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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.11.2005
Aktenzeichen: IX ZR 208/04
Rechtsgebiete: StBerG


Vorschriften:

StBerG § 68
Die Verjährungsfrist für einen Schadensersatzanspruch gegen einen Steuerberater beginnt auch dann frühestens mit dem Zugang des dem Mandanten nachteiligen Steuerbescheids, wenn der Steuerberater in einer Steuersache eine Ausschlussfrist versäumt hat (Fortsetzung von BGH, Urt. v. 16. Oktober 2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472 ff).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 208/04

Verkündet am: 3. November 2005

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. September 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der verklagte Steuerberater betreute von Mitte 1990 bis Mitte 1995 steuerlich die Unternehmen der Firmengruppe S. - darunter die H. GmbH (künftig: GmbH) und die K. GmbH & Co KG (künftig: KG) -, die klagenden Eheleute S. sowie die inzwischen verstorbene Mutter des Klägers, die von diesem allein beerbt worden ist. Der Kläger und seine Mutter waren an der KG als Kommanditisten beteiligt.

Zwischen der KG als Organträger und der GmbH als Organgesellschaft bestand seit 1975 ein privatschriftlich abgeschlossener Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag (künftig: Vertrag), wonach die von der Organgesellschaft erwirtschafteten Verluste dem Organträger zugerechnet wurden und dessen Betriebsgewinn minderten. Anlässlich einer Betriebsprüfung in den Jahren 1998 bis 2000 wurde dem Vertrag die Anerkennung nach § 17 KStG versagt, weil der Gesellschafterbeschluss des beherrschten Unternehmens nicht - wie dies seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24. Oktober 1988 (BGHZ 105, 324, 338, 342) verlangt wird - notariell beurkundet und in das Handelsregister eingetragen worden war. Deshalb ergingen im März 2001 neue Steuerbescheide, mit denen für die Jahre 1993, 1994 und 1995 Einkommensteuer nachgefordert wurde.

Die Kläger haben ihren angeblichen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten an das zuständige Finanzamt abgetreten. Dieses hat die Kläger zur gerichtlichen und außergerichtlichen Einziehung ermächtigt. Mit der am 16. Juni 2003 eingereichten und alsbald zugestellten Klage verlangen die Kläger von dem Beklagten, im Wege des Schadensersatzes an das Finanzamt 219.885,54 € nebst Zinsen zu entrichten. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, der Schaden sei im vorliegenden Fall nicht erst mit Bekanntgabe der Steuerbescheide, sondern bereits mit dem Verstreichen der Frist - nämlich am 1. Januar 1993 - eingetreten, die der Bundesfinanzminister den betroffenen Unternehmen eingeräumt habe, um die Wirksamkeit vorhandener Organschafts- und Beherrschungsverträge im Lichte der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 zu überprüfen und erforderlichenfalls für eine zivilrechtliche - und damit auch steuerrechtliche - Wirksamkeit zu sorgen (BStBl. 1989 I 430; Abschn. 64 Abs. 1 KStR). Nach dem fruchtlosen Ablauf der Frist habe das Finanzamt keine andere Wahl mehr gehabt, als den zivilrechtlich unwirksamen Vertrag steuerlich nicht anzuerkennen. Mit dem Ablauf dieser Frist und der jeweiligen Veranlagungszeiträume sei der Schaden der Kläger somit unmittelbar und unkorrigierbar eingetreten. Drei Jahre nach dem Entstehen der Schadensersatzansprüche - also mit Ablauf der Jahre 1996, 1997 und 1998 - seien diese verjährt (§ 68 StBerG).

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Klageanspruch ist nicht nach § 68 StBerG verjährt.

1. Nach dieser Vorschrift ist Anknüpfungspunkt für den Lauf der Verjährungsfrist die Schadensentstehung, also der Zeitpunkt, zu dem der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen, eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist. Solange dagegen offen ist, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden geführt hat, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden und hat die Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen (BGHZ 119, 69, 70 f).

Wenn der Steuerberater einen fehlerhaften Rat in einer Steuersache erteilt und dieser sich in einem für den Mandanten nachteiligen Steuerbescheid niedergeschlagen hat, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage des Mandanten grundsätzlich erst mit dem Zugang des Bescheids eingetreten. Das gilt für alle Schadensfälle in Steuersachen, gleichgültig, ob die Schadensursache dazu führt, dass gegen den Mandanten ein Leistungsbescheid der Finanzbehörde ergeht oder ein Steuervorteil durch einen Feststellungs- (Grundlagen-)Bescheid versagt wird (BGHZ 119, 69, 73; 129, 386, 388; BGH, Urt. v. 29. April 1993 - IX ZR 109/92, WM 1993, 1511, 1513; v. 26. Mai 1994 - IX ZR 57/93, WM 1994, 1848 ff; v. 18. Dezember 1997 - IX ZR 180/96, WM 1998, 779, 780; v. 16. Oktober 2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474; v. 12. Februar 2004 - IX ZR 246/02, WM 2004, 2034, 2037). Von welchen tatsächlichen oder rechtlichen Umständen die dem Steuerpflichtigen ungünstige Entscheidung im Einzelfall abhängt, ist danach rechtlich unerheblich. Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, welcher Art der vom Steuerberater zu verantwortende, für den nachteiligen Steuerbescheid ursächlich gewordene Fehler ist. Der Bundesgerichtshof stellt selbst dann, wenn der Steuerberater eine Ausschlussfrist nicht beachtet und die Fristversäumung erst viele Jahre später zu einer dem Mandanten ungünstigen Steuerfestsetzung geführt hat, auf den Erlass des Bescheides ab (BGH, Urt. v. 29. April 1993 aaO; v. 16. Oktober 2003 aaO).

Diese Rechtsprechung beruht wesentlich darauf, dass es oftmals unsicher ist, ob die Finanzbehörde einen steuerlich bedeutsamen Sachverhalt aufdeckt (BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 aaO). Deshalb verschlechtert sich die Vermögenslage des Mandanten infolge einer steuerlichen Fehlberatung erst, wenn die Finanzbehörde mit dem Erlass ihres Steuerbescheids ihren Entscheidungsprozess zu Ungunsten des Steuerpflichtigen abschließt und auf diese Weise den öffentlich-rechtlichen Steueranspruch konkretisiert. Die auf den Erlass des Steuerbescheids abstellende Rechtsprechung schafft zudem Klarheit für alle Beteiligten (BGHZ 119, 69, 74). Sie schützt ferner das Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandant vor unnötigen Belastungen (BGH aaO). Bei einer Vorverlegung des Verjährungsbeginns auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestandes würden die schützwürdigen Belange des Mandanten nicht angemessen gewahrt, weil der Beratungsfehler und die dadurch ausgelösten Steuernachteile häufig erst lange nach der Beratung erkennbar werden (BGH, Urt. v. 26. Mai 1994 aaO; v. 12. Februar 2004 aaO).

Zwar ist von einem früheren Schadenseintritt und Verjährungsbeginn auszugehen, wenn der Klageanspruch auf die Empfehlung einer von vornherein nachteiligen Vermögensanlage gestützt wird, die einen Schaden schon mit der rechtlichen Bindung an das Beteiligungsobjekt auslösen kann (BGHZ 129, 386, 388; BGH, Urt. v. 26. Mai 1994 aaO S. 1849). Ferner beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs bereits mit dem von einem Steuerberater verschuldeten Verlust eines Subventionsanspruchs und nicht erst mit dem Zugang des dies aussprechenden Verwaltungsakts (BGH, Beschl. v. 28. März 1996 - IX ZR 197/95, WM 1996, 1108, 1109). Diese Fälle betreffen jedoch keine Steuersachen.

2. Die Argumentation des Berufungsgerichts gibt keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen.

a) Dass der Schaden, wie das Berufungsgericht gemeint hat, mit dem Ablauf der Frist - hier: zum verfahrensrichtigen Neuabschluss eines notleidenden Ergebnisabführungsvertrages - "unmittelbar und unkorrigierbar" eingetreten sei, ist unzutreffend. Die steuerliche Nachveranlagung ist erst nach der Betriebsprüfung durch die dadurch ausgelösten neuen Steuerbescheide erfolgt. Der Eintritt des Schadens hing noch von mehreren ungewissen Umständen ab. Zwar konnten die Verfahrensmängel nach Fristablauf rückwirkend nicht mehr beseitigt werden, falls es bei dem Erlass des Bundesfinanzministers verblieb. Es war aber schon nicht ausgeschlossen, dass die Frist verlängert werden würde, ehe es zur nächsten Betriebsprüfung kam. Außerdem hätte es sein können, dass die Betriebsprüfung unterbleibt oder die Mängel des Vertrages dabei nicht aufgedeckt werden. In allen diesen Fällen hätte der unterlassene Hinweis des Beklagten auf die Verfahrensmängel zu keinem Schaden geführt. Dass Betriebe in der hier gegebenen Größenordnung regelmäßig steuerlichen Außenprüfungen unterzogen werden, wie das Landgericht angenommen hat, ist kein tragfähiger Gesichtspunkt. Denn es kann nicht von der Größenordnung des Betriebes abhängen, wann bei ihm ein Fehler des Steuerberaters zu einem Schaden geführt hat.

b) Im vorliegenden Fall wäre unter Zugrundelegung der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht der Schadensersatzanspruch (jedenfalls zum größten Teil) bereits verjährt gewesen, als die Kläger auf den Schaden und die Person des Schädigers aufmerksam wurden. Dies wäre kein angemessenes Ergebnis.

c) Dass die Kläger - so das Landgericht - spätestens am 5. Februar 1999 Feststellungsklage gegen den Beklagten hätten erheben können, weil ihnen nunmehr der Fehler des Beklagten bekannt gewesen sei, ist für den Zeitpunkt des Schadenseintritts unerheblich. Eine Feststellungsklage kann sich auch auf die Pflicht zum Ersatz künftigen Schadens beziehen. Die Befürchtung, es werde sich künftig ein Schaden einstellen, setzt jedoch noch keine Verjährungsfrist in Lauf.

3. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der vorliegende Sachverhalt nicht mit demjenigen vergleichbar, welcher der Senatsentscheidung vom 23. Juni 2005 (IX ZR 197/01, WM 2005, 1869) zugrunde lag. Damals hatte ein Rechtsanwalt einen Fehler gemacht, der zur Folge hatte, dass durch die Ausübung eines vertraglichen Gestaltungsrechts Erfolg versprechende Ansprüche des Mandanten vereitelt wurden. Darum geht es hier nicht.

III.

Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist jedoch noch nicht zur Endentscheidung reif.

1. Allerdings haben die Vorinstanzen - rechtlich bedenkenfrei - angenommen, der Beklagte habe seine den Klägern und der verstorbenen Mutter des Klägers gegenüber bestehenden steuerlichen Beratungspflichten schuldhaft verletzt und im Falle einer zutreffenden Beratung hätten sich die Kläger beratungskonform verhalten, also einen zivilrechtlich wirksamen Vertrag geschlossen.

a) Mit Recht für unerheblich gehalten hat das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten, auf Nachfrage seines Mitarbeiters J. sei der Ergebnisabführungsvertrag nicht vorgelegt worden, weil dieser nur mit Mühe aufzufinden sei und überdies aus Kostengründen nicht geprüft werden solle. Der Beklagte musste mit der Möglichkeit rechnen, dass der Vertrag - wie damals viele dieser Art - den formalen Anforderungen des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 24. Oktober 1988 nicht genügte. Er hätte die Kläger auf die geänderte Rechtsprechung und die durch den Ministererlass gesetzte Ausschlussfrist hinweisen und ihnen so die Notwendigkeit einer Überprüfung deutlich machen müssen.

b) Die Kausalität dieser Pflichtverletzung für den Schaden wird von der Revisionserwiderung zu Unrecht bezweifelt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hätten die Kläger - falls der Beklagte sie auf die geänderte Rechtsprechung aufmerksam gemacht hätte - nicht nur den alten Vertrag herausgesucht und vorgelegt, sondern auch innerhalb der Übergangsfrist einen neuen, den geänderten Umständen Rechnung tragenden Vertrag abgeschlossen. Da gegenteilige Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind, konnte sich das Berufungsgericht hierbei auf die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens stützen (vgl. BGHZ 123, 311, 314 ff).

2. Indes hat der Beklagte vorgetragen, sein Verhalten sei für den geltend gemachten Steuerschaden nicht ursächlich, weil während des bestehenden Mandats die an dem Vertrag beteiligten Gesellschaften die Voraussetzungen des § 14 KStG - insbesondere die wirtschaftliche und finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers - nicht oder nicht mehr erfüllt hätten. Jedenfalls sei durch den Beratungsfehler des Beklagten kein Schaden in dem eingeklagten Umfang entstanden. Zu der Steuernachforderung sei es auch deshalb gekommen, weil das Finanzamt anderweitige Betriebsausgaben nicht anerkannt und sonstige Einnahmen berücksichtigt habe. Die Vorinstanzen haben sich mit diesem Vorbringen - von ihrem Standpunkt aus folgerichtig - nicht befasst. Dies wird nach der gebotenen Zurückverweisung nachzuholen sein.

Ende der Entscheidung

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