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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.09.2005
Aktenzeichen: IX ZR 221/01
Rechtsgebiete: GmbHG
Vorschriften:
GmbHG § 47 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 22. September 2005
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 19. Juli 2001 und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 21. Februar 2001 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der H. GmbH (fortan: GmbH) und Inhaber eines Einzelunternehmens, das als Besitzunternehmen an die GmbH verpachtet war. Mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 1995 übertrug er 90 % der GmbH-Anteile an seinen Sohn. Mit diesem zusammen gründete er außerdem eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (fortan: GbR), in die er sein Einzelunternehmen einbrachte und an der sein Sohn zu 90 % und er selbst zu 10 % beteiligt war. Geschäftsführung und Vertretung standen allein dem Sohn des Klägers zu, der sich aber hinsichtlich aller Maßnahmen, die über die laufenden Geschäfte hinausgingen, intern mit dem Kläger abzustimmen hatte. Schließlich übertrug der Kläger das im Grundbuch von A. auf Blatt 862 eingetragene Betriebsgrundstück unentgeltlich auf seinen Sohn, behielt sich aber den Nießbrauch daran vor. Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1997 stellte sich das zuständige Finanzamt auf den Standpunkt, mit der Abtretung der GmbH-Anteile, der Gründung der GbR und der Übertragung des Betriebsgrundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt sei die Betriebsaufspaltung beendet worden. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1997 wurden gegen die Kläger - gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute - wegen eines zu versteuernden Aufgabegewinns von 844.560 DM zusätzliche Einkommen- und Kirchensteuer sowie ein zusätzlicher Solidaritätszuschlag von insgesamt 240.941,87 DM festgesetzt. Auf den Einspruch der Kläger hin wurde die Vollziehung des Bescheides ausgesetzt.
Die Kläger werfen dem Beklagten vor, ihnen nicht den sichersten Weg zur Erreichung der von ihnen angestrebten Ziele vorgeschlagen und sie insbesondere nicht auf die Gefahr hingewiesen zu haben, dass die Verträge vom 27. Dezember 1995 das Ende der Betriebsaufspaltung und die Auflösung stiller Reserven bedeuten könnten. Sie haben die Feststellung beantragt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihnen den Schaden zu ersetzen, der ihnen in Form von zusätzlicher Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Umsatzsteuer entstanden sei. Die Vorinstanzen haben der Klage im jetzt noch streitigen Umfang - hinsichtlich der erhöhten Einkommen- und Kirchensteuer sowie des erhöhten Solidarzuschlags - stattgegeben. Kurz nach Verkündigung des Berufungsurteils ist der Steuerbescheid vom 22. Dezember 1997 aufgehoben worden. Die Kläger haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragen, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen. Mit seiner Revision verfolgt er seinen ursprünglichen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.
I.
Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung ist als Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses - des Erlasses des Änderungsbescheides - auszulegen.
II.
Die Klage war von Anfang unbegründet, weil dem Beklagten objektiv keine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe nicht den sichersten Weg zu dem von den Klägern erstrebten steuerlichen Ziel aufgezeigt und keine sachgerechten Vorschläge zu dessen Verwirklichung unterbreitet. Durch die Übertragung der GmbH-Anteile, die Gründung der GbR und die Übertragung des Betriebsgrundstücks gegen einen Nießbrauchsvorbehalt sei die Gefahr begründet worden, dass die für eine echte Betriebsaufspaltung erforderliche Beherrschungsidentität zwischen der Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft entfalle; denn der Sohn der Kläger als Mehrheitsgesellschafter der Betriebsgesellschaft habe wegen des Nießbrauchsrechts nicht ohne Absprache mit dem Kläger über das der Besitzgesellschaft zuzuordnende Betriebsgrundstück verfügen können.
2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der - mittlerweile geänderte - Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 1995 vom 22. Dezember 1997 war unrichtig, ohne dass der Beklagte mit einer solchen Entscheidung rechnen und Vorsorge gegen sie treffen musste. Die Übertragung der GmbH-Anteile, die Gründung der GbR und die Übereignung des Betriebsgrundstücks unter Vorbehalt eines Nießbrauchs am 27. Dezember 1995 beendeten die Betriebsaufspaltung nicht.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (grundlegend BFHE 103, 440 ff) ist eine Betriebsaufspaltung anzunehmen, wenn ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen in zwei der Rechtsform nach verschiedene Betriebe gegliedert ist, der Betriebsgesellschaft wesentliche Grundlagen ihres Betriebes von dem Besitzunternehmen überlassen werden (sachliche Verflechtung) und die hinter dem Besitzunternehmen stehenden Personen ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchsetzen können (personelle Verflechtung).
b) Am Vorliegen einer sachlichen Verflechtung hat weder die Finanzverwaltung noch eine der Parteien des jetzigen Prozesses Zweifel geäußert. Das Betriebsgrundstück stellte eine wesentliche Grundlage des Betriebs der GmbH dar.
c) Die ebenfalls erforderliche personelle Verflechtung war schon deshalb anzunehmen, weil der Kläger und sein Sohn im gleichen Verhältnis an der Besitz- und an der Betriebsgesellschaft beteiligt waren. In einem solchen Fall der Beteiligungsidentität tritt der Umstand, dass Besitz- und Betriebsunternehmen von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen getragen werden, besonders deutlich hervor (BFHE 103, 440, 444; 165, 420, 421; 191, 295, 297; Schmidt/Wacker, EStG 24. Aufl. § 15 Rn. 820; Herrmann/Heuer/Raupach/Gluth, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz § 15 EStG Rn. 796). Tatsachen, welche die Vermutung der Gleichrichtung der Interessen der beiden Gesellschafter widerlegen könnten (vgl. dazu Gluth, aaO), sind weder vorgetragen noch aus den sonstigen Umständen des Falles ersichtlich. Im Gegenteil: Alle hier maßgeblichen Verträge wurden am 27. Dezember 1995 geschlossen. Die GbR bildete zusammen mit der GmbH eine bewusst gestaltete Doppelgesellschaft, die eine zwischen den Gesellschaftern abgestimmte Willensbildung erforderte; es war damit vom Vorliegen und der tatsächlichen Maßgeblichkeit gleichgerichteter Interessen auszugehen.
d) Überdies hätte selbst dann eine ausreichende personelle Verflechtung beider Gesellschaften angenommen werden müssen, wenn die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Beherrschungsidentität bei nicht personengleichen Gesellschaften anzuwenden gewesen wären.
aa) Beherrschungsidentität bedeutet, dass eine Person oder Personengruppe in der Lage ist, in beiden Gesellschaften ihren Willen durchzusetzen. Maßgeblich sind die den Gesellschaftern zustehenden Stimmrechte.
bb) Das zuständige Finanzamt hat - wie sich aus dem Bericht über die Betriebsprüfung ergibt - zunächst für ausschlaggebend gehalten, dass der Mehrheitsgesellschafter der Betriebs-GmbH infolge des Vorbehaltsnießbrauchs von der Ausübung der üblichen Eigentumsrechte an dem Betriebsgrundstück ausgeschlossen gewesen sei. Die Geschäftsführungsbefugnis des Mehrheitsgesellschafters nach § 5 des Gesellschaftsvertrages der Besitzgesellschaft umfasse nicht die Verwaltung und Nutzung der wesentlichen Betriebsgrundlage, sondern sei auf den laufenden Geschäftsverkehr beschränkt.
cc) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs reicht jedoch aus, dass Beherrschungsidentität in Bezug auf die Geschäfte des täglichen Lebens besteht (BFHE 145, 401, 406; 171, 490, 491; 181, 284, 287; 187, 570, 572; ausf. Kempermann, GmbHR 2005, 317 ff). Das war hier der Fall. Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vom 27. Dezember 1995 zwischen dem Kläger und seinem Sohn war allein der Sohn der Kläger zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet (Abs. 1). Nur solche Geschäftsführungsmaßnahmen, die über die laufenden Geschäfte hinausgingen, waren im Innenverhältnis mit dem Kläger abzustimmen (Abs. 2). Im Übrigen war der Sohn des Klägers allein geschäftsführungs- und vertretungsbefugt und damit in der Lage, seinen geschäftlichen Willen in der GbR durchzusetzen. Gleiches galt gemäß § 47 GmbHG auch für die GmbH, in der er über die Mehrheit der Anteile verfügte.
e) Wer Eigentümer des Betriebsgrundstücks oder Inhaber des Nießbrauchs an diesem war, war für die Frage der personellen Verflechtung der Besitz- und der Betriebsgesellschaft ohne Bedeutung. Die GbR konnte der Betriebsgesellschaft auch solche Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen, die nicht in ihrem Eigentum standen.
III.
Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, hat der Senat selbst eine Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist insgesamt abzuweisen.
Ende der Entscheidung
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