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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: IX ZR 255/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 675
ZPO § 287 Abs. 1

Entscheidung wurde am 17.05.2004 korrigiert: unter IV. 3. wurde das Wort Unmöglichkeit durch Möglichkeit ersetzt
Wird das Prozeßziel wegen eines Anwaltsfehlers verfehlt, besteht der Vermögensschaden des Mandanten, wenn er den erstrebten Titel nicht hätte durchsetzen wollen, nicht im Verlust der klageweise geltend gemachten Forderung.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 255/00

Verkündet am: 18. März 2004

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Fischer, Dr. Ganter, Kayser und Vill

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 31. Mai 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die chronisch asthmakranke, in Großbritannien wohnhafte Klägerin hielt sich am 7. Oktober 1990 zu Besuch bei ihrer Tochter in Berlin auf. Diese lebte in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit dem Zahnarzt H. zusammen, dem das Asthmaleiden der Klägerin bekannt war. Als die Klägerin Kopfschmerzen befielen, erbat ihre Tochter von H. für ihre Mutter ein Schmerzmittel, welches frei von Acetylsäure sei. H. verwies auf das in seiner Hausapotheke vorrätig gehaltene Medikament Novalgin, wobei er übersah, daß es für Asthmatiker kontraindiziert ist, was sich auch aus dem Beipackzettel des Herstellers ergab. Nach Einnahme der Novalgin-Tropfen fiel die Klägerin ins Koma und war bis zum 22. Oktober 1990 ohne Bewußtsein. Bis zum 12. Januar 1991 wurde sie stationär behandelt. Ihre Gesundheit ist bislang nicht vollständig wiederhergestellt.

Spätestens im März 1992 nahm die Klägerin H. auf Schadensersatz in Anspruch. Mit Schreiben vom 20. März 1992 meldete sich dessen Haftpflichtversicherer und erbat eine nähere Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen. Dazu kam es zunächst nicht.

Im Mai 1992 wandte sich die Klägerin über ihre englischen Rechtsanwälte an den Beklagten und beauftragte ihn mit der Durchsetzung der Schadensersatzansprüche. Der genaue Gegenstand des Mandats ist zwischen den Parteien streitig. Mit zwei Schreiben vom 11. Januar 1993 und vom 10. Mai 1993 machte die Klägerin gegen H. - gestützt auf eine fehlerhafte zahnärztliche Behandlung - Ersatz eines zunächst nicht bezifferten Vermögensschadens sowie Schmerzensgeld geltend. Unter Bezugnahme hierauf und die mit den englischen Anwälten geführte Vorkorrespondenz wiederholte der Versicherer mit Schreiben vom 25. Mai 1993 seine Bitte um Vervollständigung des Sachverhalts und Übersendung entsprechender Unterlagen. Dem kam der Beklagte mit Schreiben vom 4. April 1995 nach, in welchem er die Ansprüche der Klägerin einschließlich einer Schmerzensgeldforderung von 165.000 DM auf insgesamt 674.718,12 DM bezifferte. Weitere Aktivitäten, insbesondere solche zur Verjährungsunterbrechung, entfaltete er nicht.

Mit Schreiben vom 31. Juli 1996 an H. zeigte Rechtsanwalt R. an, daß das Mandat des Beklagten beendet sei und nunmehr er die Klägerin vertrete. Unter dem 30. August 1996 teilte der Versicherer diesem mit, daß er den Anspruch der Klägerin "unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 852 BGB" für verjährt halte und den Ausgleich der geltend gemachten Forderungen ablehne.

Eine am 19. Juni 1997 auf Veranlassung von Rechtsanwalt R. eingereichte Klage gegen H. wies das Landgericht Berlin mit Urteil vom 18. Juni 1998 ab. Vertragliche Ansprüche seien nicht gegeben, weil die Herausgabe der Novalgin-Tropfen nicht im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung gestanden habe. Etwaige Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung seien jedenfalls verjährt (§ 852 BGB). In jenem Rechtsstreit hatte die Klägerin dem Beklagten den Streit verkündet; dieser war dem Rechtsstreit auf seiten des verklagten H. beigetreten.

Nach dem Prozeßverlust hat die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil er die begründeten Forderungen habe verjähren lassen. Das Landgericht hat den Zahlungsanträgen teilweise, nämlich in Höhe von 103.721,20 DM, davon 100.000 DM Schmerzensgeld, sowie der begehrten Feststellung der Schadensersatzpflicht für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden stattgegeben. Mit der Berufung hat die Klägerin die Zuerkennung eines weiteren materiellen Schadensersatzes von 60.109,83 DM erreicht. Die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Klage erstrebte, blieb erfolglos. Mit der vom Senat angenommenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es zum Nachteil des Beklagten erkannt hat, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat auf das Vertragsverhältnis der Parteien gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB deutsches Recht angewandt, weil die Tätigkeit des Beklagten in Berlin die charakteristische Leistung darstelle, die Ansprüche gegen H. somit nach deutschem Recht zu beurteilen und in Deutschland durchzusetzen gewesen seien. Diese Begründung trifft zu und wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

II.

Ohne Erfolg rügt die Revision, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine schuldhaft begangene Pflichtverletzung des Beklagten angenommen.

1. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, daß der Klägerin gegen H. ein deliktischer Schadensersatzanspruch zustand, weil er in Kenntnis der Asthmaerkrankung der Klägerin dieser - ohne ärztliche Verordnung - ein rezeptpflichtiges Kopfschmerzmittel aus seiner privaten Hausapotheke empfahl, welches für Asthmakranke kontraindiziert ist. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.

2. Das Berufungsgericht meint, der dem Beklagten zeitlich mit der Erteilung der schriftlichen Vollmacht in Sachen "P. ./. H. " vom 5. Januar 1993 erteilte Auftrag, die Interessen der Klägerin gegen H. bis hin zur Klageerhebung wahrzunehmen, sei nicht darauf beschränkt gewesen, nur den Versicherer in Anspruch zu nehmen. Mangels eines Direktanspruchs entsprechend § 3 Abs. 3 PflVG habe nur H. selbst Anspruchsgegner sein können. Dies habe der Beklagte auch erkannt. Folgerichtig habe er schon mit Schreiben vom 12. Oktober 1992 bei den englischen Rechtsanwälten der Klägerin nachgefragt, ob das Einverständnis bestehe, gegen H. selbst vorzugehen. Die (zustimmende) Antwort der Klägerin habe in der übersandten Prozeßvollmacht gelegen.

Diese - weitgehend tatrichterliche - Beurteilung des Geschehens ist rechtlich zutreffend. Auch sie nimmt die Revision hin.

3. Der Revision kann nicht zugestimmt werden, soweit sie meint, gleichwohl fehle es an einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten.

a) Diese liegt nach Auffassung des Berufungsgerichts darin, daß der Beklagte entgegen seiner eigenen Klageandrohung im Schreiben vom 10. Mai 1993 nichts unternommen habe, um den aus seiner Sicht allein erfolgversprechenden deliktischen Anspruch rechtzeitig vor dem Eintritt der Verjährung im Oktober 1993 zu unterbrechen. Angesichts der kurzen Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. habe der Beklagte nicht bis zum 4. April 1995 untätig bleiben dürfen. Dies gelte gerade im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten im Regreßverfahren, die Unterbreitung eines Sachverhalts im Vorprozeß, der auf einen vertraglichen Anspruch hinauslaufe, sei in wesentlichen Teilen frei erfunden gewesen. Selbst wenn der Beklagte angenommen hätte, daß der Lauf der Verjährung ab Zugang des ersten Schreibens der A. vom 20. März 1992, jedenfalls jedoch ab Zugang des Fragebogens an ihn selbst im Mai 1993, nach § 852 Abs. 2 BGB a.F. gehemmt gewesen wäre, hätte er das Verjährungsrisiko erkennen und den für die Klägerin risikolosesten Weg einschlagen müssen.

b) Gegen diese Begründung bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Der Beklagte hat pflichtwidrig gehandelt, indem er die Klägerin nicht in die Lage versetzte, der von H. später erhobenen Verjährungseinrede erfolgreich entgegenzutreten. Nach dem festgestellten Sachverhalt war der Beklagte beauftragt, die Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen H. geltend zu machen. Da er vertraglich verpflichtet war, vermeidbare Nachteile für seine Auftraggeberin zu verhindern, hatte er deren Ansprüche vor deren Verjährung zu sichern (vgl. BGH, Urt. v. 17. Juni 1993 - IX ZR 206/92, NJW 1993, 2797 f). Wann die Ansprüche auf Ersatz des materiellen und des immateriellen Schadens verjährten, war bei objektiver Betrachtung unklar. In dem für die Klägerin ungünstigsten Fall war diese jedenfalls Ende September 1993 noch nicht eingetreten (vgl. § 852 Abs. 1 BGB a.F.). Der Beklagte hätte deshalb vor diesem Zeitpunkt Maßnahmen treffen müssen, die auch in diesem Fall verhinderten, daß seine Auftraggeberin einen Nachteil erlitt.

aa) Aufgrund der Interventionswirkung des im Vorprozeß ergangenen Urteils des Landgerichts Berlin vom 18. Juni 1998 steht nach § 74 Abs. 3 i.V.m. § 68 ZPO im Verhältnis zum Beklagten fest, daß jener Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen hat, richtig entschieden ist und deshalb der regelmäßigen 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. unterliegende vertragliche Ansprüche nicht bestanden.

(1) Die Interventionswirkung kommt nicht nur dem Entscheidungsausspruch, sondern auch den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen zu, auf denen das Urteil im Vorprozeß beruht (BGHZ 85, 252, 255; ständig, zuletzt Beschl. v. 27. November 2003 - V ZB 43/03, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Dies gilt indes nicht für Feststellungen des Erstgerichts, auf denen sein Urteil nicht beruht (sogenannte überschießende Feststellungen, vgl. BGH, Beschl. v. 27. November 2003, aaO; MünchKomm-ZPO/Schilken, 2. Aufl., § 68 Rn. 15; Musielak/Weth, ZPO 3. Aufl. § 68 Rn. 4; Zöller/Vollkommer, ZPO 24. Aufl. § 68 Rn. 9). Die Nebeninterventionswirkungen treffen auch den nicht beitretenden Streitverkündungsempfänger, weil er die Möglichkeit hat, auf den Rechtsstreit Einfluß zu nehmen. Einer Interventionswirkung steht schließlich nicht entgegen, daß der Streitverkündete - wie hier - nicht dem Streitverkünder beigetreten ist. Bei einem Beitritt des Streitverkündeten auf seiten des Prozeßgegners des Streitverkünders tritt die Interventionswirkung in gleicher Weise ein wie bei unterlassenem Beitritt (BGHZ 85, 252, 255; 103, 275, 278; Musielak/Weth, aaO § 74 Rn. 3).

(2) Hier ist die Interventionswirkung zum einen insoweit eingetreten, als das Landgericht im Vorprozeß Ansprüche der Klägerin aus Verletzung eines zahnärztlichen Behandlungsvertrages verneint hat, weil die Parteien einen solchen Vertrag nicht geschlossen hätten und die Herausgabe des Schmerzmittels ihrem privaten Bereich zuzurechnen sei. Sie erstreckt sich auch auf die hierzu festgestellten tatsächlichen Grundlagen, also auch den Geschehensablauf, wie er in der damaligen mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Berlin unstreitig geworden ist.

Darüber hinaus ergreift die Interventionswirkung als aus objektiver Sicht tragendes Entscheidungselement die Annahme der Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche der Klägerin aus unerlaubter Handlung. Hierzu gehören als tragende tatsächliche und rechtliche Grundlagen die für die Berechnung der dreijährigen Verjährungsfrist maßgeblichen Umstände, wie der Fristbeginn am 22. Oktober 1990, der Fristablauf am 22. Oktober 1993 und das Fehlen von verjährungshemmenden oder verjährungsunterbrechenden Tatsachen.

bb) Ob der Beklagte seine anwaltlichen Pflichten schuldhaft verletzte, weil er die Verjährung vor dem 22. Oktober 1993 nicht unterbrach, hat das Landgericht im Vorprozeß dagegen nicht entschieden. Dies kann jedoch im vorliegenden Regreßprozeß nicht mit Erfolg in Frage gestellt werden, weil der Beklagte schon mit Schreiben an die englischen Rechtsanwälte vom 12. Oktober 1992 und vom 16. Oktober 1992 zumindest erhebliche Zweifel geäußert hat, ob aufgrund des ihm geschilderten Geschehensablaufs von einer zahnärztlichen Behandlung ausgegangen werden könne. Wegen seiner Pflicht, vermeidbare Risiken für seine Auftraggeberin auszuschließen, hätte er deshalb von vornherein in Betracht ziehen müssen, daß sich das zur Entscheidung berufene Gericht der seiner Mandantin ungünstigen Beurteilung anschloß und vertragliche Ansprüche verneinte. Er hätte daher verhindern müssen, daß die Klägerin für diesen Fall einen Nachteil erlitt (vgl. BGH, Urt. v. 17. Juni 1993, aaO S. 2798). Dies galt im übrigen auch im Hinblick auf die verfolgten Schmerzensgeldansprüche.

Der Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung durch das Berufungsgericht steht auch nicht entgegen, daß nach objektiver Rechtslage die Verjährung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen H. möglicherweise in der Zeit zwischen der Übersendung des Fragebogens durch den Versicherer bis zur Zurückweisung der Ansprüche nach § 852 Abs. 2 BGB a.F. gehemmt gewesen ist. Da im Vorprozeß Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz nicht festgestellt wurden, muß sich der Beklagte im Regreßprozeß hieran festhalten lassen. Er kann nicht mit der Behauptung gehört werden, daß die Klägerin im Vorprozeß die tatsächlichen Voraussetzungen der Hemmung der Verjährung nicht hinreichend vorgetragen habe (vgl. § 74 Abs. 2 i.V.m. § 68 ZPO). Die Auffassung der Revision, tragendes Entscheidungselement der Vorentscheidung sei nur der Eintritt der Verjährung, dem Beklagten sei deshalb nur der Einwand abgeschnitten, der Klägerin sei kein Schaden entstanden, während die Pflichtverletzung des Beklagten aufgrund der objektiven Rechtslage zu beurteilen sei, verkennt die Reichweite der Interventionswirkung. Sie beschränkt sich nicht auf den Streitgegenstand des Vorprozesses, sondern umfaßt alle (dort entscheidungserheblichen) tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen (vgl. BGH, Beschl. v. 27. November 2003, aaO; Musielak/Weth, aaO § 68 Rn. 4).

Schließlich ist unerheblich, daß sich die Verjährungsfragen bei einem anderen Begründungsansatz des Erstgerichts möglicherweise nicht gestellt hätten. Da der Empfänger einer Streitverkündung auch damit rechnen muß, daß sich das Erstgericht für einen Begründungsansatz entscheidet, den er nicht für richtig hält, war die für die Berechnung der Verjährung maßgebliche tatsächliche Grundlage - einschließlich der Abwesenheit von Hemmungstatbeständen - entscheidungserheblich und nimmt deshalb an der Bindungswirkung des § 68 ZPO teil (vgl. BGH, Beschl. v. 27. November 2003, aaO).

III.

Dagegen ist der Revision Recht zu geben, soweit sie die Ursächlichkeit des Eintritts der Verjährung der gegen H. gerichteten Ansprüche für einen dadurch der Klägerin entstandenen Schaden in Zweifel zieht.

1. Der Ersatzpflichtige hat nach § 249 Satz 1 BGB den Zustand herzustellen, der ohne seine Pflichtverletzung bestünde. Deshalb ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem (vertragsgemäßem) Verhalten des anwaltlichen Beraters genommen hätten, insbesondere wie der Mandant darauf reagiert hätte, und wie dessen Vermögenslage dann wäre. Die Ursächlichkeit einer von dem anwaltlichen Berater begangenen Pflichtverletzung für einen dadurch angeblich entstandenen Schaden gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis die in § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen gelten (BGH, Urt. v. 30. März 2000 - IX ZR 59/99, WM 2000, 1351, 1352; v. 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02, NJW 2004, 444 f). Deshalb reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit, daß ein Schaden entstanden sei, für die richterliche Überzeugungsbildung aus (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 2001 - IX ZR 64/01, WM 2001, 2455, 2458; v. 23. Oktober 2003, aaO S. 445).

2. Das Berufungsgericht hat den Schaden der Klägerin und die haftungsausfüllende Kausalität allein damit begründet, die Klägerin könne ihre Ansprüche wegen des Fehlverhaltens des Beklagten nicht durchsetzen; einer erneuten Inanspruchnahme des Schädigers stehe - falls bei objektiver Betrachtung keine Verjährung eingetreten sei - die Rechtskraft des im Vorprozeß ergangenen Urteils entgegen. Diese Erwägungen tragen nicht.

a) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung gemäß § 287 ZPO übersehen, daß ein Mandant, der infolge eines Anwaltsversehens eine Forderung verliert, einen Schaden im Rechtssinn nur erleidet, wenn er bei sachgerechtem Vorgehen des Rechtsanwalts Leistungen erhalten hätte. Trifft dies nicht zu, ist die verlorene Forderung wertlos. In einem solchen Fall kommt die Verurteilung des Rechtsanwalts auf Zahlung von Schadensersatz ebensowenig in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 30. Oktober 1984 - IX ZR 6/84, VersR 1985, 83, 85; v. 19. September 1985 - IX ZR 138/84, ZIP 1985, 1503, 1506; v. 5. November 1992 - IX ZR 12/92, WM 1993, 382, 383; Zugehör/Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1092) wie der Ausspruch einer umfassenden Feststellung. Ein Verfehlen des Prozeßziels löst nicht nur dann keinen Vermögensschaden aus, wenn die Forderung wegen Vermögenslosigkeit des in Anspruch Genommenen nicht hätte durchgesetzt werden können. Der Uneinbringlichkeit wegen Zahlungsunfähigkeit ist der Fall gleichzustellen, daß der Mandant den erfolglos erstrebten Titel von vornherein nicht durchsetzen wollte, sondern für andere Zwecke erstrebte (vgl. BGH, Urt. v. 30. Oktober 1984, aaO S. 85). In einem solchen Fall besteht der durch den Anwaltsfehler verursachte Schaden jedenfalls nicht in dem Verlust der im Ausgangsprozeß klageweise geltend gemachten Forderung.

b) Obwohl der Sach- und Streitstand Veranlassung bietet, hat der Tatrichter hierzu im Rahmen der ihm nach § 287 ZPO obliegenden Schadensermittlung Überlegungen nicht angestellt, was die Revision mit Recht rügt.

aa) Der Beklagte hatte in den Tatsacheninstanzen wiederholt vortragen lassen, die Klägerin habe das private Vermögen des H. wegen der persönlichen Beziehungen nicht gefährden und daher nur gegen ihn vorgehen wollen, falls er Deckungsschutz durch den Berufshaftpflichtversicherer erhalte. Er hat seine Behauptung durch die Vorlage der Kopie eines Besprechungsvermerks vom 5. Januar 1993 belegt. Die Klägerin ist dem zwar entgegengetreten und hat geltend gemacht, es sei keinesfalls so, daß sie von vornherein ihre Schadensersatzansprüche ausschließlich gegen den Berufshaftpflichtversicherer habe durchsetzen wollen. Schon in der Klageschrift hat sie zudem auf ihre Schriftsätze im Vorprozeß verwiesen. Dort hatte sie vortragen lassen, sie sei, wenn der Haftpflichtversicherer nicht zahle, in jedem Fall gezwungen, die Ansprüche des Beklagten gegen dessen Versicherer zu pfänden und sich überweisen zu lassen (S. 4 des Schriftsatzes vom 5. Februar 1998). Beweis für ihre Behauptungen hat sie indes nicht angeboten.

Das Berufungsgericht hat sogar selbst ausdrücklich offengelassen, ob die Klägerin die Absicht verfolgt habe, sich aus dem privaten Vermögen des Lebensgefährten ihrer Tochter schadlos zu halten, oder ob sie sich mit dem Erwerb des Titels nur eine "Vollstreckungsoption" habe sichern wollen. Bestand allein hierin das Prozeßziel, liegt der Schaden nicht in dem ausgeurteilten Schadensbetrag von 163.831,03 DM, von dem der überwiegende Teil zudem auf den Ersatz eines immateriellen Schadens entfällt.

bb) Im Hinblick auf die festgestellten persönlichen Beziehungen zwischen den Parteien des Vorprozesses besteht auch kein Erfahrungssatz dahin, daß aus dem Verfehlen des Prozeßziels ein Vermögensschaden in Höhe des im Vorprozeß eingeklagten Betrages folgt (vgl. BGH, Urt. v. 30. Oktober 1984, aaO S. 85).

IV.

1. Das Berufungsurteil kann deshalb, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). In diesem Umfang ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). Notwendige Feststellungen zur haftungsausfüllenden Kausalität fehlen.

2. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

a) Das Berufungsgericht wird feststellen müssen, ob der Anspruch der Klägerin gegen H. durch dessen Haftpflichtversicherung gedeckt war, wie in der Revisionserwiderung ausgeführt wird. Der Deckungsschutz ist nach § 287 ZPO von der Klägerin zu beweisen. Sollte die Versicherung eintrittspflichtig gewesen sein, spricht schon der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß die Klägerin auf diese Ansprüche zugegriffen hätte.

Bestand keine eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung, so gibt die Zurückverweisung der Klägerin Gelegenheit, ihren Vortrag, sie hätte H. auch dann gerichtlich in Anspruch genommen und aus seinem Vermögen Befriedigung gesucht, zu ergänzen und unter Beweis zu stellen.

b) Sollte es bei einer Haftung des Beklagten verbleiben, gibt die Zurückverweisung dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, die Höhe des durch den Prozeßverlust abgeschnittenen Schmerzensgeldanspruchs - soweit dieser noch Gegenstand des wiederholten Berufungsverfahrens ist - neu zu bemessen. In diesem Zusammenhang weist die Revision zutreffend darauf hin, daß zu Lasten des Beklagten nur unstreitige oder - gegebenenfalls auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - bewiesene Umstände Berücksichtigung finden können.

3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. Gebrauch.



Ende der Entscheidung

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