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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.03.2003
Aktenzeichen: IX ZR 137/00 (1)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 282
ZPO § 286
ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 139 Abs. 1
ZPO § 283 Satz 1
ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 296 Abs. 2
ZPO § 296 Abs. 4 a.F.
ZPO § 296 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 137/00

Verkündet am: 13. März 2003

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Kirchhof, Raebel, Dr. Bergmann und Neškovic

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten zu 1 bis 5 und 7 wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 1. März 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zur Zahlung an den Kläger verurteilt sind. In diesem Umfange wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten dieses Revisionsverfahrens übertragen wird.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die verklagten Rechtsanwälte zu 1 bis 5 und 7 (nachfolgend: Beklagte) waren für den Kläger rechtsberatend tätig. Sie vereinnahmten für ihn Geldbeträge und rechneten eigene Forderungen dagegen auf.

Mit der Klage verlangt der Kläger von den Beklagten die Auszahlung vereinnahmter Beträge. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten unter anderem zur Zahlung von 161.539,52 DM verurteilt. Gegen diesen Zahlungsausspruch richtet sich deren Revision.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

1. Der Kläger könne auf einen am 18. August 1989 abgetretenen Restkaufpreisanspruch (betreffend ein Grundstück in Mannheim) Auskehrung von noch 48.699,75 DM verlangen. Die Beklagten hätten aufgrund der Abtretung 235.966,75 DM erhalten. Davon seien Beträge in Höhe von 127.297 DM sowie zweimal 30.000 DM abzuziehen, die dem Kläger zuvor erstattet worden seien. Von den Beklagten behauptete zusätzliche Zahlungen seien dagegen nicht bewiesen.

2. Weitere 60.000 DM hätten die Beklagten aus dem Verkauf eines Heidelberger Grundstücks zu erstatten. Ferner hätten sie für den Kläger 70.000 DM von M. erhalten.

Aus zwei Mandaten in den Rechtsstreitigkeiten S. /L. könne der Kläger 6.673,32 DM und 491,90 DM beanspruchen.

3. Demgegenüber könnten die Beklagten mit einer Gebührenforderung von 1.855,88 DM für den Räumungsprozeß S. gegen G. und mit einem titulierten Anspruch von 10.833,18 DM nebst Kosten von 1.388,80 DM und 705 DM aufrechnen. Insgesamt verringere sich daher die Klageforderung auf 161.539,52 DM.

4. Soweit die Beklagten zu 1 bis 4 in Schriftsätzen vom 18. und 22. Februar 2000 neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht hätten, seien diese gemäß §§ 523, 528 Abs. 2, § 296 Abs. 2 ZPO wegen Verspätung nicht zu berücksichtigen. Ob das von diesen Beklagten vorgelegte Konvolut teilweise geeignet sei, neue Behauptungen der Beklagten im Wege des Urkundenbeweises zu belegen, vermöge das Gericht nicht zu beurteilen. Die vorgelegten Fotokopien seien nicht gekennzeichnet und auch in den Schriftsätzen nicht dem Vortrag der Beklagten zugeordnet. Den Beklagten eine Zuordnung aufzugeben, hätte wiederum eine Verzögerung des im übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreits bewirkt. Soweit die beiden Schriftsätze die Aufrechnung mit bisher nicht geltend gemachten Gegenforderungen enthielten, sei der Kläger mit einer Verspätungsrüge dem entgegengetreten (§ 530 Abs. 2 ZPO).

II.

Demgegenüber rügt die Revision:

1. Soweit das Berufungsgericht weitere Zahlungen auf den Kaufpreis für das Grundstück in Mannheim für nicht bewiesen halte, fehle jede Beweiswürdigung (§ 286 ZPO).

2. Der Betrag von 60.000 DM für das Heidelberger Grundstück sei nur an den Beklagten zu 2 geflossen, der davon weitere Ausgaben für den Kläger getätigt habe. Mit diesem Gesichtspunkt hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen müssen.

3. Das Vorbringen in den Schriftsätzen der Beklagten vom 18. und 22. Februar 2000 hätte berücksichtigt werden müssen. Die Auffassung des Berufungsgerichts verletze den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör. Art. 103 Abs. 1 GG gebiete, daß das Gericht den Vortrag von Verfahrensbeteiligten auch dann zur Kenntnis nehme, wenn dies infolge sich aus der Natur der Sache ergebender Schwierigkeiten einen besonderen Aufwand an Zeit und Geduld erfordere. Die in den Schriftsätzen aufgeführten weiteren Zahlungen seien durch Urkunden belegt, die entsprechend der Auflistung in einem beigefügten Schreiben in chronologischer Reihenfolge geordnet gewesen seien. Damit hätte sich das Berufungsgericht inhaltlich auseinandersetzen müssen. Hilfsweise hätte es die Beklagten bereits nach Einreichung des Schriftsatzes vom 21. Januar 2000 zu einer Zuordnung auffordern können und müssen (§ 139 ZPO); diese wäre dann rechtzeitig vor der Berufungsverhandlung am 1. März 2000 erfolgt.

III.

Das Berufungsgericht hat das Vorbringen in den Schriftsätzen der Beklagten vom 21. Januar 2000 [Bl. 203 bis 223 Akte OLG Bd. II] und vom 22. Februar 2000 [Bl. 235 bis 259 Akte OLG Bd. II] verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt.

1. Das Vorbringen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 21. Januar 2000 war schon nicht im Sinne von § 296 Abs. 2 ZPO grob nachlässig verspätet. In diesem Schriftsatz haben die Beklagten ein erstinstanzliches Vorbringen aus ihrem Schriftsatz vom 26. Juni 1996 [Akte LG Bd. I Bl. 179 f] wieder aufgegriffen, daß sie an verschiedene Gläubiger des Klägers Beträge von zusammen 13.095,97 DM und 51.244,79 DM gezahlt hätten. Der Schriftsatz vom 21. Januar 2000 wird wie folgt eingeleitet: "... können wir nunmehr dem Gericht mitteilen, daß bei Umbauarbeiten die seit Jahren von den Beklagten gesuchten Unterlagen zufällig in einem Karton aufgefunden werden konnten. Die nunmehr in Besitz befindlichen Unterlagen belegen zweifelsfrei, ... daß die Beklagten die ... erbrachten Auslagen für den Kläger bestritten haben".

Diese Ausführungen sind geeignet, eine Verspätung der Beklagten mit der Vorlage der Unterlagen genügend zu entschuldigen. Das Berufungsgericht geht darauf nicht ein.

Zeugen hatten die Beklagten bereits im Schriftsatz vom 21. Januar 2000 für ihre Behauptungen benannt. Zwar sind die überreichten Belege dem Beklagtenvertreter in der Sitzung vom 21. Januar 2000 mit der Auflage zurückgegeben worden, Kopien für den Kläger einzureichen [Sitzungsniederschrift Bl. 199 Akte OLG Bd. II]. Sie wurden daraufhin mit dem am 22. Februar eingegangenen Schriftsatz vom 18. Februar 2000, also eine Woche vor dem Verhandlungstermin des Berufungsgerichts, wieder eingereicht. Das Berufungsgericht hat deshalb gegen §§ 282, 286 ZPO verstoßen, indem es die Urkunden nicht berücksichtigt hat. Entgegen seiner Auffassung waren die eingereichten Unterlagen auch ohne weiteres nachvollziehbar. Sie sind im Anlagenhefter 2 des Oberlandesgerichts im wesentlichen in derselben Reihenfolge eingeheftet, in welcher die unter Beweis gestellten Tatsachen mit dem zugrundeliegenden Schriftsatz in den Prozeß eingeführt worden sind. Es kommt deshalb nicht mehr entscheidend darauf an, daß das Oberlandesgericht den Beklagten durch einen Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 ZPO vor dem Verhandlungstermin hätte Gelegenheit geben müssen, die Belege den einzelnen Stellen im Schriftsatz zuzuordnen, wenn es dies für erforderlich hielt.

2. Mit Schriftsätzen vom 18. und 22. (eingegangen am 22. bzw. 24.) Februar 2000 haben die Beklagten noch weitere Leistungen für den Kläger in Höhe von insgesamt 110.746 DM behauptet und dafür auch Belege vorgelegt [Bl. 229, 245 ff Akte OLG Bd. II mit Anlagenhefter 2]. Ehe das Berufungsgericht dieses - nicht näher entschuldigte - Vorbringen gemäß § 527 i.V.m. § 296 Abs. 1 und 4 ZPO a.F. hätte zurückweisen dürfen, hätte es dem Kläger eine Frist zur Erklärung im einzelnen gemäß § 138 Abs. 2, § 283 Satz 1 ZPO einräumen müssen. Die pauschale Verspätungsrüge des Klägers in dessen Telefax vom 28. Februar 2000 genügte nicht. Denn der Kläger war an einzelnen behaupteten Leistungen selbst beteiligt, so daß er sich dazu auch näher hätte erklären müssen. Insbesondere hätte er hierbei auf die vorgelegten Urkunden eingehen müssen, um das Vorbringen der Beklagten in substantiierter Form bestreiten zu können. Als Ergebnis dieser Anhörung hätte das Oberlandesgericht einen nicht substantiiert bestrittenen Teil (§ 138 Abs. 3 ZPO) der Zahlungen als Erfüllungsleistungen der Beklagten gelten lassen müssen; nur einen substantiiert bestrittenen Teil des neuen Verteidigungsvorbringens hätte es als verspätet zurückweisen dürfen. Zwar hätte bei diesem prozessual gebotenen Vorgehen das Urteil nicht schon im Verhandlungstermin, sondern erst in einem späteren Verkündungstermin erlassen werden dürfen. Ein solcher zeitlicher Aufschub gilt aber nicht als Verzögerung im Sinne von § 296 ZPO a.F. (BGHZ 94, 195, 213; BGH, Urt. v. 26. April 1984 - VIII ZR 217/83, NJW 1985, 1556; BAG NJW 1989, 2213, 2214).

Indem das Berufungsgericht den Beklagten diese prozessual gebotene Möglichkeit genommen hat, ihr nachträgliches Vorbringen unstreitig stellen zu lassen, hat es deren Verfahrensrechte in unzulässiger Weise verkürzt. Dies läßt sich aus den oben zu 1 genannten Gründen nicht durch den Hinweis auf eine angeblich fehlende Zuordnung der Unterlagen zum Text des Schriftsatzes rechtfertigen, um so weniger, als der Schriftsatz selbst im einzelnen die behaupteten Zahlungen aufführte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts machen die Beklagten auch weitgehend keine Aufrechnung geltend, sondern verteidigen sich damit, daß sie auf Weisung und Rechnung des Klägers dessen Schulden bei Dritten und damit zugleich ihre eigenen Verbindlichkeiten beglichen hätten; das entspricht einem Erfüllungseinwand (vgl. § 362 Abs. 2 BGB).

Da infolge des Verfahrensfehlers des Berufungsgerichts unklar geblieben ist, wie der Kläger sich im einzelnen zum neuen Verteidigungsvorbringen erklärt hätte, ist eine Ursächlichkeit des Fehlers für das Ergebnis, zu dem das Berufungsgericht gelangt, insgesamt nicht auszuschließen.

Nach alledem kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob neben der aus den oben zu 1 genannten Gründen möglicherweise gebotenen Beweisaufnahme das neue Vorbringen in den Schriftsätzen vom 18. und 22. Februar 2000 noch eine weitergehende Verspätung verursacht hätte (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 14. Januar 1999 - VII ZR 112/97, NJW-RR 1999, 787 m.w.N.).

3. Mit Schriftsatz vom 26. Juni 1996 (S. 3) [Bl. 183 GA] hatten die Beklagten weitere Auszahlungen von 15.000 DM, 5.000 DM (am 30. November 1989) und zweimal 2.000 DM an den Kläger behauptet. Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht sich damit nicht im einzelnen auseinandersetzt (§ 286 ZPO): Der pauschale Hinweis auf eine "erstinstanzliche Beweisaufnahme" genügt nicht.

4. Schon eine Berücksichtigung der zuvor abgehandelten Einwendungen führt dazu, daß sich aus der Gesamtabrechnung des Berufungsgerichts kein Überschuß zugunsten des Klägers ergibt. Demgemäß ist das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).

Im weiteren Verfahren vor dem Berufungsgericht können die Beklagten ihre sonstigen Rügen gegen die im bisherigen Berufungsurteil enthaltene Würdigung (siehe oben II 2) weiterverfolgen. Ferner wird das Berufungsgericht seine - im einzelnen nicht fehlerfreie - Berechnung der ausgeurteilten Summe zu überprüfen haben.

Ende der Entscheidung

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