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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: IX ZR 222/06
Rechtsgebiete: StBerG
Vorschriften:
StBerG § 68 a.F. |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 29. Mai 2008
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 7. November 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte, ihre Steuerberaterin, wegen fehlerhafter Abführung von Beiträgen zur Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch.
Die Klägerin betreibt ein Reisebüro. Gesellschafter und Geschäftsführer sind S. und F. Z. . Die verklagte Steuerberaterin war seit 1991 mit der Klägerin im Dauermandat verbunden. Sie führte auch die Lohnbuchhaltung aus. Daneben war sie ständig in privaten Steuerangelegenheiten für die Gesellschafter und Geschäftsführer tätig.
Aufgrund Gesellschaftsvertrags vom 30. April 1984 hielten S. Z. 49 % und F. Z. 51 % der Geschäftsanteile. Die Beklagte meldete S. Z. für die Zeit ab 1. Mai 1984 als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin der Klägerin und veranlasste die Abführung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Sie erteilte keine Hinweise zur Frage der Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführerin.
Nachdem die LVA Brandenburg bei der Klägerin im Zuge einer Betriebsprüfung mit Bescheid vom 16. Oktober 2003 festgestellt hatte, dass die Geschäftsführerin nicht als Arbeitnehmerin im Sinne der Sozialversicherung einzuordnen sei, beantragte die Klägerin am 2. Juni 2004 die Rückerstattung der gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bei der Agentur für Arbeit. Mit Bescheid vom 28. Februar 2005 stellte diese fest, dass seit 1. Mai 1984 die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden seien; wegen der Beiträge bis zum 30. November 1999 in Höhe von 18.441,86 € berief sie sich auf Verjährung. Die später abgeführten Beiträge erstattete sie. Der Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid wurde am 23. Mai 2005 zurückgewiesen.
Die Klägerin meint, die Beklagte habe sie auf die fehlende Versicherungspflicht oder auf eine insoweit erforderliche Rechtsberatung hinweisen müssen und dadurch ihre Pflicht aus dem Steuerberatervertrag schuldhaft verletzt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie wegen Verjährung abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klageforderung zutreffend als verjährt angesehen.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klageforderung sei nach § 68 StBerG verjährt. Der Schadensersatzanspruch sei im Mai 1984 mit Anmeldung der Geschäftsführerin der Klägerin als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin bei der Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge entstanden.
Der entstandene Schaden sei als einheitliches Ganzes aufzufassen, für den eine einheitliche Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe, als der erste Schaden entstanden sei. Dies sei mit der Zahlung des ersten Sozialversicherungsbeitrages, welche spätestens am 10. Juni 1984 für Mai 1984 erfolgt sei, der Fall gewesen. Damals habe nicht lediglich ein Schadensrisiko bestanden. Deshalb sei nicht auf den Bescheid abzustellen, in dem die LVA die fehlende Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführerin festgestellt habe. Diese habe vielmehr von Anfang an nicht bestanden. Durch eine Rückzahlung der zu Unrecht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge habe lediglich der bereits eingetretene Schaden wieder beseitigt werden können. Deshalb habe die Ermessensentscheidung der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Erhebung der Verjährungseinrede keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährung gehabt.
Auf eine sekundäre Pflichtverletzung der Beklagten komme es nicht an. Die Beklagte habe erst nach Eintritt der Primärverjährung Kenntnis von ihrer Pflichtverletzung erlangt, nämlich durch den Bescheid vom 16. Oktober 2003. Zuvor habe sie den Fehler nicht erkennen können und müssen, zumal Betriebsprüfungen in den Jahren 1996 und 1999 keinerlei Beanstandungen ergeben hätten.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Die dagegen erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch.
1. Das Berufungsgericht hat auf die Verjährung die mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 aufgehobene Vorschrift des § 68 StBerG angewendet. Dies ist zutreffend, weil die Verjährung vor dem 15. Dezember 2004 eingetreten ist (Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1, 3 EGBGB).
2. Das Berufungsgericht geht weiter zutreffend davon aus, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerin mit der Anmeldung der Tätigkeit der Geschäftsführerin bei der Einzugsstelle als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, spätestens mit Zahlung des ersten Sozialversicherungsbeitrages am 10. Juni 1984, entstanden ist, und dass damit die Verjährungsfrist des § 68 StBerG zu laufen begonnen hatte. Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass ein Schaden (erst) dann entstanden ist, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtwidrigkeit des Beraters gegenüber seinem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt, dass der Schaden dem Grunde nach erwachsen ist, mag auch die Höhe noch nicht beziffert werden können. Es muss nicht feststehen, dass eine Vermögenseinbuße bestehen bleibt und damit endgültig wird (BGHZ 114, 150, 152 f; 119, 69, 70 ff; BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 - IX ZR 246/02, WM 2004, 2034, 2037; Beschl. v. 29. März 2007 - IX ZR 102/05, Rn. 2 n.V.). Ist dagegen - objektiv betrachtet - noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so dass die Verjährungsfrist noch nicht in Lauf gesetzt wird (BGHZ 119, 69, 71; BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 aaO). Unkenntnis des Schadens und des Ersatzanspruchs hindern den Verjährungsbeginn nach § 68 StBerG nicht (BGHZ 114, 150, 151; BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 aaO).
b) Bei dem Anspruch des Sozialversicherungsträgers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich - wie bei der Erfüllung eines Steuertatbestandes (§ 38 AO) - um eine abstrakte gesetzliche Abgabenschuld (vgl. § 22 Abs. 1 SGB IV). Sie bedarf allerdings für den Regelfall - anders als die Steuererhebung nach den §§ 218, 155 AO - keines Feststellungsbescheides, weil Grund und Höhe der Beitragspflicht von dem Arbeitgeber leicht festgestellt werden können (BGH, Urt. v. 23. September 2004 - IX ZR 148/03, ZIP 2004, 2192). Der Arbeitgeber hat selbständig die entsprechenden Meldungen an die Einzugsstelle zu erstatten und den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an diese abzuführen (vgl. § 28a, § 28e SGB IV; zum entsprechenden früheren, mehrfach geänderten Recht vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, vor § 28a SGB IV Rn. 2 ff; Hauck/Haines/Sehnert, SGB IV, Vorbemerkung zu den §§ 28a bis 28r Rn. 1 ff).
c) Regelmäßig beginnt die Verjährung des vertraglichen Ersatzanspruches gegen den Steuerberater zwar erst mit der Bekanntgabe eines schadensbegründenden Steuerbescheides; auf die Unanfechtbarkeit kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (BGHZ 119, 69, 73; 129, 386, 389; BGH, Urt. v. 10. Januar 2008 - IX ZR 53/06, WM 2008, 613, 614 Rn. 7; v. 7. Februar 2008 - IX ZR 198/06, Rn. 14).
Diese Rechtsprechung hat der Senat übertragen auf die Fälle, in denen nicht erfüllte Beitragsansprüche zur Sozialversicherung durch die Einzugsstellen (§ 28b Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB IV) oder die prüfungspflichtigen Rentenversicherungsträger (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV) zur Durchsetzung gegen den Arbeitgeber mit Bescheid festgesetzt werden. In diesen Fällen bestehen vor Erlass der Bescheide, mit denen noch zu zahlende Beiträge festgesetzt werden, ähnliche Unsicherheiten wie vor der belastenden Konkretisierung eines Steuerschuldverhältnisses durch Steuerbescheid (BGH, Urt. v. 23. September 2004 aaO).
Solche Ungewissheit hinsichtlich des entstandenen Schadens bestand im vorliegenden Fall aber nicht. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass auch im Falle bereits abgeführter Sozialversicherungsbeiträge Unsicherheiten bestehen oder eintreten können, ob die zurunde liegenden Ansprüche berechtigt waren. Dies betrifft aber die Frage, ob der bereits eingetretene Schaden später wieder entfällt. Dies ist, wie oben ausgeführt, für den Beginn der Verjährung unerheblich (vgl. auch BGHZ 114, 150, 152 f).
Bei der vergleichbaren Selbstveranlagung zur Umsatzsteuer beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs gegen den mitwirkenden Steuerberater mit der Einreichung der Steueranmeldung beim Finanzamt (BGH, Urt. v. 14. Juli 2005 - IX ZR 284/01, WM 2005, 2106, 2107). Für den Fall der Meldung sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer und der entsprechenden Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen muss entsprechendes gelten mit der Maßgabe, dass die Verjährung jedenfalls mit der ersten Beitragszahlung beginnt.
d) Ein erster Schaden der Klägerin ist spätestens mit Zahlung des ersten Beitrages an den Sozialversicherungsträger entstanden. Darin lag für das Vermögen der Schuldnerin nicht lediglich ein risikobegründender Umstand. Vielmehr war damit bereits eine reale Minderung des Vermögens der Klägerin eingetreten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich um einen einheitlichen Schaden, weil die Beklagte die Geschäftsführerin für die Klägerin als sozialversicherungspflichtig gemeldet hat und sie sodann fortlaufend als sozialversicherungspflichtig geführt wurde mit der Folge entsprechender monatlicher Beitragszahlung. Dies ist zutreffend und wird von der Revision nicht in Frage gestellt.
Da die Verjährungsfrist demgemäß spätestens am 10. Juni 1984 zu laufen begonnen hat, ist sie am 10. Juni 1987 abgelaufen.
3. Die Klägerin macht nicht geltend, dass die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt Veranlassung gehabt habe zu überprüfen, ob sie durch einen Fehler die Klägerin geschädigt hat. Ein Sekundäranspruch kommt deshalb nicht in Betracht (vgl. hierzu im Einzelnen BGHZ 83, 17, 26 f; 114, 150, 158; 129, 386, 391; BGH, Teilurteil v. 29. Juni 2006 - IX ZR 227/02 n.V.).
Ein Sekundäranspruch wäre im Übrigen nach weiteren drei Jahren ebenfalls verjährt, also am 10. Juni 1990, und damit lange vor Klageeinreichung am 13. Oktober 2005.
Ende der Entscheidung
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