Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.06.2002
Aktenzeichen: IX ZR 26/01
Rechtsgebiete: ZVG


Vorschriften:

ZVG § 57 c Abs. 1 Nr. 2
a) Eine Beschränkung des Kündigungsrechts kommt nicht in Betracht, wenn die Beiträge bei wirtschaftlicher Betrachtung ihren Ursprung nicht im Vermögen des Mieters oder Pächters haben. Gleiches gilt, wenn sie nicht dazu gedient haben, den Wert des Grundstücks zu erhöhen.

b) Für die Herkunft und die Verwendung der Mittel trägt der Mieter oder Pächter die Beweislast.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZR 26/01

vom

13. Juni 2002

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Fischer, Dr. Ganter, Raebel und Kayser

am 13. Juni 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Kosten der Revisionsinstanz tragen die Parteien je zur Hälfte. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert für die Revisionsinstanz wird bis zum 28. März 2002 auf (250.000 DM =) 127.822,97 €, für die Zeit danach auf (100.000 DM =) 51.129,19 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine durch Grundschulden gesicherte Gläubigerin, hat mit der vorliegenden Klage von der Beklagten, der gewerblichen Zwischenmieterin des Grundstücks, begehrt, daß diese in dem anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren ihre Anmeldungen nach §§ 57 c, 57 d ZVG widerrufe und es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes unterlasse, diese Mieterrechte erneut anzumelden. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. In der Revisionsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.

II.

Die Anträge der Parteien führen zur Kostenteilung (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).

1. Eine Erledigung der Hauptsache kann auch noch im Revisionsrechtszug erklärt werden (BGHZ 106, 359, 366; 123, 264, 265), und zwar auch außerhalb der mündlichen Verhandlung (vgl. § 91 a Abs. 1 Satz 2 i.d.F. des Rechtspflegeänderungsgesetzes vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S. 2847). Die Erledigungserklärung der Beklagten konnte auch - wie hier geschehen - von ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten abgegeben werden, weil die Erklärungen auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen können, § 91 a Abs. 1 Satz 1 a.F. i.V.m. § 78 Abs. 3 ZPO (BGHZ 123, 264, 266).

2. Ist der Rechtsstreit danach durch übereinstimmende Erklärungen erledigt, hat der Senat unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Das Verfahren gemäß § 91 a ZPO dient nicht der Klärung schwieriger Rechtsfragen grundsätzlicher Art (BGHZ 67, 343, 345 f; BGH, Beschl. v. 16. November 1999 - KVR 10/98, BB 2000, 482 f). Kommt es für die Verteilung der Kosten auf die Erfolgsaussichten des Hauptbegehrens an, werden diese im Rahmen der Kostenentscheidung nur summarisch geprüft.

Die danach gebotene begrenzte Sachprüfung ergibt, daß die Revision der Klägerin voraussichtlich zur Aufhebung und Zurückverweisung geführt hätte, wobei das Endergebnis des Rechtsstreits offen ist.

a) Der Schutz des Mieters oder Pächters durch § 57 c ZVG beruht letztlich auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (BGH, Urt. v. 30. März 1989 - IX ZR 276/88, WM 1989, 866, 867). Die Sonderstellung des Mieters oder Pächters gegenüber dem Grundpfandgläubiger nach dieser Vorschrift ist dadurch zu rechtfertigen, daß durch die tatsächlichen Leistungen des Mieters oder Pächters ein Sachwert geschaffen worden ist, der dem Ersteher später in der Form höherer Mieteinnahmen zugute kommt. Wirtschaftlich betrachtet beruht die Wertsteigerung des Grundstücks in den Fällen des § 57 c ZVG auf Leistungen des Mieters oder Pächters, die an sich vom früheren Eigentümer und Vollstreckungsschuldner hätten aufgebracht werden müssen (BGH aaO). Demzufolge setzt die Bestimmung unter anderem voraus, daß der Mieter oder Pächter vor Durchführung der Instandsetzung tatsächlich Beiträge zur Schaffung oder Instandsetzung des Miet- oder Pachtobjekts erbracht hat (vgl. BGH, aaO sowie Urt. v. 21. Dezember 1989 - IX ZR 234/88, WM 1990, 695, 698), und zwar - bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise - aus seinem eigenen Vermögen (BGH, Urt. v. 30. März 1989 aaO). Dafür ist im Zivilprozeß der Mieter oder Pächter beweispflichtig, weil er aus diesen Tatsachen ihm günstige Rechtsfolgen herleiten will (vgl. BGH, Urt. v. 25. November 1958 - VIII ZR 151/57, WM 1959, 120, 122; Mohrbutter/Radtke/Tiedemann, Die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis 7. Aufl. Bd. 1 § 57 c Anm. 4). Mangelt es an einer dieser Voraussetzungen, etwa weil der Ursprung der Mittel nicht im Vermögen des Mieters oder Pächters liegt oder die Aufwendungen nicht dazu gedient haben, den Wert des Grundstücks zu erhöhen, würde es Sinn und Zweck des § 57 c ZVG verfehlen, wenn der Mieter oder Pächter sich gleichwohl auf diese Leistungen berufen könnte (BGH, Urt. v. 30. März 1989 aaO; noch offengelassen von BGH, Urt. v. 25. November 1958 aaO S. 121; ähnlich OLG Hamm MDR 1987, 1034). Die ältere abweichende obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Stuttgart MDR 1954, 621 f), die allerdings im Schrifttum teilweise auf Zustimmung gestoßen ist (vgl. Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG 12. Aufl. § 57 c Rn. 9 f; Steiner/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung 9. Aufl. § 57 c Rn. 62; Zeller/Stöber, ZVG 16. Aufl. § 57 c Rn. 2 zu 2.3), ist danach überholt.

b) Im vorliegenden Fall läßt sich nach dem Akteninhalt nicht feststellen, ob und in welchem Umfang mit dem angeblich am 1. April 1997 an den Vermieter gezahlten Betrag von 250.000 DM die von diesem noch zu erbringenden Ausbau- und Umbauarbeiten in den zur Vermietung herzustellenden Räumlichkeiten fortgeführt worden sind. Das Berufungsgericht hat es sogar als unstreitig angesehen, daß der Vermieter den Betrag jedenfalls nicht in voller Höhe dazu verwandt hat, die ihm nach § 9 des gewerblichen Zwischenmietvertrages vom 20./21. Dezember 1996 obliegenden Arbeiten durchführen zu lassen. Das angefochtene Urteil hätte deshalb keinen Bestand gehabt. Nach Aufhebung und Zurückverweisung wäre auch der nach der Senatsentscheidung vom 30. März 1989 aaO entscheidungserhebliche Ursprung der Mittel offen gewesen, die nach der bestrittenen Behauptung der Beklagten aus einem ihr gewährten Privatdarlehen herrühren sollen. Der Geschäftsführer der Beklagten hat hierzu ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 4. September 2000 bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Berufungsgericht erklärt, er habe zwei bis drei Tage vor dem 1. April 1997 von einem italienischen Geschäftsmann ein Darlehen über 300.000 DM aufgenommen und die Darlehenssumme von ihm in bar erhalten. Auf die Frage des klägerischen Prozeßbevollmächtigten nach dem Namen des italienischen Geschäftsmanns hat der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, daß er den Namen nicht nennen wolle, weil die Informationen, die er der Klägerin bisher gegeben habe, gegen ihn verwandt worden seien. Mit Rücksicht auf diese vagen Angaben erscheint zweifelhaft, daß der angeblich an den Vermieter in bar gezahlte Betrag - wirtschaftlich betrachtet - aus dem Vermögen der Beklagten stammt. Nach Aufhebung und Zurückverweisung wäre auch erneut zu prüfen gewesen, ob ein Baukostenvorschuß tatsächlich gezahlt worden ist, und zwar entgegen dem Wortlaut der schriftlichen Ergänzungsvereinbarung vom 21. März 1997 und der "Empfangsbestätigung" vom 1. April 1997 nicht als Erstattung für bereits ausgeführte Umbauarbeiten.

Ende der Entscheidung

Zurück