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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: IX ZR 29/09
Rechtsgebiete: InsO, ZPO
Vorschriften:
InsO § 306 Abs. 1 | |
InsO § 309 Abs. 1 | |
ZPO § 794 |
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
die Richter Prof. Dr. Kayser, Raebel, Vill,
die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Pape
am 9. Juli 2009
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 13. Januar 2009 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf bis 4.500 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat am 13. Dezember 2004 einen Mahnbescheid über 17.805,38 EUR nebst Zinsen und Kosten gegen den Beklagten erwirkt. Nachdem der Beklagte Widerspruch erhoben hatte, hat sie am 26. Juni 2008 die Abgabe an das Streitgericht beantragt und ihren Anspruch am 24. Juli 2008 begründet. Der Beklagte hat Verteidigungsbereitschaft angezeigt und seinen Antrag auf Abweisung der Klage damit begründet, dass er - unstreitig - die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt habe und der Schuldenbereinigungsplan nach rechtskräftiger Ersetzung der fehlenden Zustimmung der Klägerin als angenommen gelte. Der Beschluss über die Ersetzung der Zustimmung der Klägerin datiert vom 15. August 2008; am 29. September 2008 wurde der Schuldenbereinigungsplan festgestellt. Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und weiterhin die Abweisung der Klage beantragt. Das Landgericht hat die Erledigung der Hauptsache festgestellt und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Nunmehr beantragt der Beklagte die Zulassung der Sprungrevision, mit der er weiterhin die Abweisung der Klage erreichen will.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision ist nach § 566 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere hat die Klägerin in die Übergehung der Berufungsinstanz eingewilligt (§ 566 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Er ist jedoch nicht begründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 566 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
1.
Die Antragsschrift beruft sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 566 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Klärungsbedürftig sei die Frage, ob ein Gläubiger des Schuldners auch nach Vorlage des Schuldenbereinigungsplans noch die gerichtliche Titulierung seiner Forderung betreiben dürfe oder ob seinem Leistungsbegehren nunmehr ein Rechtsschutzinteresse fehlt. Diese Frage lässt sich jedoch ohne weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zum Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage beantworten.
a)
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage ist in der Regel nicht vorhanden, wenn der geltend gemachte Anspruch bereits tituliert ist, über ihn also ein Urteil oder ein anderer Titel im Sinne des § 794 ZPO vorliegt (z.B. BGHZ 98, 127, 128) . Der Schuldenbereinigungsplan hat gemäß § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO die Wirkung eines (vollstreckbaren) Vergleichs im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Liegt ein Schuldenbereinigungsplan vor, besteht folglich kein rechtliches Interesse an der (nochmaligen) Titulierung der in ihm berücksichtigten Ansprüche. Diese Rechtswirkung tritt jedoch erst dann ein, wenn der Schuldenbereinigungsplan angenommen worden ist, wenn also kein Gläubiger Einwendungen gegen ihn erhoben hat oder die Zustimmung nach § 309 InsO ersetzt worden ist. Die Vorlage des Schuldenbereinigungsplanes reicht für sich genommen noch nicht aus. Im vorliegenden Fall war die Anspruchsbegründung dem Beklagten zugestellt worden, bevor der Schuldenbereinigungsplan angenommen worden war. Sobald der Schuldenbereinigungsplan festgestellt worden war, hat die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
b)
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt außerdem regelmäßig dann, wenn ein Titel über die Forderung auf einfacherem und billigerem Weg zu erreichen ist (vgl. etwa BGHZ 111, 168, 171 ; 165, 96, 99 ; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994 - IX ZR 120/93, ZIP 1994, 654, 655; v. 28. März 1996 - IX ZR 77/95, ZIP 1996, 842, 843). Diese Voraussetzung ist in einem Fall wie dem vorliegenden ebenfalls nicht erfüllt. Das außergerichtliche oder gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren führt nicht notwendig zur (anteiligen) Titulierung eines gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Anspruchs. Das zeigen schon die vom Beklagten selbst mitgeteilten Zahlen: Von etwa 100.000 Verbraucherinsolvenzverfahren im Jahr enden nur etwa 1.700 mit der Annahme eines Schuldenbereinigungsplanes. Die Schuldenbereinigung kann aus mehreren Gründen scheitern. So kann das Insolvenzgericht den Fortgang des Eröffnungsverfahrens anordnen, wenn nach seiner freien Überzeugung der Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich nicht angenommen werden wird (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO). Jeder Gläubiger kann Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan erheben. Eine Ersetzung der Zustimmung eines widersprechenden Gläubigers kommt nur dann in Betracht, wenn mehr als die Hälfte der benannten Gläubiger dem Plan zugestimmt haben und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der benannten Gläubiger beträgt (§ 309 Abs. 1 Satz 1 InsO); der Gläubiger, der die Einwendungen erhoben hat, muss im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern angemessen beteiligt werden und darf durch den Plan nicht schlechter gestellt werden, als er bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung von Restschuldbefreiung stünde (§ 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 InsO). Die Zustimmung des Gläubigers kann auch dann nicht ersetzt werden, wenn Streit über die Höhe einer vom Schuldner angegebenen Forderung entsteht und die Angemessenheit der Beteiligung des Gläubigers vom Ausgang dieses Streits abhängt (§ 309 Abs. 3 InsO). Schließlich kann der Eröffnungsantrag bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens jederzeit zurückgenommen werden (§ 13 Abs. 2 InsO). Mit der Rücknahme wird auch dem Schuldenbereinigungsplan die Grundlage entzogen.
Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf der Gläubiger nicht verwiesen werden (BGHZ 111, 168, 171 ; 165, 96, 99 f ; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994, aaO). Ein schnelleres und billigeres Mittel des Rechtsschutzes lässt das berechtigte Interesse für eine Klage deshalb nur entfallen, sofern es wenigstens vergleichbar sicher oder wirkungsvoll alle erforderlichen Rechtsschutzziele herbeiführen kann. Diese Voraussetzung ist im Fall der Vorlage eines Schuldenbereinigungsplanes vor dessen Annahme nicht erfüllt. Der Gläubiger hat - von der Frage seiner eigenen Zustimmung abgesehen - keinerlei Einfluss darauf, ob der Plan zustande kommt oder nicht.
c)
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage kann schließlich dann zu verneinen sein, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Kläger oder Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (BGH, Urt. v. 28. März 1996, aaO S. 844). Auch ein solcher Fall liegt nicht vor. Der vorgelegte Schuldenbereinigungsplan kann, wie gezeigt, aus verschiedenen Gründen scheitern. Kommt es sodann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten, folgt ein Rechtsschutzinteresse des Klägers aus der Regelung des § 179 Abs. 2 InsO, wonach dann, wenn ein Schuldtitel über eine bestrittene Forderung vorliegt, es dem Bestreitenden obliegt, den Widerspruch zu verfolgen. Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, bevor der Kläger ein Urteil erwirkt hat, ist der Prozess zwar unterbrochen (§ 240 ZPO). Er kann jedoch als Feststellungsklage fortgesetzt werden, wenn die Forderung des Klägers nach Anmeldung zur Tabelle streitig bleibt (§ 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO). Die Aufnahme des Anspruchs in den Schuldenbereinigungsplan lässt nicht zwingend den Schluss darauf zu, dass ihm im eröffneten Verfahren nicht widersprochen werden wird. Unterbleibt nach Scheitern des Schuldenbereinigungsplanes die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann der Prozess nach den allgemeinen Vorschriften fortgesetzt werden. In der vergleichbaren Situation des Inhabers einer oktroyierten Masseverbindlichkeit hat der Senat ein Rechtsschutzinteresse für eine Zahlungsklage des Gläubigers gegen den Schuldner so lange für gegeben erachtet, wie der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung noch nicht beschieden worden war (BGH, Urt. v. 28. Juni 2007 - IX ZR 73/06, NZI 2007, 670, 671 Rn. 15).
2.
Der Beklagte verweist weiter darauf, dass ein Rechtsstreit während des Schuldenbereinigungsplanverfahrens geeignet sei, dieses zu stören und die Annahme des Planes zu erschweren, weil Kosten entstehen könnten, die im Plan noch nicht berücksichtigt worden seien. Diese Rechtsfrage ist in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht behandelt worden. Sie gebietet jedoch deshalb nicht die Zulassung der Sprungrevision, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt. Der Gesetzgeber hat keine dem § 240 ZPO entsprechende Regelung für den Zeitraum zwischen der Vorlage des Schuldenbereinigungsplanes und der endgültigen Entscheidung über Annahme oder Ablehnung getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine unbeabsichtigte Regelungslücke, also um ein Versehen handelt, gibt es nicht. Die Insolvenzordnung enthält durchaus Vorschriften, welche das Verfahren über den Schuldenbereinigungsplan absichern. Gemäß § 306 Abs. 1 InsO ruht das Eröffnungsverfahren bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan; § 306 Abs. 2 Satz 1 InsO erlaubt trotz des Ruhens des Eröffnungsverfahrens die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO, insbesondere die Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (vgl. BT-Drucks. 12/7302, S. 91). Wenn es für anhängige Prozesse gegen den Schuldner keine besonderen Vorschriften gibt, bedeutet das, dass diese ungehindert fortgesetzt werden können. Ebenso können Prozesse neu begonnen werden, solange der Schuldenbereinigungsplan nicht festgestellt oder das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden ist. Die zivilverfahrensrechtliche Lage ist eindeutig. Sie kann nicht im Wege der Annahme eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses richterrechtlich abgeändert werden.
Ende der Entscheidung
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