle, daß ihren Prozeßbevollmächtigten an dem Rechtsanwalt H. unterlaufenen Versehen kein Verschulden treffe, erst nach Ablauf der dafür geltenden zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vorgetragen hätten. Ob diese Begründung den angefochtenen Beschluß trägt, ist zweifelhaft, weil die Berufungsbegründungsfrist infolge des Versehens des Büroangestellten Sch. auch dann versäumt worden wäre, wenn die Berufungsbegründung von einem beim Kammergericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden wäre.

2. Auf jene Frage kommt es nicht an, weil dem Wiedereinsetzungsantrag aus einem anderen Grund nicht stattgegeben werden kann.

Nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die versäumte Prozeßhandlung innerhalb der Antragsfrist (§ 234 Abs. 1 ZPO) nachzuholen. Das ist hier nicht geschehen. Der Schriftsatz vom 7. August 1998, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag gestellt wurde, enthält zur Begründung der Berufung nur die Verweisung auf den ihm beigefügten Schriftsatz vom 3. August 1998, der von dem nicht beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt H. unterschrieben war. Das genügte nicht den nach § 519 ZPO an eine Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen. Durch Bezugnahme können im Anwaltsprozeß nach ständiger Rechtsprechung nur solche Schriftstücke zum Inhalt bestimmender Schriftsätze - dazu gehört die Berufungsbegründung - gemacht werden, die von einem beim angerufenen Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben worden sind (BGHZ 111, 339, 344 f m.w.N., auch zu den wenigen, hier nicht vorliegenden Ausnahmen; BGH, Beschl. v. 14. Juli 1993 - IV ZB 1/93, NJW-RR 1994, 569; Urt. v. 24. Februar 1994 - VII ZR 127/93, NJW 1994, 1481). Der Grund dafür liegt darin, daß der Sachverhalt, über den zu entscheiden ist, von einem beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt vorzutragen ist; nur von einem solchen Anwalt nimmt das Gesetz an, daß er den Prozeßstoff sachgemäß durchdacht und aufbereitet hat. Davon, daß dies tatsächlich geschehen ist, ist nur dann auszugehen, wenn ein solcher Rechtsanwalt den Schriftsatz selbst unterschrieben hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar ein nicht von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichneter Schriftsatz innerhalb der für die Prozeßhandlung geltenden Frist durch einen beim Prozeßgericht zugelassenen Anwalt genehmigt werden (BGHZ 111, 139, 345 ff; BGH, Beschl. v. 16. Dezember 1992 - XII ZB 137/92, FamRZ 1993, 695). Von einer solchen Genehmigung kann aber nur dann die Rede sein, wenn damit die Heilung einer unwirksamen Prozeßhandlung bezweckt wird. Das war im vorliegenden Fall nicht Sinn der im Schriftsatz vom 7. August 1998 enthaltenen Bezugnahme. Diesem Schriftsatz läßt sich eine auf eine Genehmigung gerichtete Willenserklärung, mit der zum Ausdruck gebracht worden wäre, daß der Prozeßbevollmächtigte die Ausführungen des Rechtsanwalts H. geprüft und sich zu eigen gemacht hätte, nicht entnehmen. Tatsächlich gab es insoweit nichts zu "genehmigen"; der von Rechtsanwalt H. unterschriebene Schriftsatz vom 3. August 1998 war nicht schon vorher - mit der Folge der Unwirksamkeit der Berufungsbegründung - von diesem beim Berufungsgericht eingereicht worden, sondern sollte lediglich als gleichzeitig mit dem Schriftsatz vom 7. August 1998 eingegangene Anlage zu dessen Bestandteil gemacht werden (vgl. zu den Voraussetzungen einer solchen prozeßrechtlichen Genehmigung auch BGH, Beschl. v. 14. Juli 1993 aaO).

Soweit die Beklagten wegen der Versäumung der für die Nachholung der Prozeßhandlung (hier der Berufungsbegründungsfrist) geltenden Zweiwochenfrist wiederum Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen, ist auch dieser Antrag unbegründet. Ihr Prozeßbevollmächtigter hätte nicht übersehen dürfen, daß die Berufungsbegründungsschrift vom 3. August 1998 nicht von einem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben war. Darin liegt ein Verschulden, das der Gewährung von Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO entgegensteht. Die im Schriftsatz vom 9. September 1998 enthaltene "Wiederholung" des "gesamten Vortrags in der Berufungsbegründungsschrift vom 3.8.1998" war somit verspätet.

Ende der Entscheidung

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