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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.12.1997
Aktenzeichen: IX ZR 271/96
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 765, 138 Abs. 1
BGB §§ 765, 138 Abs. 1

a) Die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Bürgschaften finanziell kraß überforderter Kinder und Lebenspartner findet auf Bürgschaften von Geschwistern nur Anwendung, wenn im Einzelfall zwischen ihnen eine vergleichbar enge persönliche Beziehung im Zeitpunkt der Verpflichtung bestanden hat.

b) Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat in der Regel ein berechtigtes Interesse daran, die persönliche Haftung aller Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten zu verlangen; das gilt auch dann, wenn der Bank bekannt ist, daß einem Gesellschafter nur Strohmannfunktion zukommt.

c) Ist für das Kreditinstitut aufgrund der ihm von den Beteiligten erteilten Informationen klar ersichtlich, daß der Strohmann ohne eigenes wirtschaftliches Interesse allein aus persönlicher Verbundenheit mit einem Dritten bereit ist, Gesellschafter zu sein und die persönliche Haftung zu übernehmen, gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ehegatten- und Verwandtenbürgschaften entsprechend.

d) Wird jemand ohne eigenes wirtschaftliches Interesse allein einem ihm persönlich eng verbundenen Dritten zuliebe Gesellschafter einer GmbH und übernimmt er deshalb die Bürgschaft für alle Kreditverbindlichkeiten der Gesellschaft, obwohl ihm nur die Funktion eines Strohmannes zukommt, ist in die Beurteilung, ob er dadurch finanziell kraß überfordert wird, der ihm gegen den Treugeber zustehende Befreiungsanspruch einzubeziehen.

BGH, Urt. v. 18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96 OLG Stuttgart LG Stuttgart


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 271/96

Verkündet am: 18. Dezember 1997

Giovagnoli Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 1997 durch die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Dr. Fischer und Dr. Ganter

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Durch Formularerklärung vom 16. Oktober 1992 übernahm die Beklagte gegenüber dem klagenden Kreditinstitut die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit der wenige Tage zuvor gegründeten SF GmbH (nachfolgend: SF oder Hauptschuldnerin) bis zum Betrage von 1,2 Mio DM. Gesellschafter der Hauptschuldnerin waren die Beklagte und eine Frau Sch. mit Stammeinlagen von je 50.000 DM. Die damals 26 Jahre alte Beklagte verdiente als Stenokontoristin bei einer Bank monatlich etwa 2.300 DM netto; darüber hinausgehendes Vermögen besaß sie nicht.

Der Bruder der Beklagten und der Ehemann der Mitgesellschafterin waren je zur Hälfte Gesellschafter von drei weiteren in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen. Sie hatten die Gründung der SF veranlaßt, weil sie beabsichtigten, alle Geschäftsfahrzeuge auf diese Gesellschaft zu übertragen, die sie ihrerseits an die übrigen Unternehmen der Gruppe vermieten und in verhältnismäßig kurzen Zeitabständen immer wieder durch neu zu erwerbende Fahrzeuge ersetzen sollte. Dadurch versprachen sich die Geschäftsinhaber für ihre Unternehmensgruppe wirtschaftliche, insbesondere steuerliche Vorteile. Aus diesem Grunde durften nach ihrer Auffassung die Gesellschafter der SF und diejenigen der übrigen Unternehmen nicht personenidentisch sein.

Die Klägerin, der die Unternehmensinhaber das mit der Gründung der Hauptschuldnerin verbundene wirtschaftliche Konzept erläutert hatten, schloß mit dieser am 21. Dezember 1992 einen Rahmenkreditvertrag über 1,2 Mio DM und gewährte ihr auf dieser Grundlage Einzeldarlehen zum Ankauf von Kraftfahrzeugen. Diese wurden der Klägerin jeweils sicherungsübereignet. Außerdem trat die Hauptschuldnerin zur Sicherheit alle Forderungen aus den Mietverträgen über die Kraftfahrzeuge an die Kreditgeberin ab. Die Klägerin finanzierte zudem durch Vertrag mit dem Bruder der Beklagten und dem Ehemann der Mitgesellschafterin die Leistungen auf das Stammkapital der GmbH in Höhe von insgesamt 100.000 DM.

Als die Darlehensforderungen notleidend wurden, kündigte die Klägerin das Kreditverhältnis. Sie nimmt die Beklagte aus der Bürgschaft in Höhe von 500.000 DM in Anspruch. Die Beklagte wendet ein, der Vertrag sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht sieht den Bürgschaftsvertrag als wirksam an und hat zur Begründung ausgeführt:

Ein Fall offenkundiger und krasser Überforderung des Bürgen liege nicht vor; denn zu berücksichtigen seien auch die weiteren der Klägerin zur Verfügung gestellten Sicherheiten. Selbst wenn die Klägerin gewußt habe, daß die Beklagte nur pro forma die Stellung einer Gesellschafterin erhalten habe, müsse sich die Beklagte an der ihr übertragenen, im Rechtsverkehr gültigen Position festhalten lassen. Aus der Gesellschafterstellung folge ein billigenswertes wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der Einbindung der Beklagten in die Haftung. Bei einer GmbH könne nicht ausgeschlossen werden, daß sie über die finanziellen Geschäfte hinaus weitere Vermögenswerte erwerbe, über die sie frei verfügen könne. Im übrigen hätten die Beteiligten von Anfang an durchaus für möglich gehalten, daß die SF durch die Vermietung erhebliche Gewinne erwirtschafte.

Die Beklagte sei aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung auch in der Lage gewesen, das Bürgschaftsgeschäft sowie das damit verbundene Risiko seinem wesentlichen Inhalt nach zu verstehen. Der Klägerin hätten im Hinblick darauf keine besonderen Aufklärungspflichten oblegen.

Diese Erwägungen tragen die angefochtene Entscheidung nicht.

II.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Bürgschaft unwirksam, wenn deren Verpflichtungsumfang die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bürgen erheblich übersteigt und weitere Umstände hinzukommen, durch die ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird, welches die Verpflichtung des Bürgen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Gläubigers als rechtlich nicht mehr hinnehmbar erscheinen läßt. Solche Umstände können darin liegen, daß die Entscheidungsfreiheit des Bürgen in anstößiger Weise beeinträchtigt wurde und der Gläubiger sich dies zurechnen lassen muß (BGHZ 125, 206, 210 f; 128, 230, 232, 234; 132, 328, 330; BGH, Urt. v. 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521 f). Die bisherigen Entscheidungen des Senats betrafen hauptsächlich Fälle, in denen Hauptschuldner und Bürge durch Verwandtschaft, Ehe oder eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft persönlich eng miteinander verbunden waren. Entsprechende Voraussetzungen können jedoch auch dann gegeben sein, wenn zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner eine entsprechende persönliche Beziehung nicht besteht (vgl. Senatsurt. v. 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 512 f). Die Anwendung der in der Senatsrechtsprechung erarbeiteten Grundsätze scheitert daher nicht schon daran, daß die Beklagte für eine GmbH gebürgt hat, deren Gesellschafterin sie war.

Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerfrei angenommen, daß die Beklagte hinsichtlich der Entschließung, die Bürgschaft zu übernehmen, nicht unzulässig beeinflußt wurde. Die Beklagte hat nicht behauptet, von ihrem Bruder unter Druck gesetzt worden zu sein, sondern vorgetragen, sie habe im Vertrauen auf dessen bisherige wirtschaftliche Erfolge die erbetenen Willenserklärungen abgegeben. Daß die Klägerin der Beklagten gegenüber die Rechtsfolgen einer solchen Bürgschaft verharmlost (vgl. BGHZ 132, 328, 330; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994 - IX ZR 227/93, WM 1994, 680, 683) oder damit verbundene besondere Risiken, die für die Kreditgeberin klar ersichtlich waren, verschwiegen hat (vgl. BGHZ 125, 206, 217), ist ebenfalls nicht dargetan.

III.

Bürgschaften von Kindern und Lebenspartnern des Hauptschuldners können auch dann als sittenwidrig anzusehen sein, wenn ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen besteht, d.h. dessen finanzielle Mittel, bezogen auf die Höhe der gesamten Hauptschuld, praktisch bedeutungslos sind und ein berechtigtes Interesse des Kreditgebers an einer Verpflichtung in dem vereinbarten Umfang unter keinem Gesichtspunkt anerkannt werden kann (BGHZ 132, 328, 330 f; BGH, Urt. v. 18. September 1997 - IX ZR 283/96, WM 1997, 2117, 2118, z.V.b. in BGHZ). Eine Bürgschaft kann schon deshalb nichtig sein, weil der wirtschaftlich kraß überforderte Bürge aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninterese gehandelt hat (BGHZ 125, 206, 210 f). Jedoch sind alle im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren Umstände zu berücksichtigen (Senatsurt. v. 18. Januar 1996, aaO S. 519, 522). Das Berufungsgericht will diese Grundsätze bei einem Bürgen, der Gesellschafter geworden ist und in dieser Funktion die Haftung für eine GmbH übernommen hat, nicht anwenden, und zwar auch dann nicht, wenn der Bürge mit dem Beitritt zur Gesellschaft keine eigenen Interessen verfolgt hat, sondern sich allein von der Erwägung hat leiten lassen, mit seinem rechtsgeschäftlichen Handeln einer ihm persönlich eng verbundenen Person einen Gefallen zu tun. Dem Berufungsgericht ist einzuräumen, daß sich jene Grundsätze nicht ohne weiteres auf die Beurteilung einer Bürgschaft, wie sie hier vorliegt, übertragen lassen. Gleichwohl kann eine solche Verpflichtung im Einzelfall als sittenwidrige Überforderung anzusehen sein. Die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen nicht aus, die Frage im Streitfall abschließend zu beantworten.

1. Die Beklagte ist dem Bruder zuliebe Gesellschafterin geworden und die Bürgschaftsverpflichtung eingegangen. Die bisherigen Entscheidungen des Senats betrafen Fälle, in denen Kinder, Ehegatten und Lebenspartner des Hauptschuldners die Haftung in einem sie finanziell weit überfordernden Umfang eingegangen waren.

a) Innerhalb der zuletzt genannten Beziehungen ist es erfahrungsgemäß selbst dann, wenn die Entschließungsfreiheit nicht rechtswidrig beeinflußt wird, schwierig, die erforderliche Entscheidung auf rationale, das wirtschaftliche Risiko sachlich-neutral abwägende Überlegungen zu stützen. Starke emotionale Zuneigung und darauf beruhendes persönliches Vertrauen einerseits, aber auch die Erkenntnis finanzieller Abhängigkeit vom Hauptschuldner und ein daraus herrührendes Gefühl eigener Unterlegenheit andererseits verführen leichter als in anderen zwischenmenschlichen Bereichen dazu, die mit einer Bürgschaft verbundenen Risiken zu übersehen oder falsch einzuschätzen.

b) Zwischen erwachsenen Geschwistern bestehen nicht ohne weiteres vergleichbar enge persönliche Beziehungen. Haben sie sich eigene, voneinander unabhängige Lebensbereiche geschaffen und wohnen infolgedessen räumlich getrennt voneinander, lockern sich der persönliche Kontakt und die innere Verbundenheit nicht selten erheblich. Von einer Verbundenheit wie unter Lebenspartnern oder zwischen Eltern und gerade erwachsen gewordenen Kindern kann dann häufig keine Rede sein, und es fällt wesentlich leichter, sich emotionsfrei für oder gegen die Übernahme einer Bürgschaft zu entscheiden. Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist es aber grundsätzlich jedem unbenommen, in eigener Verantwortung risikoreiche Geschäfte abzuschließen, die ihn voraussichtlich finanziell weit überfordern. Grundsätzlich vermag auch jede volljährige Person das mit einer Bürgschaft verbundene Risiko zu erkennen, die Tragweite ihrer Erklärung entsprechend einzuschätzen und danach ihre Entschließung zu treffen (BGHZ 125, 206, 209 f). Erst die enge emotionale Bindung an den Hauptschuldner kann ein wesentliches Indiz dafür bilden, daß der Bürge sich aus einer Position der Unterlegenheit auf das Geschäft eingelassen hat (vgl. Senatsurt. v. 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 522).

Im Einzelfall kann indessen auch unter Geschwistern eine entsprechend enge persönliche Verbundenheit oder innere Abhängigkeit bestehen. Dann mag der Bürge ebenso schutzwürdig sein wie Lebenspartner oder noch geschäftsunerfahrene erwachsene Kinder. Dies setzt indessen voraus, daß der Bürge entsprechende, für den Gläubiger erkennbare Umstände darlegt und gegebenenfalls unter Beweis stellt.

c) Aus dem bisherigen Vortrag der Beklagten ergibt sich keine solche enge Beziehung zu ihrem Bruder. Der Hinweis, dieser sei für sie immer eine Vertrauensperson gewesen, reicht nicht aus. Auch ihr an anderer Stelle zu behandelnder Mangel an Geschäftserfahrung (vgl. 4.) belegt nicht ausreichend, daß die Beklagte es unter den gegebenen Umständen schwer hatte, eine sachlich vernünftige, ihre eigenen Interessen hinreichend berücksichtigende Entscheidung zu treffen. Da die rechtliche Bedeutung dieses Gesichtspunktes in den Vorinstanzen jedoch nicht erkannt wurde, muß die Beklagte noch Gelegenheit erhalten, dazu ergänzend vorzutragen.

2. Ebenso wie in den Fällen einer unzulässigen Einflußnahme auf die Willensentscheidung des Bürgen scheitert eine Übernahme der in der Rechtsprechung des Senats zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften erarbeiteten Grundsätze nicht schon daran, daß die Beklagte nicht unmittelbar für den Bruder, sondern für eine GmbH gebürgt hat, deren Gesellschafterin sie war. Gehörte die Gesellschaft, wirtschaftlich gesehen, zu wesentlichen Teilen einer mit dem Bürgen eng verbundenen Person, befindet sich derjenige, der die Haftung übernehmen soll, nicht selten in einer für Verwandten- oder Ehegattenbürgschaften typischen Konfliktsituation. Dies kann dazu führen, daß die Entscheidung, sich an einer Gesellschaft zu beteiligen, nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruht, sondern allein deshalb erfolgt, um dem anderen einen Gefallen zu tun. In einem solchen Falle entstehen für den Bürgen dieselben Gefahren wie bei einer unmittelbaren Haftung für Verbindlichkeiten des ihm nahestehenden Hauptschuldners. Daher kann der Bürge auch in vergleichbarer Weise schutzbedürftig sein.

Ein Kreditinstitut, das einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Darlehen gewährt, hat allerdings in aller Regel ein berechtigtes Interesse, die persönliche Haftung der Gesellschafter für Geschäftskredite zu verlangen. Die gängige Bankpraxis, die Gewährung von Geschäftskrediten davon abhängig zu machen, daß die Inhaber der Gesellschaft persönlich in vollem Umfang für die entstehenden Forderungen eintreten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bank darf im allgemeinen davon ausgehen, daß derjenige, der sich an einer Gesellschaft beteiligt, dies aus eigenen finanziellen Interessen tut und schon deshalb durch die Haftung kein ihm unzumutbares Risiko auf sich nimmt (vgl. Senatsurt. v. 15. Februar 1996 - IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 592; v. 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 513). Für den Kreditgeber besteht. keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, aus welchen Gründen die Beteiligung an der Gesellschaft erfolgt und die Haftung für deren Schulden übernommen wird.

Dies gilt, wie das Berufungsgericht im Grundsatz zutreffend ausgeführt hat, auch gegenüber Gesellschaftern, denen nur die Funktion eines Strohmannes zukommt. Da Strohmanngeschäfte ernst gemeint und infolgedessen rechtlich wirksam sind (vgl. BGHZ 21, 378, 381; 31, 258, 263 f; BGH, Urt. v. 6. Dezember 1994 - XI ZR 19/94, NJW 1995, 727), braucht der Kreditgeber sich grundsätzlich nicht darum zu kümmern, warum der Strohmann bereit ist, die Bürgschaft zu erteilen. Die Bank darf annehmen, dieser handele aus wirtschaftlich vernünftigen, allein von ihm selbst zu verantwortenden Gründen, solange ihr nicht das Gegenteil positiv bekannt ist. Dies gilt insbesondere, wenn der Inhaber eines Unternehmens seine Ehefrau als Gesellschafter vorschiebt, weil er selbst in dieser Funktion nicht auftreten will. Wird die Bank jedoch in die wirtschaftlichen Hintergründe des Kreditgeschäfts so einbezogen, daß für sie die wirklichen Motive des Bürgen, aus denen er sich auf die rechtsgeschäftliche Beteiligung einläßt, klar hervortreten, so darf sie davor nicht die Augen verschließen. Erkennt die Bank infolge der ihr offenbarten Tatsachen, daß derjenige, der die Haftung übernehmen soll, wirtschaftlich nicht beteiligt wird und die Stellung eines Gesellschafters nur aus den für Verwandten- und Ehegattenbürgschaften typischen Erwägungen übernommen hat, er damit auch keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, so kann die getroffene Haftungsvereinbarung sich im Einzelfall als für den Gesellschafter unzumutbare Belastung erweisen. In solchen Fällen muß sich die Bürgschaft an den Grundsätzen messen lassen, die der Senat im Anschluß an den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214) entwickelt hat.

3. Möglicherweise wurde die Beklagte durch die Verpflichtung in Höhe von 1,2 Mio DM - die sich durch Zinsen, Provision und Kosten noch wesentlich erhöhen konnte - finanziell aussichtslos überfordert.

a) Die Beklagte verdiente damals lediglich 2.300 DM netto monatlich, inzwischen beläuft sich ihr Einkommen auf etwa 2.500 DM. Darüber hinaus besitzt sie keinerlei Vermögen. Es war nicht damit zu rechnen, daß ihr infolge der Stellung als Gesellschafterin nennenswerte Gewinne zufließen würden; denn sie hielt die Geschäftsanteile treuhänderisch für ihren Bruder, hatte also alles, was sie infolge ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung erwarb, an diesen abzuführen. Die Tätigkeit für den Bruder erfolgte zudem unentgeltlich. Der gemäß § 850 c ZPO pfändbare Teil des Arbeitseinkommens, mit dem die Klägerin im Bürgschaftsfall rechnen durfte, beläuft sich auf jährlich etwa 11.000 DM, macht also selbst in fünf Jahren nicht einmal 5 % der Bürgschaftssumme aus und liegt daher weit unter der Grenze, von der ab die Einkünfte des Bürgen nach der Rechtsprechung des Senats als für den Gläubiger wirtschaftlich nicht unbedeutend anzusehen sind (vgl. BGHZ 132, 328, 331, 337 f).

b) Der Umfang der Verpflichtung der Beklagten ist nicht deshalb anders zu bewerten, weil die Klägerin sich die von der Gesellschaft gekauften Fahrzeuge sicherungsübereignen und die Forderungen aus deren Vermietung abtreten ließ. Die Beklagte hat in der Bürgschaft auf die Rechte aus § 776 BGB umfassend verzichtet. Außerdem hat sich die Bank dort das Recht vorbehalten, dem Hauptschuldner weitere Kredite zu gewähren, ohne die Zustimmung des Bürgen einzuholen. Da die Beklagte nur Strohfrau und auch nicht Geschäftsführerin war, konnte das Kreditvolumen der Hauptschuldnerin ohne ihre Mitwirkung durchaus erweitert werden. Daher war trotz der zusätzlichen Sicherheit, die die Klägerin erhalten hatte, nicht gewährleistet, daß die Beklagte in jedem Fall bei Insolvenz der Hauptschuldnerin nur für einen verhältnismäßig geringen Forderungsrest werde einstehen müssen. Wenn die Klägerin sich einerseits alle Möglichkeiten zur Erweiterung der Hauptschuld und zum Verzicht auf andere Sicherheiten dem Bürgen gegenüber offenhält, muß sie sich bei der Beurteilung, welche Lasten sie diesem vertraglich auferlegt hat, grundsätzlich an dem vereinbarten Vertragsinhalt festhalten lassen (vgl. Senatsurt. v. 18. September 1997 - IX ZR 283/96, WM 1997, 2117, 2118, z.V.b. in BGHZ). Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Wertung rechtfertigen könnten, sind nicht vorgetragen.

c) Zwar verfügte die zu 50 % mitbeteiligte zweite Gesellschafterin, die ebenfalls eine Bürgschaft gezeichnet hat, offenbar über ganz erhebliches Einkommen und Vermögen. Da die Beklagte dieser indes im Innenverhältnis hälftige Ausgleichung nach § 769 BGB schuldet, kann nicht schon deswegen ein grobes Mißverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und den finanziellen Möglichkeiten der Bürgin verneint werden.

d) Der Beklagten stand jedoch aus dem ihrer Gesellschafterstellung zugrundeliegenden Treuhandvertrag mit dem Bruder ein Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen (§ 670 BGB) zu. Dieser umfaßte die Verpflichtung, die Schwester von den Verbindlichkeiten aus der Bürgschaft freizustellen (§ 257 BGB). War zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte sich der Klägerin gegenüber für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft verpflichtete, damit zu rechnen, der Bruder werde bei Eintritt des Bürgschaftsfalles in der Lage sein, die Schulden der Beklagten bei der Klägerin zu tilgen, so bildete dieser Befreiungsanspruch für die Bürgin einen wesentlichen Vermögensbestandteil, mit der Folge, daß sie durch die Vereinbarung mit der Klägerin finanziell nicht überfordert wurde.

Die Beklagte hat nicht vorgetragen, der Befreiungsanspruch habe aus der Sicht der Parteien im maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Bürgschaft keinen wesentlichen Wert besessen. Dies wäre zur schlüssigen Darlegung einer krassen wirtschaftlichen Überforderung erforderlich gewesen; denn aus den mitgeteilten Umständen ergab sich nicht von selbst, daß sie mit einer wesentlichen Entlastung durch den Bruder bei Eintritt des Bürgschaftsfalles nicht rechnen konnte. Der Bruder der Beklagten war damals Mitinhaber mehrerer auf dem Immobiliensektor tätigen, gut verdienenden Gesellschaften. Schon aus diesem Grunde erschien er möglicherweise hinreichend solvent, um im Notfall die fällig gestellte Forderung der Klägerin zu tilgen. Zwar sollte die Hauptschuldnerin nach dem mit der Gesellschaftsgründung verfolgten Konzept die Fahrzeuge ausschließlich an die anderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe des Bruders vermieten. Infolgedessen war abzusehen, daß die SF ihre Kreditverbindlichkeiten schwerlich würde tilgen können, wenn die übrigen Gesellschaften, die wirtschaftlich dem Bruder und dessen Partner gehörten, in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten gerieten und die Fahrzeuge der Hauptschuldnerin nicht mehr in dem erwarteten Umfang benötigten. Zudem hat der Bruder als Zeuge bekundet, er habe damals alles ihm zur Verfügung stehende Geld. in die Unternehmen investiert. Daraus allein ließ sich jedoch nicht entnehmen, daß der Rückgriffsanspruch der Beklagten gegen ihren Bruder von Anfang an wertlos war. Dieser hatte möglicherweise weiteres Vermögen, das zum Ausgleich der Schulden eingesetzt werden konnte.

Auch aus diesem Grunde kann die Revision jedoch nicht zurückgewiesen werden. Das Landgericht hat eine krasse Überforderung der Beklagten bejaht, ohne ihren Befreiungsanspruch gegen den Bruder zu erörtern. Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Frage ebenfalls nicht befaßt, weil sie von seinem Standpunkt aus nicht rechtserheblich war. Dem Verteidigungsvorbringen der Beklagten läßt sich auch kein Hinweis dafür entnehmen, daß ihr der aus dem Treuhandvertrag stammende Befreiungsanspruch und dessen Bedeutung für die Beurteilung der wirtschaftlichen Überforderung in den Tatsacheninstanzen bewußt war. In der Regel ist davon auszugehen, daß ein rechtlicher Gesichtspunkt übersehen wurde, wenn keine Partei auf ihn eingegangen ist (BGH, Urt. v. 20. Juni 1990 - VIII ZR 158/89, ZIP 1990, 1080, 1082). Dann muß die Partei die Möglichkeit haben, ihr Vorbringen zu ergänzen und dafür gegebenenfalls Beweis anzutreten (BGH, Urt. v. 7. Dezember 1993 - VI ZR 152/92, NJW 1994, 652, 654; v. 27. April 1994 - XII ZR 16/93, NJW 1994, 1880, 1881).

4. Weder die Gesellschaftsgründung noch die Kreditgewährung diente in irgendeiner Weise den Interessen der Beklagten. Anders als Lebenspartner und Kinder des Hauptschuldners, die mit günstigen Auswirkungen der zu sichernden Geschäftskredite auf das Familieneinkommen oder ihre berufliche Tätigkeit rechnen dürfen (vgl. Senatsurt. v. 18. Januar 1996, aaO S. 521; v. 10. Oktober 1996 - IX ZR 333/95, WM 1996, 2194, 2196; v. 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96, WM 1997, 465, 466), konnte die Beklagte nicht erwarten, daß ihr die geschäftliche Mitwirkung wirtschaftliche Vorteile bringen werde. Eventuelle Gewinne waren an den Bruder und dessen Geschäftspartner abzuführen. Die Beklagte ist ihre Verpflichtung allein dem Bruder zuliebe, also aus rein altruistischen Erwägungen, eingegangen. Die Beklagte verfügte in diesem Geschäftsbereich weder über einschlägige theoretische Kenntnisse noch über praktische Erfahrungen. Sie war zum Zeitpunkt der Verpflichtung 26 Jahre alt und hatte lediglich eine Ausbildung als Bürogehilfin. Ob jemand als geschäftserfahren anzusehen ist, muß unter Berücksichtigung der individuell erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen gewertet und in Beziehung gesetzt werden zu den mit hohem Risiko belasteten Verpflichtungen und Aufgaben, die er übernommen hat (vgl. BGHZ 125, 206, 211). Danach war auf der Grundlage der tatrichterlichen Würdigung des Landgerichts die Beklagte geschäftsunerfahren, als sie die Bürgschaft erteilte.

5. Nach dem Vorbringen der Beklagten, das der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist, waren der Klägerin alle bisher vorgetragenen Tatsachen bekannt. Sie hatte sogar dem Bruder der Beklagten und dessen Partner die Stammeinlage von insgesamt 100.000 DM finanziert, die diese den Gesellschafterinnen zur Verfügung stellten. Die Klägerin war in die dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages vorausgegangenen Verhandlungen einbezogen worden. Sie wußte, daß die Gründung der Hauptschuldnerin vornehmlich steuerlichen Zwecken dienen sollte. Der Bruder der Beklagten und dessen Partner versprachen sich für die von ihnen gegründeten Unternehmen hohe finanzielle Vorteile davon, wenn sie die Betriebsfahrzeuge, statt sie zu kaufen, bei einem eigenen Unternehmen mieten und die Mietzinsen als Betriebsausgaben absetzen konnten. Dabei gingen beide aufgrund rechtlicher Beratung davon aus, das Finanzamt werde die gewählte Konstruktion nur anerkennen, wenn an der neuen GmbH andere Personen als an den alten Gesellschaften beteiligt waren. Allein aus diesem Grund sollte die Beklagte Gesellschafterin werden. Der Klägerin waren schließlich im Zuge der Verhandlungen Rentabilitätsberechnungen für die Gesellschaft insgesamt und die einzelnen zu finanzierenden Fahrzeuge vorgelegt worden. Aus alldem ergab sich von selbst, daß die Beklagte nur ihrem Bruder zuliebe bereit war, die Bürgschaft zu erteilen, und weder mit der Beteiligung an der SF noch mit der Kreditvergabe eigene wirtschaftliche Interessen verfolgte.

6. Eine Haftungsverpflichtung, die die Beklagte kraß überforderte, wäre nicht infolge schutzwürdiger Belange der Klägerin vertretbar.

a) Die Klägerin hatte alle wesentlichen Vermögenswerte der Gesellschaft, insbesondere die Fahrzeuge sowie die Kundenforderungen, sicherungshalber übertragen erhalten. Eine Bürgschaft der Beklagten in Höhe der Kreditforderung war daher nicht erforderlich, um Nachteile durch Vermögensverschiebungen abzuwenden (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26. April 1994 - XI ZR 184/93, WM 1994, 1022, 1024; v. 18. September 1997 - IX ZR 283/96, WM 1997, 2117, 2119). Die Klägerin hatte außerdem die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaftsanteile in die unmittelbare persönliche Haftung zu nehmen. Sie hätte sich weiter die Ansprüche des Bruders aus dem Treuhandverhältnis mit der Beklagten auf Auskehrung von Gewinnen abtreten sowie von ihm zusätzliche Sicherheiten gewähren lassen können. Daß sie sich statt dessen mit einer Nachbürgschaft begnügt hat, war eine Entscheidung, die nicht zu Lasten der Beklagten gehen darf.

Davon abgesehen war nach den Feststellungen des Landgerichts aus den der Klägerin vorgelegten Rentabilitätsberechnungen ersichtlich, daß die Hauptschuldnerin jedenfalls in den ersten Jahren lediglich in der Lage sein würde, aus den Vermietungserlösen die Kreditverbindlichkeiten zu tilgen und die Geschäftsunkosten abzudecken. Demgegenüber nimmt das Berufungsgericht zwar an, die Beteiligten hätten mit nicht unerheblichen Gewinnen gerechnet. Das Berufungsurteil zeigt jedoch keine Tatsachen auf, die aus Sicht der Klägerin eine Haftung der Beklagten in einer Größenordnung, um die es hier geht, zur Wahrung eigener Interessen wirtschaftlich vernünftig erscheinen ließen.

b) Das Berufungsgericht hat zwar darin recht, daß eine am Geschäftsverkehr teilnehmende GmbH später möglicherweise andere als die ursprünglich geplanten Geschäfte abschließt und so weitere Vermögenswerte erwirbt, über die sie frei verfügen kann. Ebenso war nicht völlig auszuschließen, daß der Bruder später einmal - aus welchen Gründen auch immer - der Beklagten Gegenstände übertrug und dies schutzwürdige Belange der Klägerin beeinträchtigen konnte. Aus diesen Gründen ist das Verlangen des Kreditgebers nach einer Bürgschaft des Gesellschafter-Strohmannes selbst in Fällen wie dem vorliegenden im Ansatz wirtschaftlich und rechtlich angemessen. Das Kreditinstitut darf dann jedoch der Höhe nach nur eine Haftung fordern, die in vernünftiger Beziehung steht zu den finanziellen Verhältnissen des Bürgen und dem wirtschaftlichen Risiko, das auf diese Weise abgedeckt werden soll. Darauf hat der Senat schon bei Beurteilung der Bürgschaft von Kindern für ihre Eltern hingewiesen (vgl. BGHZ 125, 206, 211 f; Senatsurt. v. 10. Oktober 1996 - IX ZR 333/95, WM 1996, 2194, 2196); diese Erwägungen gelten hier entsprechend. Zwischen der Belastung des Bürgen und dem schutzwürdigen Interesse des Kreditinstituts besteht, wenn die Beklagte durch den Vertrag finanziell kraß überfordert wurde, kein ausgewogenes Verhältnis; denn die Klägerin hat nicht substantiiert vorgetragen, daß ihr in dieser Hinsicht besondere Gefahren drohten.

7. Stellte der Bürgschaftsvertrag ein wirtschaftlich sinnloses, die Beklagte auch in Anbetracht aller berechtigten Belange der Klägerin unzumutbar belastendes Rechtsgeschäft dar, das sie nur aus persönlicher Verbundenheit mit dem Bruder eingegangen ist, und waren der Klägerin die für die objektive Wertung maßgeblichen Tatsachen bekannt oder hätte sich ihr eine entsprechende Kenntnis aufgrund der ersichtlich gewordenen Umstände aufdrängen müssen, so ist der Vertrag als ein nur aufgrund ausgeprägter Vertragsunterlegenheit der Beklagten (vgl. BVerfGE 89, 214, 232 ff) zustande gekommenes Rechtsgeschäft und deshalb als sittenwidrig anzusehen (vgl. Senatsurt. v. 18. September 1997, aaO S. 2119).

IV.

Die Sache ist daher zur weiteren Tatsachenaufklärung entsprechend den Hinweisen des Senats (vgl. oben III 1 c, 3 d, 5) an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Kreft Stodolkowitz Kirchhof Ganter Fischer

Ende der Entscheidung

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