Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.04.2001
Aktenzeichen: IX ZR 193/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 547
ZPO § 418 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 193/00

Verkündet am: 5. April 2001

Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Stodolkowitz, Kirchhof, Dr. Fischer und Raebel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 14. Zivilsenat in Freiburg - vom 31. März 2000 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Das Landgericht hat die auf Schadensersatzleistung wegen anwaltsvertraglicher Pflichtverletzung der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin hat die dagegen rechtzeitig eingelegte Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23. Oktober 1999 (einem Sonnabend) mit Schriftsatz ihrer zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom 25. Oktober 1999 begründet. Dieser Schriftsatz erhielt beim Oberlandesgericht den Eingangsstempel vom 26. Oktober 1999 mit dem Zusatz "Pforte". Die Klägerin hat behauptet, der Sachbearbeiter in der Kanzlei ihrer Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt Sch., habe den Schriftsatz am Montag, dem 25. Oktober 1999, in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Sie hat geltend gemacht, die Stempelung mit der Bezeichnung "Pforte" anstatt "Nachtbriefkasten" müsse auf einer Fehlfunktion des Briefkastens oder auf einer infolge anderer Umstände unrichtigen Behandlung des Schriftsatzes beruhen. Hilfsweise hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Das Berufungsgericht hat nach Einholung eidesstattlicher Versicherungen der Rechtsanwälte Sch. und Ka. sowie der Justizbediensteten M. und Kr. und nach Vernehmung dieser Personen (außer Rechtsanwalt Ka.) als Zeugen die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Der Senat hat ebenfalls Beweis erhoben durch nochmalige Vernehmung der Zeugen Sch. und M.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht hat sich auf der Grundlage der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme nicht davon überzeugen können, daß der Berufungsbegründungsschriftsatz noch am 25. Oktober 1999 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Es hat dazu ausgeführt, trotz des glaubwürdigen Eindrucks, den Rechtsanwalt Sch. hinterlassen habe, verblieben Zweifel an seiner Darstellung. Nach der Organisation der Behandlung der Eingangspost, wie sie sich aus der Schilderung der Justizbediensteten M. und Kr. ergebe, hätte der Schriftsatz, wenn er in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden wäre, den Nachtbriefkastenstempel erhalten müssen, für dessen Verwaltung der Zeuge M. zuständig sei. Daß ein in den Nachtbriefkasten eingeworfener Schriftsatz an die Pforte gelange und von dem mit der Stempelung der dort abgegebenen oder über das Landgericht eingehenden Post zuständigen Zeugen Kr. den "Pfortenstempel" erhalte, sei allenfalls dann denkbar, wenn ein solcher Schriftsatz dem für die Leerung des Nachtbriefkastens und die Stempelung mit dem allein von ihm verwalteten Nachtbriefkastenstempel zuständigen Zeugen M. auf seinem Weg in das erste Obergeschoß abhanden gekommen und sodann an die Pforte gelangt wäre. Das sei jedoch in höchstem Maße unwahrscheinlich, so daß es an einer realistischen Möglichkeit, daß der mit dem "Pfortenstempel" versehene Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin über den Nachtbriefkasten eingegangen sei, fehle.

2. Der rechtzeitige Eingang der Berufungsbegründung ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Berufung. Der gerichtliche Eingangsstempel erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO den Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs des Schriftstücks. Diese Beweiswirkung kann dadurch aufgehoben werden, daß der Gegenbeweis zur vollen Überzeugung des Gerichts geführt wird (BGH, Urt. v. 30. März 2000 - IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872, 1873 m.w.N.; vgl. auch Urt. v. 7. Juni 1990 - III ZR 216/89, NJW 1990, 2125 f für das anwaltliche Empfangsbekenntnis). Da die Zulässigkeit der Berufung zu den von Amts wegen zu prüfenden Prozeßvoraussetzungen gehört, ist sie auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, das dabei nicht an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist und selbst Beweise erheben und würdigen kann (BGHZ 4, 389, 395 f; BGH, Urt. v. 21. Juni 1976 - III ZR 22/75, NJW 1976, 1940; v. 4. November 1981 - IVb ZR 625/80, NJW 1982, 1873).

Der Senat hat sich nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme ebenso wie das Berufungsgericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugen können, daß Rechtsanwalt Sch., wie dieser wiederum ausgesagt hat, den Berufungsbegründungsschriftsatz tatsächlich am 25. Oktober 1999 in den Nachtbriefkasten eingeworfen hat. Wenn auch für sich genommen kein Grund erkennbar ist, dem Zeugen nicht zu glauben, so ist doch nach der Darstellung des Organisationsablaufs durch den Zeugen M. kein ernstlich in Betracht zu ziehender Geschehensablauf denkbar, der dazu führen könnte, daß ein in den Nachtbriefkasten eingeworfener Schriftsatz am nächsten Morgen nicht mit dem Nachtbriefkastenstempel, sondern mit dem an der Pforte verwendeten Stempel versehen wird und auf diese Weise das Eingangsdatum des nächsten Tages erhält. Wegen der Einzelheiten wird auf die zutreffenden, durch die Beweisaufnahme vor dem erkennenden Senat bestätigten Ausführungen des Berufungsgerichts Bezug genommen.

Damit bleibt es bei der Beweiswirkung des auf dem Schriftsatz angebrachten Stempelabdrucks; dessen inhaltliche Richtigkeit ist durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht widerlegt.

3. Die von der Klägerin beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt auf der Grundlage ihrer Sachdarstellung nicht in Betracht. Danach hat ihr Prozeßbevollmächtigter selbst für die Beförderung des Schriftsatzes zum Gericht gesorgt; fehlendes Verschulden für einen verspäteten Eingang ist nicht dargetan (vgl. auch BGH, Urt. v. 30. März 2000 aaO S. 1873).

Ende der Entscheidung

Zurück