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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.03.2004
Aktenzeichen: IX ZR 20/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 769 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZR 20/03

vom 11. März 2004

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Fischer, Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak am 11. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 4. Dezember 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 51.129,19 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die von einem auswärtigen Rechtsanwalt per Telefax eingereichte Drittwiderspruchsklage abgewiesen. Dagegen ist durch denselben Rechtsanwalt innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils per Telefax an das zuständige Oberlandesgericht Berufung eingelegt worden. Zwei in der Folge wiederum per Telefax gestellte Anträge auf Verlängerung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels gelangten, da zwar die richtige Postadresse des Oberlandesgerichts angegeben, aber die Faxnummer des Landgerichts gewählt worden war, zunächst dorthin, wurden aber jeweils innerhalb kürzester Zeit an das Oberlandesgericht weitergeleitet. Auch der Schriftsatz zur Begründung der Berufung ist auf diesem Wege am letzten Tage der bis zum 23. Oktober 2002 verlängerten Frist nach Dienstschluß zuerst bei dem Landgericht eingegangen. Das Oberlandesgericht erreichte dieser Schriftsatz durch erneute Übermittlung mit nunmehr berichtigter Faxnummer erst am 24. Oktober 2002. Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragte die Klägerin am Folgetage die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin im Urteil abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen, ohne die Revision zuzulassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Sie hat außerdem die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO beantragt.

II.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) besteht nicht.

Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin treffe an der Fristversäumung ein persönliches Verschulden. Es meint, durch Unterzeichnung des Schriftsatzes mit der falschen Telefaxnummer habe er auch die Verantwortung für die Richtigkeit dieser Angabe übernommen. Er habe deshalb - mit der Prüfung der anderen Formalitäten - kontrollieren müssen, ob von der Sachbearbeiterin die richtige Faxnummer in den Schriftsatzentwurf eingesetzt worden sei.

Mit dieser Auffassung schränkt das Berufungsgericht den Grundsatz ein, daß der Prozeßbevollmächtigte die ausführende Aufgabe der richtigen Telefaxübermittlung im Rahmen einer für die nötige Sicherheit sorgenden Büroorganisation ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und - wenn nötig - hinreichend überwachten Mitarbeitern überlassen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 23. März 1995 - VII ZB 19/94, BGHR ZPO § 233 Telekopie 1 im Anschluß an BGH, Beschl. v. 2. Mai 1990 - XII ZB 17/90, LM ZPO § 233 Fd Nr. 49 zur Kontrolle der Postanschrift; BAG NJW 2001, 1595, 1596).

1. Die Beschwerde entnimmt dem Inhalt des Berufungsurteils zutreffend den Rechtssatz, daß der Prozeßbevollmächtigte die Verwendung der korrekten Telefaxnummer in einer Berufungsbegründung persönlich zu überprüfen habe und dies nicht seinem Büropersonal überlassen dürfe, wenn sich die (falsche) Telefaxnummer bei Unterzeichnung bereits auf dem Schriftsatz befand. Dieser Rechtssatz weicht von den in der Beschwerdebegründung angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 23. März 1995, aaO; v. 20. Dezember 1999 - II ZB 7/99, BGHR ZPO § 233 Telekopie 2) ab. Nach diesen Entscheidungen kann die Verantwortlichkeit des Rechtsanwaltes für die Richtigkeit der Telefaxnummer nicht unterschiedlich danach bemessen werden, ob die Nummer bei Unterzeichnung bereits auf dem Schriftsatz vermerkt ist oder nachher durch das Büropersonal hinzugesetzt wird. Persönlich verantwortlich für die Verwendung der richtigen Telefaxnummer des Gerichts ist der Rechtsanwalt grundsätzlich erst dann, wenn er diese Adressatenangabe selbst in den Schriftsatz aufgenommen hat; denn dann muß die Aushändigung des Schriftsatzes an das Büropersonal in der Regel als Weisung verstanden werden, gerade diese Telefaxnummer bei der Übermittlung auch zu benutzen (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Juni 1998 - XII ZB 47/98, BGHR ZPO § 233 Telefax 1).

2. Die aufgezeigte Abweichung ist jedoch für den Streitfall nicht entscheidungserheblich und rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision (BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02, WM 2003, 992, 993; v. 7. Januar 2003 - X ZR 82/02, WM 2003, 402, 403, z.V.b. in BGHZ 153, 254).

Der Rechtsanwalt muß für eine Büroorganisation sorgen, die eine Überprüfung der per Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung einer zutreffenden Empfängernummer gewährleistet (BGH, Beschl. v. 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96, NJW 1997, 948; v. 20. Dezember 1999, aaO; v. 24. April 2002 - AnwZ 7/01, BRAK-Mitt 2002, 171; BAGE 79, 379, 382 f). Diese Kontrolle ist insbesondere dann unerläßlich, wenn - wie hier - angesichts des unmittelbar bevorstehenden Fristablaufs und der Übermittlungszeit des Telefax nach Dienstschluß nicht mehr damit gerechnet werden kann, daß eine etwaige Übermittlung an die falsche Nummer von dem tatsächlichen Empfänger noch rechtzeitig festgestellt und an den richtigen Empfänger weitergeleitet werden kann.

Die von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin angeordnete und danach durchgeführte Kontrolle des "Kommunikationsergebnisberichts" konnte keinen Hinweis auf eine falsch eingesetzte Empfängernummer geben. Sie hätte nur eine unvollständige Übermittlung nach der mitgeteilten Seitenzahl oder einen Eingabefehler bei der Telefaxnummer erkennen lassen.

Wurde die Faxnummer, wie nach der eidesstattlichen Erklärung der Bürosachbearbeiterin im vorliegenden Fall, von einem anderen Telefaxschreiben aus der Akte übernommen, so konnte es dabei leicht zu Verwechslungen kommen. Eine solche Gefahr besteht insbesondere, wenn sich der gerichtliche Schriftsatzempfänger infolge einer Verweisung des Rechtsstreits oder des Übergangs der Sache an das Rechtsmittelgericht auch in der vom Anwalt geführten Handakte im Laufe des Rechtsstreits geändert hat. Das Büropersonal muß daher für solche Fälle angewiesen werden, die angegebene Faxnummer stets noch einmal auf ihre Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Nur so kann die bekannte Fehlerquelle beherrscht werden, daß fristgebundene Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelbegründungen per Fax trotz richtiger Gerichtsadressierung weiter an das Gericht der Vorinstanz geleitet werden.

Die Klägerin hat nach § 85 Abs. 2 ZPO das in dieser Hinsicht feststehende Organisationsverschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zu vertreten. Dies war für die Fristversäumung auch ursächlich; denn nach ihrer eigenen Erklärung hat die Bürosachbearbeiterin die Richtigkeit der von ihr eingesetzten Faxnummer nicht mehr überprüft, weil sie glaubte, hierzu keinen Anlaß zu haben. Bei richtiger Organisation hätte schon die Fehlleitung des ersten Fristverlängerungsgesuchs an das Berufungsgericht verhindert werden können. Die weitere Fehlerhäufung bestätigt lediglich die Tatsache, daß es im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin an ausreichender Organisation zur Verhinderung solcher Vorkommnisse fehlte.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß ein Hinweis des Berufungsgerichts auf die falsche Faxnummer unterblieben ist. Hier fehlt es insoweit schon an einem gerichtlichen Mitverschulden, weil das Landgericht die ebenfalls fehlgeleiteten Fristverlängerungsanträge in kürzester Zeit per Telefax an das Oberlandesgericht weitergeleitet hat, ohne auf den Schriftstücken einen Eingangsstempel anzubringen. Die übergedruckte Absenderangabe in der Kopfzeile mußte beim Berufungsgericht nicht notwendig auffallen und zu einem richtigstellenden Hinweis an den Klägervertreter in bezug auf die Faxnummer führen. Keinesfalls durfte sich der Klägervertreter auf einen solchen Hinweis verlassen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist danach im Ergebnis richtig. Grundsatzfragen stellen sich in diesem Zusammenhang nicht.

III.

Mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag der Klägerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung vom 11. Februar 2004, mit dem ihr die Veräußerung hinderndes Recht vorläufig gesichert werden sollte.



Ende der Entscheidung

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