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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: IX ZR 156/06
Rechtsgebiete: ZVG, BGB


Vorschriften:

ZVG § 9
ZVG § 56
ZVG § 57
ZVG § 154
BGB § 566
Der Zwangsverwalter ist bei einer über den Zuschlag hinaus fortgesetzten Verwaltung verpflichtet, die von dem Mieter des Grundstücks für die Zeit vor dem Zuschlag vereinnahmten, aber nicht verbrauchten Nebenkostenvorauszahlungen an den Ersteher auszukehren, soweit diesem die Abrechnung der Nebenkostenvorauszahlungen und die Rückzahlung des Überschusses obliegt.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 156/06

Verkündet am: 11. Oktober 2007

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Dr. Ganter, Prof. Dr. Gehrlein, Vill und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 5. Juli 2006 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte war Zwangsverwalter eines Grundstücks, das die Klägerin durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts vom 4. Juni 2003 im Wege der Zwangsversteigerung erwarb. Die Aufhebung der Zwangsverwaltung erfolgte mit Beschluss vom 26. Juni 2003.

Der Beklagte hatte das Grundstück während der Zwangsverwaltung befristet vom 1. April 2003 bis 30. September 2003 zu einem monatlichen Mietzins von 2.500 € zuzüglich 753 € Betriebskostenvorauszahlung vermietet. Für die Monate April, Mai und anteilig Juni 2003 bis zum Zuschlagsbeschluss vereinnahmte er Betriebskostenvorauszahlungen von insgesamt 1.581,30 €. Tatsächlich fielen in diesem Zeitraum Betriebskosten in Höhe von 525,45 € an.

Die vom Beklagten für die Zeit nach dem Zuschlagsbeschluss vereinnahmten Miet- und Betriebskostenvorauszahlungen leitete er an die Klägerin weiter. Diese wies den Beklagten auf einen Auszahlungsanspruch auch in Höhe der unverbrauchten Betriebskosten für den Zeitraum bis zum Zuschlagsbeschluss hin. Der Beklagte stellte diese in die erwirtschaftete Masse aus der Zwangsverwaltung ein und kehrte die Restmasse an die Gläubigerin aus.

Die Klägerin rechnete die Betriebskostenvorauszahlungen mit dem Mieter ab und erstattete diesem das Guthaben. Sie beansprucht vom Beklagten Bezahlung der Differenz aus den Betriebskostenvorauszahlungen für die Mietzeit vom April 2003 bis zum Zuschlagsbeschluss und den in dieser Zeit tatsächlich angefallenen Betriebskosten, insgesamt 1.055,85 €.

Amtsgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis richtig entschieden.

Der Beklagte schuldet der Klägerin gemäß § 154 Satz 1 ZVG Schadensersatz, weil er die vereinnahmten, aber von ihm nicht verbrauchten Betriebskostenvorauszahlungen nicht an die Klägerin ausbezahlt, sondern an die Gläubigerin ausgekehrt hat.

1. Die Klägerin ist als Ersteherin des Grundstücks ab dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung Beteiligte im Sinne des § 154 ZVG.

a) Die h.M. nimmt an, dass der Beteiligtenbegriff des § 154 ZVG mit demjenigen in § 9 ZVG übereinstimmt (RGZ 97, 11, 12; OLG Köln ZIP 1980, 102; OLG Schleswig NJW-RR 1986, 1498; Stöber, ZVG 18. Aufl. § 154 Rn. 2.2; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung 4. Aufl. § 154 ZVG Rn. 2; Böttcher, ZVG 4. Aufl. § 154 Rn. 2; Depré/Meyer, Die Praxis der Zwangsverwaltung 4. Aufl. Rn. 631; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG 12. Aufl. § 154 Rn. 4).

b) Nach anderer Auffassung sollen in entsprechender Anwendung der Grundsätze zu § 82 KO, § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO in den Beteiligtenbegriff alle einbezogen werden, zu denen der Verwalter kraft der Zwangsverwaltung in rechtliche Beziehungen tritt, die somit in irgendeiner Weise mit dem Verfahren in Berührung kommen (OLG Hamm, ZIP 1989, 1592, 1593; Mohrbutter ZIP 1980, 169).

c) Der Senat hat diese Frage bisher offengelassen (BGHZ 109, 171, 173). Sie bedarf auch jetzt keiner Klärung. Hier geht es nur darum, ob derjenige, der das Eigentum an dem zwangsverwalteten Grundstück durch Zuschlag erwirbt, als Beteiligter im Sinne des § 154 ZVG anzusehen ist, wenn die Zwangsverwaltung über den Zuschlag hinaus fortgeführt wird. Für diesen Fall ist schon bisher anerkannt, dass der Erwerber ab dem Zeitpunkt des Zuschlags Beteiligter im Sinne des § 154 ZVG ist (BGHZ 39, 235, 241; OLG Hamm NZM 2006, 160; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1100, 1101; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO § 154 ZVG Rn. 2 a.E.; Stöber, aaO § 154 ZVG Rn. 2.5; Böttcher, aaO § 154 Rn. 2). Hieran ist festzuhalten. Ab dem Zuschlag tritt der Ersteher in Bezug auf das Grundstück in die Rechtsstellung des Schuldners ein, obwohl er das Eigentum originär und nicht als Rechtsnachfolger des Schuldners erwirbt (BGHZ 112, 59, 61; 159, 397, 400). Daher entspricht es Sinn und Funktion der Haftungsvorschrift des § 154 ZVG, dass von diesem Zeitpunkt an die berechtigten Belange des Erstehers geschützt sind, solange die Zwangsverwaltung fortdauert. Soweit der Verwalter ab diesem Zeitpunkt Pflichten nicht mehr gegenüber dem Schuldner, sondern gegenüber dem Ersteher zu erfüllen hat, mit dem keine vertraglichen Beziehungen bestehen, kann er ihm gegenüber nicht haftungsfrei sein oder lediglich nach dem Recht der unerlaubten Handlung haften (BGHZ 39, 235, 241; OLG Hamm aaO).

Der Zuschlag ist am 4. Juni 2003 erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt war die Klägerin Eigentümerin des Grundstücks (§§ 90 Abs. 1, 146 Abs. 1 ZVG). Auf den Zeitpunkt der erst später eingetretenen Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 25. Mai 2005 aaO). Die Zwangsverwaltung hat gemäß § 12 Abs. 1 ZwVerwVO (vgl. nunmehr §§ 12, 25 ZwVwV vom 19. Dezember 2003) bis zum Erlass des Aufhebungsbeschlusses vom 26. Juni 2003 fortgedauert (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung 2. Aufl. § 12 ZwVerwVO Rn. 2 f).

2. Nach Aufhebung der Zwangsverwaltung hatte der Beklagte zwar keine allgemeine Rechnungslegungspflicht gegenüber der Klägerin gemäß § 154 Sätze 2 und 3 ZVG (OLG Hamburg NJW-RR 1986, 1186; Stöber, aaO § 154 Rn. 4; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen Zwangsverwaltung 4. Aufl. § 154 ZVG Rn. 4; a.A. Muth in Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, aaO § 154 Rn. 11). Durch den Erwerb des Eigentums infolge Zuschlags ist jedoch die Klägerin ab diesem Zeitpunkt gemäß § 57 ZVG, § 566 BGB anstelle des Schuldners in das vom Beklagten abgeschlossene Mietverhältnis eingetreten (Stöber, aaO § 57 ZVG Rn. 3.4; Bub/Treier/Heile, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. Kap. II Rn. 858a; LG Berlin, WuM 1992, 9). Ab dem Zuschlag gebühren gemäß § 56 ZVG die Miete und die Betriebskostenvorauszahlungen dem Erwerber (Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO § 161 ZVG Rn. 10, 18).

Soweit der Verwalter diese Gelder bis zur Aufhebung der Zwangsverwaltung noch vereinnahmt, hat er sie an den Erwerber als den materiell Berechtigten auszukehren. Wenn nach dem Zuschlag die Nutzungen dem Erwerber gebühren, gleichwohl aber die Zwangsverwaltung noch andauert, muss sie in diesem Zeitraum für den Ersteher geführt werden (Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO 4. Aufl. § 6 ZwVwV Rn. 11). In entsprechender Anwendung von § 667 BGB hat der Verwalter das hierbei Erlangte an den Ersteher herauszugeben.

3. Der Beklagte war auch verpflichtet, die von ihm in der Zeit bis zum Zuschlag vereinnahmten, aber in dieser Zeit nicht verbrauchten Betriebskostenvorauszahlungen an die Klägerin herauszugeben, weil diese zur Abrechnung der Betriebskosten und zur Auszahlung des Überschusses aus diesem Zeitraum an den Mieter verpflichtet war. Da der Beklagte diese Pflicht schuldhaft verletzt hat und die Differenz nicht mehr als Verwalter auszahlen kann, hat er der Klägerin in dieser Höhe Schadensersatz zu leisten.

a) Nachdem die Klägerin mit dem Zuschlag anstelle des Zwangsverwaltungsschuldners in die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag eingetreten war, hatte sie nach Beendigung des Mietverhältnisses gegenüber dem Mieter die Betriebskostenvorauszahlungen abzurechnen (BGH, Urt. v. 3. Dezember 2003 - VIII ZR 168/03, NJW 2004, 851, 852; Stöber, aaO § 152 Rn. 12.9 am Ende; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht 9. Aufl. § 556 BGB Rn. 372). Der Beklagte dagegen war zur Abrechnung nicht verpflichtet, weil während der Zwangsverwaltung die Nebenkostenabrechnung nicht fällig war (vgl. BGH, Urt. v. 26. März 2003 - VIII ZR 333/02, NJW 2003, 2320, 2321). Sie war erst bei Ende des Mietverhältnisses vorzunehmen. Die Abrechnungsverpflichtung der Klägerin umfasste auch den Ausgleich des sich ergebenden Saldos, hier also die Rückzahlung des Guthabens an den Mieter (BGH, Urt. v. 26. März 2003 aaO; v. 9. März 2005 - VIII ZR 330/03, NJW-RR 2005, 1029, 1030). Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Die Klägerin ist entsprechend verfahren.

b) Der Beklagte hatte die von ihm vertraglich vereinbarten Nebenkostenvorauszahlungen der Mieterin zu vereinnahmen. Die erweiterte Beschlagnahmewirkung erfasste in der Zwangsverwaltung gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 2 ZVG auch die Miet- und Pachtforderungen. Weil Mietnebenkosten, die gesondert ausgewiesen und erhoben werden, Teil des mietvertraglichen Entgelts sind, unterfallen auch vereinbarte Vorauszahlungen der Beschlagnahme (Stöber, aaO § 148 Rn. 2.3). Der Verwalter hat deshalb auch sie einzuziehen (Stöber, aaO § 152 Rn. 12.9).

Wird das Mietverhältnis während der Zwangsverwaltung beendet, hat der Verwalter Nebenkostenvorauszahlungen abzurechnen und ein Guthaben zurückzuzahlen, auch wenn ihm die betreffenden Vorauszahlungen nicht unmittelbar zugeflossen sind (BGH, Urt. v. 26. März 2003 aaO S. 2320). Deshalb ist der Verwalter befugt, vom Zwangsverwaltungsschuldner vereinnahmte, aber nicht verbrauchte Nebenkostenvorauszahlungen herauszuverlangen.

Insoweit gilt nichts anderes als bei der Kaution, wo die entsprechende Rechtslage anerkannt ist: Auch eine Kaution unterliegt der Beschlagnahme. Sie ist deshalb vom Verwalter einzufordern, wenn sie der Mieter noch nicht bezahlt hat (BGH, Urt. v. 9. März 2005 aaO S. 1030; Stöber, aaO § 152 Rn. 12. 13c; Bub/Treier/Belz, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. Kapitel VII A Rn. 151). Sie ist - wenn die sonstigen Voraussetzungen hierfür vorliegen - von ihm zurückzuzahlen, selbst wenn sie weder vom Mieter an ihn bezahlt noch vom Schuldner an ihn herausgegeben wurde (BGH, Urt. v. 16. Juli 2003 - VIII ZR 11/03, NJW 2003, 3342, 3343; v. 9. März 2005 - VIII ZR 330/03 aaO S. 1030; v. 9. März 2005 - VIII ZR 381/03, NJW-RR 2005, 962, 963). Andererseits ist der Zwangsverwalter befugt, von dem Schuldner die Überlassung einer vor der Beschlagnahme von einem Mieter des Objekts an ihn geleisteten Mietkaution herauszuverlangen (BGH, Beschl. v. 14. April 2005 - V ZB 6/05, Rpfleger 2005, 463, 464; Stöber, aaO § 152 ZVG Rn. 12. 13c; Schmidt-Futterer/Blank, aaO vor § 535 Rn. 230, § 551 Rn. 110; Bub/Treier/Belz, aaO Kap. VII A Rn. 151).

c) Im Verhältnis zwischen Verwalter und Ersteher gilt nichts anderes, wenn die Abrechnung der Nebenkosten durch den Ersteher erfolgen muss.

Die Forderung auf Nebenkostenvorauszahlungen unterliegt zwar der Beschlagnahme. Soweit die geleisteten Vorauszahlungen nicht für tatsächlich angefallene Nebenkosten verbraucht werden, sind sie dem Mieter jedoch zurückzugewähren. Sie stehen nicht für die Kosten und die Befriedigung der Gläubiger im Zwangsverwaltungsverfahren zur Verfügung. Deshalb durfte der Beklagte diese Beträge für die Zwecke der Zwangsverwaltung nicht behalten und an die Gläubiger auskehren.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, besteht vom Zuschlag bis zur Aufhebung des Verfahrens zwischen dem Verwalter und dem Ersteher von Gesetzes wegen hinsichtlich dieser Zahlungen eine Sonderrechtsbeziehung mit treuhänderischem Charakter. Der Verwalter hat nicht verbrauchte Nebenkostenvorauszahlungen zurückzuhalten und nach Aufhebung der Zwangsverwaltung an den Ersteher herauszugeben, wenn dieser die Abrechnung vorzunehmen hat. Er selbst wird hierdurch nicht belastet; er ist in diesem Fall weder zur Abrechnung noch zur Auszahlung eines Guthabens gegenüber dem Mieter verpflichtet.

Das Berufungsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass hierdurch die Abwicklung der Zwangsverwaltung nicht erschwert wird. Der Verwalter kann im Verhältnis zum Ersteher die Nebenkostenvorauszahlungen zum Zeitpunkt des Zuschlags abrechnen, weil er lediglich den tatsächlich während der Zwangsverwaltung geleisteten Vorauszahlungen die in dieser Zeit tatsächlich für die abzurechnenden Nebenkosten erbrachten Zahlungen gegenüberstellen muss.

d) Der Beklagte hat diese Auskehrungspflicht schuldhaft verletzt. Bei sorgfältiger rechtlicher Prüfung war für ihn erkennbar, dass die vom Ersteher zurückzuzahlenden überhöhten Nebenkostenvorauszahlungen nicht für Zwecke des Zwangsverwaltungsverfahrens verbraucht, insbesondere nicht an die Gläubigerin ausgezahlt werden durften. Hierauf war er zudem von der Klägerin mit Anwaltsschreiben vor Auskehrung der Restmasse am 28. November 2003 hingewiesen worden.

Ende der Entscheidung

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