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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.07.2000
Aktenzeichen: IX ZR 206/99
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 7 |
Der Aufwendungsersatzanspruch, den eine Bank infolge ihrer Inanspruchnahme aus einer aufgrund eines Avalkredits übernommenen Bürgschaft gegen den Kunden erwirbt, unterliegt grundsätzlich der kurzen Verjährung nach § 196 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 BGB.
BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 - IX ZR 206/99 - OLG Oldenburg LG Oldenburg
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 6. Juli 2000
Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2000 durch die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Dr. Fischer und Dr. Ganter
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. November 1998 und das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 28. November 1997 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die S. GmbH (im folgenden: S. GmbH), deren Mitgeschäftsführer und Minderheitsgesellschafter der Beklagte war, war eine von der S. KG (im folgenden: S. KG) beherrschte Gesellschaft. Am 16. Mai 1989 kaufte die S. GmbH von der S. KG Anlagegegenstände für knapp 5 Mio. DM, ohne sie zu bezahlen. Durch "Kauf- und Übertragungsvertrag" vom 19. September 1989 verkaufte die S. KG, die in dem Vertrag als Alleingesellschafterin der S. GmbH bezeichnet wird - über die Entwicklung des Gesellschafterbestands ist nichts Näheres vorgetragen - ihren Geschäftsanteil an die H. GmbH. Der nicht bezifferte, nach dem Reinvermögen der S. GmbH bemessene Kaufpreis sollte nach § 4 des Vertrages mit den aus dem Kaufvertrag vom 16. Mai 1989 herrührenden Verbindlichkeiten der S. GmbH gegenüber der S. KG "verrechnet" werden. Am 25. Januar 1990 gewährte die Klägerin der S. GmbH "im Zuge der Geschäftsübernahme" zwei Avalkredite über zusammen rund 4,3 Mio. DM, von denen der eine unter anderem durch eine Höchstbetragsbürgschaft des Beklagten über 100.000 DM sowie eine 80 % des Avals abdeckende, ausdrücklich als solche bezeichnete Ausfallbürgschaft der BGI (BGI) abgesichert werden sollte. Die BGI hatte eine entsprechende Bürgschaftserklärung bereits am 11. Januar 1990 abgegeben. Der Beklagte übernahm am 25. Januar 1990 formularmäßig die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100.000 DM für "alle bestehenden und künftigen ... Ansprüche" der Klägerin gegen die S. GmbH "aus der Geschäftsverbindung". In einem maschinenschriftlichen Zusatz vom 16. Mai 1990 verzichtete er auf Rückgriffsansprüche gegenüber der BGI. In Ausführung des Avalkredits übernahm die Klägerin am 29. Januar 1990 im Auftrag der S. GmbH die auf rund 4,3 Mio. DM begrenzte Bürgschaft für deren Verbindlichkeiten gegenüber der S. KG.
Die Klägerin zahlte in den Jahren 1991 und 1992 zu Lasten der S. GmbH insgesamt 3.883.075,28 DM an die S. KG. Im Jahre 1993 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der S. GmbH. Mit Schreiben vom 30. Juni 1993 nahm die S. KG die Klägerin aus deren Bürgschaft auf Zahlung von - weiteren - 438.513,42 DM in Anspruch. Die Klägerin überwies diesen Betrag im Juli 1993 an die S. KG. Am 1. August 1993 wurde über das Vermögen der S. GmbH der Konkurs eröffnet. Die BGI zahlte am 5. November 1993 aufgrund der von ihr übernommenen Bürgschaft 1.327.938,58 DM an die Klägerin. Diese bestätigte in einer schriftlichen "Erklärung" vom selben Tage, daß in Höhe dieser Zahlung "die Forderung nebst sichernden Nebenrechten" auf die BGI übergegangen sei. In einer "Prozeßstandschafts- und Rückabtretungserklärung" vom 11./14. Februar 1997 wurde zwischen der BGI und der Klägerin folgendes vereinbart:
"... Die ... (BGI) tritt zu diesem Zweck (Geltendmachung der Bürgschaftsforderung gegen den Beklagten) die auf sie übergegangenen Ansprüche an die ... (Klägerin) ab und ermächtigt sie, die auf die ... (BGI) übergegangenen Ansprüche gegenüber dem Bürgen ... (Beklagter) im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft im eigenen Namen geltend zu machen. ..."
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Zahlung der Bürgschaftssumme von 100.000 DM nebst Zinsen. Die Vorinstanzen haben der Klage bis auf einen geringfügigen Teil des Zinsanspruchs, den das Berufungsgericht der Klägerin aberkannt hat, stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Klageabweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin könne vom Beklagten als Bürgen 20 % ihrer eigenen Bürgschaftszahlung von 438.513,42 DM, also 87.702,69 DM beanspruchen. In dieser Höhe sei ihr Rückgriffsanspruch gegen die S. GmbH durch die Zahlung der BGI, die nur 80 % dieses Anspruchs abgedeckt habe, nicht ausgeglichen worden. Die restlichen 12.297,31 DM stünden ihr auf der Grundlage des Rückgriffsanspruchs zu, der infolge der Zahlung der BGI auf diese übergegangen und sodann am 11./14. Februar 1997 an sie, die Klägerin, rückabgetreten worden sei.
Damit ist der Umfang des Streitgegenstands hinreichend bestimmt. Einer Klarstellung, inwieweit der Beklagte aus eigenem Recht der Klägerin und inwieweit er aufgrund des auf die BGI übergegangenen Rückgriffsanspruchs verurteilt worden ist, bedarf es deswegen, weil es sich bei der "Abtretung" vom 11./14. Februar 1997 nicht um eine Vollabtretung, sondern nur um eine Einziehungsermächtigung handelte. Letzteres ergibt sich daraus, daß die Klägerin lediglich ermächtigt worden ist, die auf die BGI übergegangenen Ansprüche "im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft" geltend zu machen. Die Revision nimmt die Art der Aufteilung der Klagesumme, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist, hin.
II.
1. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, die formularmäßige Bürgschaftserklärung des Beklagten genüge den Erfordernissen der inhaltlichen Bestimmtheit und der Schriftform. Daß sich die Verpflichtung des Beklagten auf sämtliche Ansprüche "aus der Geschäftsverbindung" mit der S. GmbH habe erstrecken sollen, sei unschädlich; denn es stehe fest, daß Anlaß der Bürgschaft die der Hauptschuldnerin eingeräumten Avalkredite und die aufgrund dieser Kredite übernommene eigene Bürgschaft der Klägerin gewesen seien. Deren Leistung auf diese Bürgschaftsschuld habe zur Folge gehabt, daß zum einen die Forderung der S. KG gegen die S. GmbH auf die Klägerin übergegangen sei und zum anderen diese einen entsprechenden Aufwendungsersatzanspruch gegen die S. GmbH erlangt habe. Unter beiden Gesichtspunkten habe der Beklagte für diesen Anspruch der Klägerin einzustehen. Die demgegenüber erhobene Verjährungseinrede des Beklagten sei unbegründet.
2. Die hiergegen gerichteten Revisionsangriffe haben Erfolg, soweit es um die Frage der Verjährung geht. Das Berufungsgericht hat zu der vom Beklagten gem. § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB erhobenen Verjährungseinrede ausgeführt, die der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten zugrundeliegenden Ansprüche - sei es der Klägerin, sei es der BGI - gegen die S. GmbH seien bei Erhebung der jetzigen, am 23. September 1996 eingereichten und am 4. Oktober 1996 zugestellten Klage noch nicht verjährt gewesen. Die nach § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB zu bemessende Verjährungsfrist für die Kaufpreisforderung der S. KG sei bei Überweisung der 438.513,42 DM durch die Klägerin am 5. Juli 1993 noch nicht verstrichen gewesen. Für den mit dieser Zahlung entstandenen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin gegen die S. GmbH gelte die gleiche Verjährungsfrist. Diese sei deshalb bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen.
Diese rechtliche Beurteilung ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht zutreffend. Die Rückgriffsansprüche sind verjährt.
a) Soweit die auf die Klägerin bzw. die BGI übergegangene Kaufpreisforderung der S. KG als durch die Bürgschaft des Beklagten gesicherter Anspruch in Betracht kommt, war dieser Anspruch bereits bei Klageerhebung verjährt. Der Kaufvertrag ist im Mai 1989 abgeschlossen worden. Nach § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 201 BGB ist deshalb die Verjährung der Kaufpreisforderung Ende 1993 eingetreten. Auf die Verjährung der Hauptforderung kann sich der Hauptschuldner gegenüber dem auf den Bürgen übergegangenen Anspruch auch dann berufen, wenn die Verjährungsfrist erst nach der Leistung des Bürgen abgelaufen ist (Staudinger/Horn, BGB 13. Bearb. § 774 Rdnr. 36).
b) Gegenstand der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten ist auch der sich aus dem Innenverhältnis der Klägerin zur S. GmbH ergebende Anspruch auf Erstattung des von der Klägerin als Bürgin an die S. KG gezahlten Betrages.
aa) Dieser Aufwendungsersatzanspruch beruht auf dem Avalkredit, den die Klägerin der S. KG eingeräumt hatte. Ein solcher Avalkreditvertrag ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB (BGHZ 95, 375, 380 f). Denkbar wäre freilich auch eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der GmbH gewesen, wonach diese den aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung aufzuwendenden Geldbetrag als Darlehen zur Verfügung stellte (vgl. BGH, Urt. v. 28. April 1975 - II ZR 5/74, WM 1975, 555 für den Fall einer Wechseleinlösung durch die Bank); der Rückzahlungsanspruch würde dann gemäß § 195 BGB erst in 30 Jahren verjähren. Davon kann jedoch hier auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hat der S. GmbH ausdrücklich einen "Avalkredit" zur Verfügung gestellt. Der Gebrauch dieser Bezeichnung deutet nicht auf den Abschluß eines Darlehensvertrages hin (Lwowski/Tetzlaff WM 2000, 761, 762). Daß im weiteren Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der BGI wie auch in der "Erklärung" der Klägerin vom 5. November 1993 die in der Form der Bürgschaftsübernahme erbrachte Leistung der Klägerin an die S. GmbH als "Darlehen" bezeichnet wird, reicht für die Annahme eines insoweit von vornherein zwischen der Klägerin und der S. GmbH geschlossenen Darlehensvertrages nicht aus. Für eine spätere Umwandlung des Aufwendungsersatzanspruchs in ein Darlehen bietet der Prozeßstoff keinen Anhaltspunkt.
bb) Der Erstattungsanspruch einer Bank aufgrund der Inanspruchnahme aus einer von ihr übernommenen Bürgschaft, zu der sie sich ihrem Kunden gegenüber verpflichtet hat, ist ein solcher aus der Besorgung fremder Geschäfte im Sinne des § 196 Abs. 1 Nr. 1, 7 BGB (Staudinger/Peters aaO § 196 Rdnr. 42) und verjährt deshalb nach Maßgabe des § 201 BGB in der kurzen Frist von zwei bzw. - wie hier bei Leistung für den Gewerbebetrieb des Schuldners - vier Jahren. Das wäre wegen § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB auch dann nicht anders, wenn die Aufwendungsersatzforderung in ein zwischen der Klägerin und der S. GmbH bestehendes Kontokorrentverhältnis eingestellt worden wäre, was die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten gemäß § 356 Abs. 1 HGB nicht berührt hätte (vgl. MünchKomm-BGB/Habersack, 3. Aufl. § 767 Rdnr. 13). Da der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin mit ihrer Zahlung an die S. KG im Jahre 1993 entstand, trat die Verjährung Ende 1997 und damit während des jetzigen Rechtsstreits ein. Wie der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden hat, kann sich der Bürge auch dann auf die Verjährung der verbürgten Forderung berufen, wenn sie während des gegen ihn geführten Rechtsstreits oder sogar erst nach seiner rechtskräftigen Verurteilung eintritt (BGHZ 76, 222, 225 ff; 139, 214, 216 ff; BGH, Urt. v. 5. November 1998 - IX ZR 48/98, ZIP 1999, 19, 20 f). Daran ändert auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners nichts (vgl. BGHZ 95, 375, 384 f).
Erstmals in der Revisionsinstanz hat die Klägerin mit ihrer Revisionserwiderung vorgetragen, sie habe bereits mit Schreiben vom 21. September 1993 ihre Ansprüche gegen die S. GmbH in dem über deren Vermögen eröffneten Konkursverfahren zur Tabelle angemeldet; dadurch sei die Verjährung gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB unterbrochen worden. Dieser Vortrag ist nach § 561 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Ansicht der Klägerin war das Berufungsgericht nicht gehalten, auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Verjährung gemäß § 278 Abs. 3 ZPO hinzuweisen. Das Verjährungsproblem war seit der ersten Instanz in den Schriftsätzen erörtert worden. Es war nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, die Klägerin zu fragen, ob und gegebenenfalls durch welche Maßnahmen sie die Verjährung unterbrochen habe.
Ende der Entscheidung
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