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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: IX ZR 105/04
Rechtsgebiete: AnfG, BGB, StGB


Vorschriften:

AnfG § 7 Abs. 1 a.F.
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
StGB § 288
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZR 105/04

vom 21. Juli 2005

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Dr. Ganter, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

am 21. Juli 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. März 2004 wird auf Kosten der Beklagten zu 4 und 5 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 386.025,37 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

I.

Das Recht der Beklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG) wird durch die angefochtene Entscheidung nicht verletzt.

Ob der 18. oder der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts zuständig war, kann offen bleiben. Selbst wenn mit den Beschwerdeführern davon auszugehen wäre, der 18. Zivilsenat habe die Sache zu Unrecht von dem eigentlich zuständigen 19. Zivilsenat übernommen, läge darin keine Grundrechtsverletzung. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt erst dann vor, wenn der Geschäftsverteilungsplan objektiv willkürlich ausgelegt oder angewendet worden ist (BVerfGE 3, 359, 364 f.; 29, 45, 48 f.; BVerfG NJW 1998, 3484). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Die Auffassung, daß nach dem bei Eingang der Berufung maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts für das Jahr 2002 der Rechtsstreit dem 18. Zivilsenat als Spezialsenat zuzuordnen war, ist zumindest vertretbar. Wortlaut (vgl. Ziff. 3a) und Systematik des Geschäftsverteilungsplans deuten darauf hin, daß schon damals der Spezialzuständigkeit gegenüber der Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs der Vorrang eingeräumt worden ist. Nach diesem Prinzip ist bei dem Oberlandesgericht bereits seit 2000 verfahren worden. Im Geschäftsverteilungsplan 2004 ist der Vorrang klargestellt worden (Ziff. 2.3). Deutliche Bezüge zur Materie des Spezialsenats - insbesondere wegen der Hilfsaufrechnung der Beklagten zu 4 und ihrer Widerklage, die beide jetzt nicht mehr im Streit sind - leugnet die Beschwerde nicht.

Die Übernahme des Rechtsstreits durch den 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ist auch im Hinblick auf das eingeschlagene Verfahren nicht zu beanstanden. Der Auffassung der Beschwerdeführer, zur Klärung der Zuständigkeit hätte eine Entscheidung des Präsidiums eingeholt werden müssen, kann nicht gefolgt werden. In Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschl. v. 5. Oktober 1999 - X ARZ 247/99, NJW 2000, 80, 81) sieht der Geschäftsverteilungsplan vor, daß bei Meinungsverschiedenheiten unter den Senaten über die Zuständigkeit das Präsidium zu entscheiden hat. Zu einer derartigen Meinungsverschiedenheit ist es im Streitfall jedoch nicht gekommen. Der Vorsitzenden des 18. Zivilsenates mögen zwar nach Übernahme der Sache vom 19. Zivilsenat Zweifel gekommen sein. Solche Zweifel stellen aber jedenfalls dann, wenn sie ausgeräumt wurden, keine Meinungsverschiedenheit dar. Die Vorsitzende des 18. Zivilsenats hat es nicht etwa dem Dezernenten 1 des Oberlandesgerichts überlassen, die Zuständigkeitsfrage zu entscheiden; sie hat das Problem lediglich mit diesem diskutiert und sich sodann dessen Meinung, der 18. Zivilsenat habe die Sache zu Recht übernommen, angeschlossen. Falls dies irrtümlich geschehen sein sollte, begründet dies keine Willkür.

II.

Auch in der Sache besteht kein Anlaß für die Zulassung der Revision.

1. Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Frage nach der Gläubigerbenachteiligung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F.) und die Feststellung des zu leistenden Wertersatzes (§ 7 Abs. 1 AnfG a.F.) nicht in unzulässiger Weise vermengt. Von einem "groben Rechtsfehler im Obersatz", der "wegen struktureller Wiederholungsgefahr" die Zulassung der Revision erfordere, kann keine Rede sein.

Das Berufungsgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt seiner Prüfung durchaus zwischen der objektiven Gläubigerbenachteiligung einerseits und der Frage, wie - und auf welchen Zeitpunkt bezogen - der Wertersatz zu berechnen ist, unterschieden. Seine Rechtsauffassung, daß für die Beurteilung beider Fragen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abzustellen ist, wird von den Beschwerdeführern geteilt. Sie ist auch zutreffend (vgl. zur Gläubigerbenachteiligung BGH, Urt. v. 27. September 1990 - IX ZR 67/90, WM 1990, 1981, 1984 m.w.N., zum Wertersatz nach § 37 Abs. 1 KO BGH, Urt. v. 20. Februar 1980 - VIII ZR 48/79, NJW 1980, 1580, 1581). Der Erwägung der Beschwerdeerwiderung, eine bis zum Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung eingetretene Wertminderung sei vom Anfechtungsgegner zu ersetzen, kann nur für den - hier nicht in Betracht kommenden - Fall gefolgt werden, daß die Wertminderung beim Unterbleiben der anfechtbaren Rechtshandlung nicht eingetreten wäre (Kilger/Huber, AnfG 8. Aufl. § 7 Anm. III 6).

Falls das Berufungsgericht trotz seines richtigen Ansatzes in der Folge den Wertersatz auf einen falschen Zeitpunkt bezogen hätte, so läge darin lediglich ein schlichter Rechtsanwendungsfehler, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen könnte. Von einem solchen Rechtsanwendungsfehler kann zudem nicht ausgegangen werden. Zwar hat das Berufungsgericht den Wert der Anteile, die in anfechtbarer Weise abgetreten worden sein sollen, nach dem Zeitpunkt ihrer Veräußerung bemessen und eine von den Beklagten vorgetragene spätere Minderung ihres Wertes als "unzulässige Umgehung des sich aus der ursprünglichen Kaufpreisvereinbarung ohne weiteres ergebenden Wertersatzanspruchs" bezeichnet. Daraus folgt jedoch nicht, daß das Berufungsgericht seinen rechtlichen Ansatz, entscheidend sei der Wert des weggegebenen Gegenstands im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, aus dem Auge verloren hat. Die Beklagten haben behauptet, durch Ereignisse im Jahr 1995 sei der Wert der Geschäftsanteile auf Null gesunken. Für den Zeitraum seit 1996 haben sie sogar ausdrücklich vorgetragen, daß sich an der wirtschaftlichen Situation der B. nichts (jedenfalls nichts Wesentliches) mehr geändert habe. Deshalb hat sich das Berufungsgericht zutreffend nur mit den als maßgeblich bezeichneten Vorgängen des Jahres 1995 befaßt. Wenn diese keine wertmindernde Wirkung hatten, durfte das Berufungsgericht auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (18. Dezember 2003) noch den vollen Wert der Geschäftsanteile zugrunde legen.

2. Daß das Berufungsgericht aus dem im Jahre 1995 vereinbarten Veräußerungserlös auf den Verkehrswert der Geschäftsanteile geschlossen hat, rechtfertigt eine Zulassung der Revision ebensowenig.

Der Verkehrswert eines Geschäftsanteils entspricht dem bei einer Veräußerung an einen Dritten erzielbaren Preis (Rowedder/Bergmann, GmbHG 4. Aufl. § 34 Rn. 105; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 17. Aufl. § 34 Rn. 19). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, daß eine Bewertung, die an einen konkreten Verkauf des betreffenden Gegenstands anknüpfen kann, nicht nur zulässig ist, sondern gegenüber einer Schätzung, die sich an allgemeinen Erfahrungswerten orientiert, sogar den Vorzug verdienen kann (BGH, Urt. v. 17. März 1982 - IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497, 2498; v. 14. Oktober 1992 - IV ZR 211/91, WM 1993, 343, 344). Die Nichtzulassungsbeschwerde räumt denn auch ein, daß der Kaufpreis eine indizielle Bedeutung für den Wert der Anteile haben und sogar eine "wichtige Orientierungsgröße" sein konnte.

Wenn das Berufungsgericht davon gesprochen hat, es habe den "Anschein", daß die veräußerten Geschäftsanteile zumindest den Wert gehabt hätten, den der Erwerber als Gegenleistung zu zahlen bereit gewesen sei, so folgt daraus nicht, daß es auf die Wertfeststellung die Regeln des Anscheinsbeweises angewendet hat. Denn es hat diese Feststellung nicht ausschließlich auf diesen "Anschein" gestützt, sondern weitere Indizien berücksichtigt, die darauf hindeuten, daß der Kaufpreis dem tatsächlichen Verkehrswert entsprach. Deshalb ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht jenem mehr als eine indizielle Bedeutung beigemessen hat.

3. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der Verkehrswert der Geschäftsanteile sei durch Ereignisse nach dem Verkauf nicht gemindert worden, beruht dies nicht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht, auf einer Verkennung der Beweislast. Zwar traf - entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung - die Klägerin die Beweislast für die Voraussetzungen des Anfechtungsanspruchs einschließlich des nach § 7 Abs. 1 AnfG a.F. zu ersetzenden Wertes. Eine Beweislastentscheidung hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Vielmehr hat es festgestellt, daß es für die spätere Befreiung der T. GmbH von jeglicher Zahlungsverpflichtung "an einem sachlichen Grund fehlte". Dies ist ersichtlich in dem Sinne gemeint, daß der Wert der Anteile im Jahr 1995 nicht abgenommen hat (vgl. dazu auch unten zu 4.).

4. Dabei kann dem Berufungsgericht auch nicht der Vorwurf gemacht werden, den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt zu haben. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW 1994, 2683). Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, das Berufungsgericht habe den Prozeßstoff nicht ausgeschöpft, angebotene Beweise übergangen und das Ergebnis einer Beweisaufnahme vorweggenommen. Konkret rügt sie jedoch nur die Nichterhebung des von den Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens und die - ihres Erachtens verfehlte - Würdigung der vorgelegten Urkunden. Insofern ist ein Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO) nicht erkennbar. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten zur Wertentwicklung im Jahre 1995 einschließlich der vorgelegten Urkunden vollständig berücksichtigt und für unerheblich - weil nicht nachvollziehbar und widersprüchlich - erachtet. Weshalb dies so sei, ist im einzelnen dargelegt. Unter diesen Umständen kann, selbst wenn der Standpunkt des Berufungsgerichts in der Sache verfehlt sein sollte, kein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs angenommen werden (vgl. BVerfGE 86, 133, 145 f.; BVerfG NJW 1994, 2683).

5. Hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zu 5 beanstandet die Nichtzulassungsbeschwerde, daß aus der Unwirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses, den der Beklagte zu 5 als für ihn bindend erachtet habe, ein Schädigungsvorsatz im Sinne von § 826 BGB oder ein Vorsatz der Vollstreckungsvereitelung im Sinne von § 288 StGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB hergeleitet worden sei. Die Prüfung des Berufungsgerichts sei "nicht nur im rechtlichen Obersatz", sondern insgesamt mangelhaft.

Damit ist ein Zulassungsgrund nicht dargelegt. Welcher "rechtliche Obersatz" vom Berufungsgericht unzutreffenderweise aufgestellt worden sei, ist nicht erkennbar. Das Berufungsgericht hat nicht aus der Unwirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen gefolgert, daß der Beklagte zu 5 vorsätzlich gehandelt habe. Es hat diese Annahme vielmehr darauf gestützt, daß dieser auf beiden Seiten maßgeblich an der Veräußerung der Geschäftsanteile beteiligt gewesen sei und ihm somit alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände bekannt gewesen seien. Der von der Nichtzulassungsbeschwerde in Bezug genommene Vortrag, der Beklagte zu 5 habe im Dezember 1994 davon ausgehen müssen, daß die D. die offene Forderung der Klägerin werde ausgleichen können, ist unerheblich, weil es um eine (Rest-) Forderung gegen die Käuferin BB. geht. Im übrigen hat der Beklagte zu 5 seinerzeit auch die D. als Sanierungsfall eingeordnet. Vor diesem Hintergrund ist der Schluß des Berufungsgerichts rechtlich möglich, dem Beklagten zu 5 sei das "deutliche Bild eines kollusiven Zusammenwirkens mit dem Ziel der Gläubigerbenachteiligung" nicht verborgen geblieben.

Auf den Gesellschafterbeschluß vom 5. Dezember 1994 ist das Berufungsgericht nur deshalb eingegangen, weil der Beklagte zu 5 gegen seine Inanspruchnahme eingewendet hat, er sei aufgrund dieses Beschlusses zu dem ihm vorgeworfenen Handeln verpflichtet gewesen. Diesen Einwand hat das Berufungsgericht schon deshalb für unbeachtlich gehalten, weil der Beschluß - was auch die Nichtzulassungsbeschwerde für möglich hält - formell nicht ordnungsgemäß gefaßt worden sei.

Ende der Entscheidung

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