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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: IX ZR 116/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 286 Abs. 2 Nr. 4
BGB § 826 Gg
Werden der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs Geldbeträge entzogen, so hat der rechtswidrig handelnde Gesellschafter Verzugszinsen ab der Entziehung zu entrichten.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 116/06

Verkündet am: 13. Dezember 2007

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer und die Richter Dr. Ganter, Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Detlev Fischer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Mai 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil des Klägers erkannt hat.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Siegen vom 25. Oktober 2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 70.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 21.000 € seit 4. September 2004, aus weiteren 23.000 € seit 8. September 2004, aus weiteren 15.500 € seit 10. September 2004 und aus weiteren 10.500 € seit 11. September 2004 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der B. GmbH (fortan: Schuldnerin). Er überwies in vier Teilbeträgen am 3., 7., 8. und 10. September 2004 aus dem Vermögen der Schuldnerin insgesamt 70.000 € auf seines eigenes Bankkonto. Am 20. September 2004 stellte er für die Schuldnerin Eigenantrag. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 21. Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger forderte den Beklagten mit Schriftsatz vom 6. April 2005 unter Fristsetzung auf den 21. April 2005 zur Rückzahlung der Hauptsumme auf und begehrte zugleich Verzugszinsen ab dem jeweiligen Folgetag der einzelnen Überweisungen. Das Landgericht hat der Klage im Hauptanspruch stattgegeben und Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. April 2005 zuerkannt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels Zinsen in der geltend gemachten Höhe ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuerkannt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Zinsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NZI 2006, 642 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, der Kläger könne Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 291, 288 BGB verlangen. Die Verzinsung beginne erst am Tag der Insolvenzeröffnung, mithin dem 21. Januar 2005. Auf den Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung könne nicht abgestellt werden, weil nach § 291 BGB die Verzinsung mit der Fälligkeit des Anfechtungsanspruchs beginne und dieser Anspruch frühestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe und fällig werde. Weitergehende Zinsansprüche bestünden nicht. § 849 BGB beziehe sich nur auf die Verzinsung des zu ersetzenden Betrages bei Entziehung oder Beschädigung einer Sache. Die "Entziehung" im Sinne des § 849 BGB beschränke sich lediglich auf Fälle der Vorenthaltung eines körperlichen Gegenstandes. Auf das Abheben von Geldforderungen (Buchgeld) könne diese Bestimmung nicht angewendet werden.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass hinsichtlich der geltend gemachten Zinsforderung die Vorschrift des § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO anzuwenden ist und dem Kläger ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zustehen.

a) Der Senat hat mit der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung vom 1. Februar 2007 (IX ZR 96/04, ZIP 2007, 488, z.V.b. in BGHZ 171, 38) ausgeführt, dass § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO eine Rechtsfolgenverweisung auf § 819 Abs. 1 BGB enthält, so dass der Anfechtungsgegner unmittelbar der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen ist. Er wird damit insoweit einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner gleichgestellt. Mit dieser Anknüpfung ist der Herausgabeanspruch als rechtshängiger Anspruch zu behandeln, was, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, zur Anwendung der Regel über die Zahlung von Prozesszinsen führt. Danach ist bei einer fälligen Geldschuld gemäß § 291 Satz 1 BGB die Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend anzuwenden (BGH aaO, S. 489, z.V.b. in BGHZ 171, 38, 43).

b) Der Rückgewähranspruch wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig. Das Anfechtungsrecht setzt tatbestandsmäßig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus. Der entsprechende Anspruch kann nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (vgl. BGHZ 83, 102, 105). Daher entsteht das Anfechtungsrecht erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGHZ 15, 333, 337; 113, 98, 105; 130, 38, 40). Zugleich wird damit der Rückgewähranspruch fällig, weil nach neuerem Verständnis die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf (BGHZ 135, 140, 151; BGH, Urt. v. 11. Dezember 2003 - IX ZR 336/01, ZIP 2004, 671, 672; Urt. v. 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04 aaO, z.V.b. in BGHZ 171, 38, 44). Prozesszinsen können daher erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens begehrt werden (§ 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB).

2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, vor Insolvenzeröffnung schulde der Beklagte überhaupt keine Zinsen, ist unzutreffend. Der Beklagte ist der Schuldnerin ab dem Zeitpunkt der jeweiligen Überweisung der einzelnen Beträge auf sein Konto gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB zur Zinsleistung verpflichtet, weil die gegen ihn bestehende Forderung auf einer unerlaubten Handlung beruht (§ 826 BGB).

a) Bei der Haftung wegen Existenzvernichtung handelt es sich nach der von dem Bundesgerichtshof durch das Urteil vom 16. Juli 2007 (II ZR 3/04, NJW 2007, 2689 z.V.b. in BGHZ) entwickelten grundlegenden Neukonzeption nicht um eine Durchgriffshaftung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger, sondern um einen originären Anspruch der GmbH gegen einen Gesellschafter, der seine Grundlage in § 826 BGB findet. Für die Beurteilung, ob ein existenzvernichtender Eingriff vorliegt, kann auch nach der Umgestaltung der Existensvernichtungshaftung in eine reine Innenhaftung die bisherige Rechtsprechung herangezogen werden (BGH, Urt. v. 16. Juli 2007 aaO, S. 2690 f). Mithin liegt eine Existenzvernichtung vor, wenn der Gesellschafter auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine angemessene Rücksicht nimmt, indem er der Gesellschaft durch offene oder verdeckte Entnahmen ohne angemessenen Ausgleich Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt, und sie dadurch in die Insolvenz führt oder eine bereits bestehende Insolvenz vertieft (BGH, Urt. v. 13. Dezember 2004 - II ZR 256/02, ZIP 2005, 250 f; v. 16. Juli 2007 aaO). Der existenzvernichtende Eingriff ist sittenwidrig, weil die Gesellschaft dadurch um Vermögen gebracht wird, das sie zur vorrangigen Befriedigung ihrer Gläubiger benötigt (BGH, Urt. v. 16. Juli 2007 aaO S. 2692).

b) Nach diesen Maßstäben ist der Beklagte der Schuldnerin gemäß § 826 BGB wegen Existenzvernichtung zur Schadensersatzleistung verpflichtet.

Der Beklagte hat im Insolvenzverfahren selbst eingeräumt, dass die Schuldnerin bereits in dem Zeitpunkt überschuldet war, als er die ihn begünstigenden Zahlungen beschlossen und veranlass hat. Die - wie der vereinbarte Vorrang gegenüber sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft belegt - gerade auch für den Fall einer Krise vorgesehene zusätzliche Vergütung des Beklagten war jedenfalls unzulässig, weil der Schuldnerin als Gegenleistung keine Vorteile zugeflossen waren (vgl. BGHSt 50, 331, 337 "Mannesmann"), sondern der Beklagte das Unternehmen vielmehr in die Insolvenz geführt hatte. Da folglich die Insolvenz der Schuldnerin vertieft wurde, liegt in den von einem einheitlichen Willensentschluss des Beklagten getragenen Zahlungen eine Existenzvernichtung. Der von § 826 BGB vorausgesetzte Vorsatz ist über die Schädigung der Schuldnerin hinaus auch im Blick auf das Merkmal der Sittenwidrigkeit gegeben: Denn dem Beklagten waren die Tatsachen - der betriebsfremden Zwecken dienende Entzug von Gesellschaftsmitteln zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger - bekannt, aus denen das Verdikt der Sittenwidrigkeit hergeleitet wird (BGH, Urt. v. 16. Juli 2007 aaO, S. 2692).

c) Mit der rechtswidrigen Entziehung der ihm nicht zustehenden Geldbeträge ist der Beklagte gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB unmittelbar in Verzug geraten (vgl. OLG Kiel SeuffArch Bd. 59 Nr. 259; MünchKomm-BGB/Ernst, 5. Aufl. § 286 Rn. 69; Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl. § 286 Rn. 25). Dem Kläger steht demnach der geltend gemachte Zinssatz in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinsatz aus § 286, § 288 Abs. 1 BGB bereits ab dem begehrten Zeitpunkt zu. Auf die Bestimmung des § 849 BGB, die auch auf die Entziehung von Geld anwendbar ist (vgl. BGHZ 8, 288, 298; BGH, Urt. v. 26. November 2007 - II ZR 167/06; MünchKomm-BGB/Wagner, 4. Aufl. § 849 Rn. 5; Palandt/Sprau, BGB aaO § 849 Rn. 1; Staudinger/Vieweg, BGB, 13. Bearb. 2002 § 849 Rn. 4), muss daher nicht näher eingegangen werden. Gleiches gilt für die Frage, ob der geltend gemachte Zinsanspruch zudem unter dem Gesichtspunkt gezogener Nutzungen (§ 987 Abs. 1 BGB) oder schuldhaft nicht gezogener Nutzungen (§ 987 Abs. 2 BGB) (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 20. Dezember 2001 - IX ZR 401/99, NJW 2002, 1050, 1052, insoweit in BGHZ 149, 326 nicht abgedruckt; Urt. v. 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04 aaO, S. 490; z.V. b. in BGHZ 171, 38, 45; G. Fischer, KTS 2007, 267, 281) begründet ist.

Ende der Entscheidung

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