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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.11.1999
Aktenzeichen: IX ZB 95/99
Rechtsgebiete: GG, ZPO
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 3 | |
ZPO § 318 | |
ZPO § 567 Abs. 4 | |
ZPO § 802 | |
ZPO § 890 Abs. 2 |
Zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Beschwerde und zur Befugnis des Berufungsgerichts, eine ihm unterlaufene Verletzung eines Verfahrensgrundrechts selbst zu beheben.
BGH, Beschl. v. 25. November 1999 - IX ZB 95/99 - OLG Braunschweig LG Braunschweig
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
25. November 1999
in dem einstweiligen Verfügungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör und Dr. Ganter am 25. November 1999
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 17. Juni 1999 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Gerichtskosten für dieses Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 8 GKG).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 10.500 DM.
Gründe:
I.
Nachdem das Landgericht den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, haben die Parteien im Berufungsrechtszug des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Antragsgegner verpflichtet hat, künftig die Behauptung zu unterlassen, der Antragsteller unterhalte außereheliche Beziehungen. Antragsgemäß hat das Oberlandesgericht dem Antragsgegner - nach dessen Anhörung - durch den angefochtenen Beschluß angedroht, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festzusetzen. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners, die hilfsweise auf eine greifbare Gesetzwidrigkeit gestützt wird.
II.
Gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte ist grundsätzlich eine Beschwerde nicht zulässig (§ 567 Abs. 4 ZPO). Auch eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit scheidet im vorliegenden Fall aus.
Allerdings widerspricht die Auslegung des § 890 Abs. 2 ZPO - in Verbindung mit §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795 Satz 1 ZPO - durch das Oberlandesgericht offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes und hat deswegen eine Gesetzesanwendung zur Folge, die durch das Gesetz ausgeschlossen werden sollte. Das Oberlandesgericht hat seine Zuständigkeit abweichend von § 890 Abs. 2 ZPO angenommen, weil der Vergleich mit der Unterlassungsverpflichtung des Beschwerdeführers vor ihm abgeschlossen worden ist und in ein Urteil die entsprechende Androhung hätte aufgenommen werden können. Nach § 890 Abs. 2 ZPO hätte aber das Prozeßgericht des ersten Rechtszuges über den Androhungsantrag entscheiden müssen (BGH, Urt. v. 29. September 1978 - I ZR 107/77, NJW 1979, 217); diese Zuständigkeit ist nach § 802 ZPO ausschließlich. Das Oberlandesgericht hätte dann - nur - als Beschwerdegericht zuständig werden können (§ 793 ZPO i.V.m. § 891 Satz 1 ZPO). Die davon abweichende Gesetzesauslegung durch das Oberlandesgericht führt dazu, daß seine - erste - Entscheidung zur Vollstreckung des Unterlassungsgebots nach § 567 Abs. 4 ZPO unanfechtbar ist und ein vom Gesetzgeber eröffneter Rechtsweg in nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl. BVerfGE 40, 272, 274 f). Eine solche Auslegung ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar, so daß sich der Schluß aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. BVerfG NJW 1996, 1336). Die Entscheidung des Oberlandsgerichts verstößt deshalb gegen das Grundrecht des Beschwerdeführers auf ein objektiv willkürfreies Verfahren und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 87, 273, 278 f; BVerfG NJW-RR 1993, 1090; NJW 1994, 241, 242; 1995, 124, 125; 1996, 1531; EuGRZ 1999, 494).
Dieser Verfassungsverstoß eröffent allerdings noch nicht die nach § 567 Abs. 4 ZPO ausgeschlossene Beschwerde. Vielmehr ist die Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Beschwerdeführers durch das Oberlandesgericht von diesem selbst - unter Einschränkung seiner Bindung gemäß § 318 ZPO - auf Gegenvorstellung zu beheben, selbst wenn die Entscheidung nach Prozeßrecht unabänderlich ist (vgl. BGHZ 130, 97, 98 ff; BGH, Urt. v. 8. November 1994 - XI ZR 35/94, NJW 1995, 403; Beschl. v. 9. September 1997 - IX ZB 92/97, ZIP 1997, 1757; v. 15. Januar 1998 - IX ZB 122/97, ZIP 1998, 297, 298; Kreft, in: Festschrift für Karin Graßhof 1998, S. 185, 189 ff).
Ende der Entscheidung
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