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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: IX ZR 156/07
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 43
InsO § 188
Der Insolvenzverwalter hat bei einer Abschlagsverteilung alle zur Tabelle festgestellten Forderungen uneingeschränkt zu berücksichtigen. Der Tabelleneintrag löst für den Insolvenzverwalter nur dann keine Bindungswirkung aus, wenn er gegen eine eingetragene Forderung mit einer Vollstreckungsgegenklage vorgeht.

Sofern Zahlungen von Mithaftenden des Schuldners nicht zur vollen Befriedigung eines Insolvenzgläubigers geführt haben, nimmt dieser mit dem vollen Berücksichtigungsbetrag am Insolvenzverfahren teil.


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2008

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und

die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer und Grupp

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. Juli 2007 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 4. Mai 2007 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Verwalter in dem am 1. September 2002 über das Vermögen der I. GbR (fortan: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.

Die klagende Sparkasse gewährte der Schuldnerin am 16. März 2001 zwei Darlehen in Höhe von jeweils 100.000 DM, die in mehrfacher Weise gesichert waren: Zum einen erklärten die Gesellschafter der Schuldnerin einen Schuldbeitritt; zum anderen trat die Schuldnerin durch Globalzessionsvertrag vom 13. Februar 2001 sämtliche Forderungen an die Klägerin ab; ferner wurde eine Grundschuld am Wohnhaus eines Gesellschafters bestellt; schließlich traten die Gesellschafter, die zudem Einzelbürgschaften erteilten, Lebensversicherungsansprüche an die Klägerin ab.

Die Klägerin meldete nach Insolvenzeröffnung eine Forderung in Höhe von 78.264,65 EUR zur Insolvenztabelle an. Die Forderung wurde in voller Höhe festgestellt. Nach Auskehrung eines auf Absonderungsrechte entfallenden Betrages von 9.120,44 EUR durch den Beklagten beläuft sich die Forderung der Klägerin gegenwärtig noch auf 74.390,73 EUR. Der Beklagte kündigte eine erste Abschlagsverteilung auf der Grundlage einer Insolvenzquote von 14,38 % an die Gläubiger an. Durch Schreiben vom 24. Juli 2006 lehnte der Beklagte wegen der zugunsten der Klägerin bestellten Sicherheiten ab, die Klägerin bei dieser Verteilung zu berücksichtigen.

Die Klägerin, die meint, bei der Abschlagsverteilung berücksichtigt werden zu müssen, beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Forderung der Klägerin in Höhe von 74.390,73 EUR zur Insolvenztabelle festzustellen. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der von dem erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

Das Oberlandesgericht meint, § 43 InsO stehe einer Feststellung der unstreitigen klägerischen Forderung auch in voller Höhe nicht entgegen. Aus der Tatsache, dass sie eigenständige Ansprüche gegen die Gesellschafter der Schuldnerin habe, erlange die Klägerin keinen zusätzlichen Vorteil. Der Gläubiger, dem mehrere Personen, von denen eine in Insolvenz gefallen sei, für eine Forderung hafteten, sei im Falle von Teilleistungen nicht gezwungen, in dem Insolvenzverfahren nur noch die Restforderungen zu verfolgen und auf diese Weise einen höheren Ausfall hinzunehmen. Nach dem Grundsatz der Doppelberücksichtigung könne der Gläubiger in mehreren Verfahren stets die Ausgangsforderung beanspruchen. Dies gelte auch für den Fall, dass ein Mithaftender nach Insolvenzeröffnung einen Teilbetrag zahle.

Diese Ausführungen halten im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand.

1.

Die Forderung der Klägerin in Höhe von 74.390,73 EUR durfte - wie die Revision zutreffend rügt - durch die Vordergerichte nicht zur Insolvenztabelle festgestellt werden. Wegen der bereits erfolgten Eintragung der Forderung und der damit verbundenen Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO, § 178 Abs. 3 InsO) ist die - zur Verfolgung des Rechtsschutzziels der Klägerin ohnehin ungeeignete - Klage vielmehr als unzulässig abzuweisen.

a)

Ist eine Forderung von dem Insolvenzverwalter oder einem Gläubiger bestritten worden, kann der Gläubiger gemäß § 179 Abs. 1 InsO die Feststellung gegen den Bestreitenden betreiben. Ihrer Rechtsnatur her bildet die Klage eine Feststellungsklage im Sinne des § 256 ZPO (BGH, Urt. v. 10. April 1967 - II ZR 98/65, WM 1967, 508). Wird die begehrte Feststellung getroffen, obliegt es der obsiegenden Partei, beim Insolvenzgericht die Berichtigung der Tabelle zu beantragen (§ 183 Abs. 2 InsO).

b)

Vorliegend ist jedoch unstreitig die von der Klägerin angemeldete Forderung, ohne dass der Beklagte oder ein Gläubiger Widerspruch erhoben haben, in die Tabelle eingetragen worden. Die Eintragung in die Tabelle wirkt gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern gemäß § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil (BGH, Urt. v. 21. Februar 1991 - IX ZR 133/90, ZIP 1991, 456, 457). Die mit der Eintragung verbundene Rechtskraft (§ 322 ZPO; BGH, Urt. v. 29. Mai 2008 - IX ZR 45/07, WM 2008, 1456, 1457 Rn. 12; MünchKomm-InsO/Schumacher, 2. Aufl. § 178 Rn. 59; FK-InsO/Kießner, 4. Aufl. § 178 Rn. 21) steht der Zulässigkeit der von dem Kläger erhobenen, auf das gleiche Ziel gerichteten Feststellungsklage entgegen (vgl. BGHZ 93, 287, 289 ; BGHZ 157, 47, 50 f ; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 67. Aufl. § 322 Rn. 5). Wegen Entscheidungsreife (§ 563 Abs. 3 ZPO) ist die Klage mithin als unzulässig abzuweisen.

2.

Sollte der Beklagte eine Abschlagsverteilung beabsichtigen, weist der Senat auf folgendes hin:

a)

Bei einer Abschlagsverteilung ist gemäß § 188 Satz 1 InsO ein mit der Tabelle identisches (HK-InsO/Depré, 5. Aufl. § 188 Rn. 1) Verteilungsverzeichnis zu erstellen, in das sämtliche festgestellten Forderungen - mithin hier auch diejenige der Klägerin - aufzunehmen sind (MünchKomm-InsO/Füchsl/ Weishäupl, aaO § 188 Rn. 4). Dies folgt aus der Rechtskraftwirkung der Tabelleneintragung (MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO). Der Insolvenzverwalter darf die Aufnahme nicht mit der Begründung, die Forderung sei ganz oder teilweise erloschen, verweigern (MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, aaO). Dazu ist der Verwalter nur berechtigt, wenn er gegen den Gläubiger mit einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) durchgedrungen ist (Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 188 Rn. 13; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, aaO; HK-InsO/Depré, aaO § 188 Rn. 4). Schon nach Erhebung der Vollstreckungsgegenklage ist der Insolvenzverwalter bis zur rechtskräftigen Entscheidung analog § 189 Abs. 2, § 198 InsO zu einer Zurückhaltung und Hinterlegung des betroffenen Betrages befugt (HK-InsO/Depré, aaO). Kennt er dessen Höhe nicht, hat ihm der Gläubiger auf entsprechendes Verlangen Auskunft über die Erlöse von Sicherheitenverwertungen zu erteilen. Ist er dem nachgekommen, verweigert der Verwalter gleichwohl die Aufnahme eines Gläubigers in das Verzeichnis, kann dieser mit Hilfe einer sofortigen Beschwerde (§ 194 Abs. 2 Satz 2 InsO) seine Berücksichtigung erzwingen (MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, aaO).

b)

Im gegenwärtigen Verfahrensstadium kann nicht beurteilt werden, ob der Beklagte mit Hilfe einer Vollstreckungsgegenklage eine Kürzung der auf die Klägerin entfallenden Insolvenzdividende erreichen kann.

Wird über das Vermögen mehrerer oder - wie im Streitfall - einer von mehreren Personen, die nebeneinander für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Gläubiger nach dem Grundsatz der Doppelberücksichtigung gemäß § 43 InsO bis zu seiner vollen Befriedigung in jedem Verfahren den Betrag geltend machen, den er zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zu fordern hatte (sogenannter Berücksichtigungsbetrag). Solange Zahlungen von Mithaftenden des Schuldners nicht zur vollen Befriedigung des Insolvenzgläubigers geführt haben, nimmt dieser mit dem (vollen) Berücksichtigungsbetrag am Verfahren teil. Die Insolvenzdividende ist erst zu kürzen, wenn sie zusammen mit den Teilzahlungen, die der Gläubiger von einem Mithaftenden freiwillig oder im Zwangswege erhalten hat, den Gesamtbetrag seiner Forderung übersteigt; etwaige Überzahlungen kann der Insolvenzverwalter wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern (BGH, Urt. v. 4. Oktober 1984 - IX ZR 159/83, WM 1984, 1547, 1548; RGZ 156, 271, 279). Mithin hat eine Vollstreckungsgegenklage des Beklagten erst Erfolg, wenn die Forderung der Klägerin durch Zahlungen der Mithaftenden und eine etwaige von dem Beklagten zu verteilende Dividende voll gedeckt ist (Uhlenbruck, aaO § 188 Rn. 12; FK-InsO/Kießner, aaO § 188 Rn. 12).

Ende der Entscheidung

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