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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: IX ZR 216/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242 D
BGB § 920
BGB § 1004
a) Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergibt sich ein Anspruch, der es bei bestehender Grenzverwirrung den betroffenen Eigentümern verwehrt, den streitigen Bereich einseitig und gegen den Willen der anderen in Besitz zu nehmen.

b) Wer ein Grundstück aus vom Eigentümer abgeleiteten Recht nutzt, unterliegt aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis denselben Beschränkungen wie dieser.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 216/06

Verkündet am: 24. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer und die Richter Dr. Ganter, Prof. Dr. Gehrlein, Vill und Dr. Detlev Fischer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 2. November 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Das klagende Amt (Klägerin) verlangt von dem beklagten Verein Schadensersatz für die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung, diese sei ungerechtfertigt gewesen.

Der beklagte Verein ist Eigentümer der Flurstücke 42/05 und 42/10 der Gemarkung D. . Das angrenzende als Kreisstraße benutzte Flurstück 41/1 steht im Eigentum des Landkreises Mecklenburg-Strelitz (im Folgenden: Landkreis). Der Grenzverlauf zwischen den Grundstücken ist streitig. Durch Nutzungsvertrag vom 4. April/11. April 2000 gestattete der Landkreis der Klägerin, das Straßeneigentum für die Errichtung einer Abwasserdruckrohrleitung linksseitig zu benutzen. Am 18. März 2002 fertigte ein öffentlich bestellter Vermessungsingenieur eine Grenzniederschrift an und legte darin den Grenzverlauf fest. Auf Widerspruch des Beklagten hielt er jedoch seine Grenzniederschrift nicht aufrecht. Am 29. April 2002 teilte daraufhin die Klägerin dem Beklagten mit, die zuvor eingestellten Bauarbeiten zur Errichtung einer Pumpstation würden zum 13. Mai 2002 wieder aufgenommen. Das Pumpwerk werde direkt hinter dem Straßenbord errichtet. Hierauf beantragte der Beklagte beim Verwaltungsgericht Greifswald den Erlass einer einstweiligen Anordnung, womit der Klägerin aufgegeben werden sollte, die Aufnahme der Arbeiten zu unterlassen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 10. Mai 2002 ab.

Mit Antrag vom 14. Mai 2002 erwirkte der Beklagte beim Amtsgericht Neustrelitz mit demselben Vorbringen wie im vorausgegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Erlass einer einstweiligen Verfügung folgenden Inhalts:

"Der Antragsgegner (hier: die Klägerin) hat es zu unterlassen, auf dem Grundstück 42/5 und 42/10 Arbeiten sowie in deren Grenzbereich zum Flurstück 42/1, also dem gesamten Parkplatzbereich und zwischen den dort aufstehenden Bäumen zum Bau der Ortsentwässerung S. , hier speziell der Pumpstation S. , durchzuführen oder durchführen zu lassen."

Der Beklagte ließ die einstweilige Verfügung am 16. Mai 2002 der Klägerin zustellen. Auf Widerspruch der Klägerin hielt das Amtsgericht Neustrelitz die einstweilige Verfügung aufrecht. Im Laufe des Berufungsverfahrens erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, nachdem das klagende Amt die Pumpstation an anderer Stelle hatte errichten lassen.

Die Klägerin macht geltend, die einstweilige Verfügung sei ungerechtfertigt gewesen, wodurch ihr ein Schaden wegen Vorhaltekosten von 43.696,56 € entstanden sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision der Klägerin ist in vollem Umfang zulässig. Das Berufungsgericht hat sie zwar nach Maßgabe der Gründe zugelassen. Dort ist ausgeführt, dass sie zugelassen werde, um höchstrichterlich klären zu lassen, ob es einem betroffenen Eigentümer im Bereich einer Grenzverwirrung aufgrund des Rücksichtsnahmegebots aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis erlaubt sei, eine Teilfläche gegen den Willen der anderen betroffenen Eigentümer in Besitz zu nehmen. Zu klären sei, ob die anderen Grundstückseigentümer hiergegen eine einstweilige Verfügung erwirken und vollziehen könnten, ohne Gefahr zu laufen, sich schadensersatzpflichtig zu machen, wenn es ihnen im Schadenersatzprozess nicht gelinge nachzuweisen, dass sie Eigentümer oder Besitzer der Teilfläche (gewesen) seien.

Eine Begrenzung der Zulassung liegt in diesen Ausführungen nicht. Es ist zwar möglich, die Revision lediglich hinsichtlich eines Teils des Streitgegen-standes zuzulassen, wenn dieser Gegenstand eines Teilurteils sein oder der Revisionskläger selbst auf ihn seine Revision beschränken könnte. Dagegen kann die Revisionszulassung nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage beschränkt werden (BGH, Urt. v. 4. Juni 2003 - VIII ZR 91/02, NJW-RR 2003, 1192, 1193; v. 28. Oktober 2004 - VII ZR 18/03, BGH-Report 2005, 393; v. 3. März 2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716).

II.

Die Revision ist unbegründet. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung stand.

1. Das Berufungsgericht, dessen Urteil veröffentlicht ist in OLG-Report Rostock 2007, 86, hat angenommen, es könne dahinstehen, ob die einstweilige Verfügung schon deshalb ungerechtfertigt gewesen sei, weil der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nicht gegeben oder der Einwand der Rechtskraft oder anderweitigen Rechtshängigkeit begründet gewesen sei. Dem Betroffenen stehe jedenfalls kein nach § 945 ZPO zu beanspruchender Schadenersatzanspruch zu, wenn er ohnehin materiell-rechtlich verpflichtet gewesen sei, die ihm durch die einstweilige Verfügung untersagte Handlung zu unterlassen. Deshalb sei im Streitfall die Möglichkeit der Schadensentstehung zu verneinen. Bezüglich der von der Pumpstation betroffenen Fläche habe eine Grenzverwirrung vorgelegen. Mit der Beweisaufnahme habe sich nicht klären lassen, ob der von der Klägerin beabsichtigte Bau der Pumpstation auf den Grundstücken des Beklagten oder auf dem Straßeneigentum des Landkreises habe errichtet werden sollen.

Die Klägerin sei aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis verpflichtet gewesen, vor Auflösung der bestehenden Grenzverwirrung keine vollendeten Tatsachen zu schaffen. Zwar sei die Klägerin selbst nicht Eigentümerin der benachbarten Straßenfläche gewesen. Sie könne aber keine weitergehenden Rechte als diese haben.

2. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Nach ständiger Rechtsprechung ist in den Fällen, in denen eine einstweilige Verfügung ein auf einem Unterlassungsanspruch beruhendes Verbot zum Gegenstand hatte, die Nachprüfung der materiellen Rechtslage auch unter dem Gesichtspunkt möglich, dass dem Betroffenen durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung kein nach § 945 ZPO zu ersetzender Schaden erwachsen sein kann, wenn er ohnehin materiell-rechtlich verpflichtet gewesen wäre, die ihm durch die einstweilige Verfügung untersagte Handlung zu unterlassen (RGZ 65, 66, 68; BGHZ 15, 356, 358; 126, 368, 374; BGH, Urt. v. 28. November 1980 - I ZR 182/78, NJW 1981, 2579, 2580; v. 13. April 1989 - IX ZR 148/88, NJW 1990, 122, 125; Gero Fischer in Festschrift für Franz Merz, S. 81, 88, 90; Gehrlein MDR 2000, 687, 688 f; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 945 Rn. 14 c).

b) Dem Beklagten stand gegen die Klägerin ein Anspruch auf Unterlassung der Errichtung der Pumpstation an der zunächst geplanten Stelle zu. Die Klägerin kann deshalb einen Schaden nicht geltend machen. Ob der Unterlassungsanspruch privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, kann dahinstehen.

aa) Für die Abgrenzung der bürgerlich-rechtlichen von der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ist - wenn wie hier eine gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt - entscheidend die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch bzw. der Verfügungsanspruch abgeleitet wird. Es ist zu fragen, durch welche Rechtssätze der Sachverhalt entscheidend geprägt wird und welche Rechtssätze für die Beurteilung des Klagebegehrens oder Verfügungsbegehrens in Anspruch genommen werden können (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, BGHZ 97, 312, 313; derselbe, BGHZ 102, 280, 283; Zöller/Gummer, aaO § 13 GVG Rn. 19). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (Gemeinsamer Senat, aaO). Maßgebend ist dabei der Gegenstand der Streitigkeit. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Beklagten war hier auf das Eigentum an dem von der Klägerin in Anspruch genommenen Grundstück bzw. das nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnis gestützt. Deshalb ist auf die Rechtsnatur dieses Anspruchs abzustellen. Maßgebend ist dabei, ob der Parteivortrag - seine Richtigkeit unterstellt - Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergibt, für die die Zuständigkeit der Zivilgerichte oder der Verwaltungsgerichte besteht (Gemeinsamer Senat, BGHZ 102, 280, 284). Die Pumpstation war eine Maßnahme der Daseinsvorsorge und stand in einem öffentlich-rechtlichen Planungszusammenhang (vgl. hierzu etwa BVerwG, NJW 1974, 817 m.w.N.). Maßgebend wäre, ob die - unterstellte - Eigentumsbeeinträchtigung durch die beabsichtigte Maßnahme als Eingriff dem öffentlichen Recht angehört hätte (BVerwGE 50, 282, 286; BVerwG, NJW 1974, 817, 818).

Nach dem Vortrag der Parteien war im Kern über den tatsächlichen Grenzverlauf gestritten worden. Die Klägerin machte geltend, dass die Pumpstation ausschließlich auf dem Straßengrundstück hätte errichtet werden sollen. Demgegenüber vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die Pumpstation jedenfalls teilweise auch auf seinen Grundstücken gelegen hätte. Maßgebend war danach, auf wessen Grundstück das Bauwerk tatsächlich errichtet werden sollte. Ob diese Frage im vorliegenden Fall nach zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu beurteilen ist, ist im Ergebnis unerheblich und bedarf deshalb keiner Entscheidung.

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich hinsichtlich der fraglichen Flächen ein exakter Grenzverlauf nicht bestimmen lassen. Es war also möglich, dass die Pumpstation auf dem Grundstück des Landkreises oder auf den Grundstücken des Beklagten gelegen hätte. Diese Grenzverwirrung war beiden Parteien aufgrund des Ortstermins zur Grenzniederschrift bekannt.

Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist entgegen der Auffassung der Revision nicht unzureichend. Es hat festgestellt, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen die feststehenden Grenzpunkte zwar den äußeren Verlauf der Straßenkurve betrafen, dass aber auch im streitgegenständlichen Bereich Ungenauigkeiten von ca. 2 Meter nicht hätten geklärt werden können. Die Rüge der Revision, die Ausführungen des Sachverständigen, wie sie im Sitzungsprotokoll festgehalten seien, könnten auch in verschiedener anderer Weise interpretiert werden, das Berufungsgericht habe sich eigenen technischen Sachverstand angemaßt, wenn es den Sachverständigen in der ausgeführten Weise verstehe, greift nicht durch. Die Feststellungen des Berufungsgerichts beruhen auf der Einschätzung des Sachverständigen. Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor. Dass sich das Berufungsgericht über Ausführungen des Sachverständigen hinweggesetzt hätte, zeigt die Revision nicht auf. Sie würdigt den Inhalt des Protokolls über die Aussage des Sachverständigen anders und setzt damit lediglich eine eigene Beweiswürdigung anstelle derjenigen des Berufungsgerichts.

cc) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ein Anspruch ergibt, wonach es bei bestehender Grenzverwirrung gemäß § 920 BGB den betroffenen Eigentümern verwehrt ist, den streitigen Bereich einseitig und gegen den Willen der anderen in Besitz zu nehmen. Eine gegenteilige Wertung würde zu einem Wettlauf um den Besitz an dem fraglichen Bereich führen, um im Rahmen der Auflösung der Grenzverwirrung in den Vorteil der Abgrenzung nach dem Besitzstand gemäß § 920 BGB zu gelangen. Diese Beurteilung ist zutreffend. Sie gilt unabhängig davon, ob es sich um eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt.

(1) Die zivilrechtlichen Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff BGB und die Bestimmungen der Nachbargesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anwendbar; daraus folgt für den Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfasst. Eine solche Pflicht ist zwar mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzlichen Regelungen hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte aber ganz oder teilweise unzulässig werden (BGHZ 28, 110, 114; 42, 374, 377; 58, 149, 157; 68, 350, 353; 88, 344, 351; 113, 384, 389; 148, 261, 267 f; BGH, Urt. v. 7. Juli 1995 - V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634; v. 23. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392, v. 11. Juli 2003 - V ZR 199/02, NJW-RR 2003, 1313, 1314).

Ein solcher Aufnahmefall liegt hier vor. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es ein billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen im Falle der erkannten Grenzverwirrung gebietet, dass keiner der Nachbarn auf dem fraglichen Gebiet vollendete Tatsachen schafft und den Besitz an sich reisst, um so eine Abgrenzung nach der Regelung des § 920 Abs. 1 Satz 1 BGB zu erreichen. Bei erkannter Grenzverwirrung haben die Nachbarn deshalb zuzuwarten, bis die Grenze neu gezogen ist.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war den Parteien der Zustand der Grenzverwirrung spätestens ab dem Zeitpunkt bekannt, als der Sachverständige an dem Ergebnis der Grenzniederschrift vom 18. März 2002 nicht mehr festgehalten hatte. Die eine Woche später erfolgte Ankündigung der Klägerin, ohne weitere Verhandlungen nunmehr vollendete Tatsachen zu schaffen, verstieß gegen das aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis fließende Rücksichtnahmegebot. Die Klägerin kündigte somit eine rechtswidrige Maßnahme an, gegen die der Beklagte einen Unterlassungsanspruch hatte.

(2) Ist das Verhältnis zwischen den Parteien als öffentlich-rechtlich zu beurteilen, ergibt sich nichts anderes. Dann hatte der Beklagte einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schützt das öffentliche Recht das Eigentum nicht minder als das private Recht. Es gewährt ebenfalls Abwehr- und Beseitigungsrechte, die öffentlich-rechtliche Ansprüche aus Eigentum sind (vgl. BVerwGE 50, 282, 286; 81, 197, 199). Dabei ist unerheblich, ob Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, die §§ 1004, 906 BGB analog oder gar ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch Grundlage sind. Der Maßstab führt im öffentlich-rechtlichen Nachbarschaftsverhältnis zum selben Ergebnis wie der nach §§ 906, 1004 BGB im privatrechtlichen Nachbarschaftsverhältnis (BVerwGE 81, 197, 200). Auch das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ist im öffentlichen Recht eine anerkannte Rechtsfigur (vgl. z.B. BVerwGE 78, 85, 88; 91, 92, 97; BVerwG, BauR 1988, 332, 333; 1991, 597, 598; 2003, 1031, 1032). Die Wertung im Einzelfall fällt im öffentlichen Recht vorliegend nicht anders aus als im Zivilrecht: Auch eine Behörde darf in Fällen der vorliegenden Art nicht ohne gesicherte Grundlage mit rein tatsächlichem Handeln vollendete Tatsachen herbeiführen, um sich bei der Abgrenzung nach § 920 BGB Vorteile durch den Besitzstand zu verschaffen.

dd) An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass die Klägerin nicht einmal Eigentümerin des Grundstücks war, das sie bebauen wollte, nachdem der Landkreis als Eigentümer ihr dies gestattet hatte.

(1) Die Rechte der Klägerin, die aus dem Eigentum an dem Straßengrundstück abgeleitet waren, konnten naturgemäß nicht weiter gehen als die Rechte des Grundstückseigentümers selbst. Bestand diesem gegenüber ein Unterlassungsanspruch, galt dies auch in der Rechtsbeziehung zur Klägerin. Die Rüge der Revision, die Klägerin habe nicht dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis unterlegen, weil sie nicht Eigentümerin gewesen sei, verkennt dies.

(2) Davon abgesehen setzt die Anwendbarkeit der Grundsätze über das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis nicht zwingend das Eigentum des Nachbarn an dem betroffenen Grundstück voraus. Von ihm werden auch schuldrechtlich berechtigte Grundstücksnutzer erfasst.

Nachbarrechtliche Pflichten betreffen allgemein nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht allein die Grundstückseigentümer, sondern auch den Benutzer (§ 906 BGB), den Besitzer (§ 908 i.V.m. §§ 836 f BGB; § 910 BGB), den Gebäudeunterhaltspflichtigen (§ 908 i.V.m. § 838 BGB) oder den Nutzungsberechtigten (§ 917 BGB; hieraus ergibt sich auch eine Duldungspflicht zu seinen Lasten, vgl. etwa Palandt/Bassenge, BGB 67. Aufl. § 917 Rn. 8). Für das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis gilt nichts anderes. Auch hier ist der Besitzer oder Nutzungsberechtigte eines Grundstücks den genannten Beschränkungen unterworfen, jedenfalls dann, wenn sie auch für den Eigentümer bei gleicher Nutzung gelten würden.

Ende der Entscheidung

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