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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: IX ZR 365/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 426
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZR 365/99

vom

18. Dezember 2002

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und Neskovic

am 18. Dezember 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. Oktober 1999 wird nicht angenommen.

Die Beklagten haben die Kosten der Revision zu tragen.

Der Streitwert wird auf 62.362,21 € (121.969,89 DM) festgesetzt.

Gründe:

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Revision im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg (§ 554b Abs. 1 ZPO a.F.).

Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Beklagte zu 3) die Klägerin Anfang Januar 1996 nicht über die erheblichen Risiken einer fristlosen Kündigung belehrt und dadurch verhindert hat, daß die Klägerin den Arbeitnehmer K. vollwertig weiterbeschäftigte. Die Risiken lagen darin, daß die - vom allgemeinen Direktionsrecht nicht gedeckte - Weisung zur Durchführung einer Bremssonderuntersuchung möglicherweise auch durch den Direktionsvorbehalt in Nr. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages vom 18./23. Februar 1985 nicht mehr gerechtfertigt sein konnte: Einerseits war fraglich, ob die Vertragsklausel trotz zwischenzeitlicher vertraglicher Neugestaltungen noch galt. Zudem ist ungeklärt, ob der Vorbehalt des einseitigen Rechts, auch niedrigere Tätigkeiten als die vertraglich geschuldete zuzuweisen, im Hinblick auf unabdingbare Kündigungsschutzrechte vereinbart werden kann (vgl. dazu BAG NZA 1985, 321, 322 f). Ferner war in diesem Zusammenhang ein weiter Beurteilungsspielraum für die Arbeitsgerichte dadurch eröffnet, daß der hier vereinbarte Direktionsvorbehalt - nur - die Zuweisung "zumutbarer" Arbeiten gestattete. Durch einen Hinweis auf die zuvor aufgezeigte Rechtslage mußte der Beklagte zu 3) der Klägerin eine umfassende eigene Abwägung ihrer Entscheidung ermöglichen.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin auf eine solche Belehrung hin die Kündigung nicht ausgesprochen hätte, läßt sich nicht mit dem Hinweis der Revision auf die Behauptung erschüttern, die Klägerin sei auf die Anregung einer Änderungskündigung im Terminsbericht vom 8. März 1996 nicht eingegangen, weil sie den Arbeitnehmer K. nicht habe weiterbeschäftigen wollen. Da diese Behauptung erst einen späteren Zeitpunkt betraf - als der Arbeitsgerichtsprozeß schon schwebte -, brauchte das Berufungsgericht hierauf bei seiner Beweiswürdigung allein zum erstmaligen Ausspruch der Kündigung Anfang Januar 1996 nicht ausdrücklich einzugehen.

Der infolge unzureichender Belehrung eingetretene Schaden ist den Beklagten zurechenbar. Jedenfalls die übereinstimmende Entscheidung von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht, einen Grund der Klägerin zur fristlosen Kündigung zu verneinen, war nicht ungewöhnlich oder unvorhersehbar. Insbesondere gibt auch die von den Beklagten angeführte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (AP § 4 BAT Nr. 11; AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 1 und Urt. v. 11. Februar 1998 - 5 ZR 472/97, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 54) keine Hinweise darauf, daß die Entwicklung der Vertragsgestaltung im vorliegenden Einzelfall noch das hier erforderliche Direktionsrecht der Klägerin zugelassen hätte. Diese Rechtsprechung betraf vielmehr nur allgemein die Arbeitszeitgestaltung.

Der Umstand, daß das Arbeitsgericht Frankfurt am Main von einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgesehen hat, unterbricht - auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts v. 12. August 2002 (NJW 2002, 2937) - ebenfalls nicht den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vertragsverletzung der Beklagten und dem eingetretenen Schaden. Zum einen betraf die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht den von den Beklagten durch unzureichende Belehrung tatsächlich ausgelösten Ursachenzusammenhang; denn im Zeitpunkt der fraglichen Entscheidung des Arbeitsgerichts war die Kündigung längst ausgesprochen und ein mehrmonatiger Arbeitsausfall entstanden. Statt dessen hätte allenfalls der spätere Teil des Schadens möglicherweise durch eine - vom Arbeitsgericht einzuleitende - neue Entwicklung vermieden werden können. Zum anderen gilt im Zivilrecht grundsätzlich die Gleichwertigkeit aller Schadensursachen (§§ 421, 830, 840 BGB). Greifen weitere Personen in ein schadensträchtiges Geschehen ein, so entlasten sie damit grundsätzlich nicht den Erstschädiger, sondern begründen - zum Schutz des Geschädigten - allenfalls eine eigene, zusätzliche Haftung. Das Verhalten Dritter beseitigt allgemein die Schadenszurechnung im Verhältnis zu früheren Verursachern nur, sofern es als gänzlich ungewöhnliche Beeinflussung des Geschehensablaufs zu werten ist (vgl.MünchKomm-BGB/Grunsky, 3. Aufl. Vor § 249 Rn. 57 ff; Staudinger/Schiemann, BGB 13. Bearb. § 249 Rn. 71 ff; Erman/Kuckuk, BGB 10. Aufl. Vor § 249 Rn. 68 ff; Zugehör/Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung, Rn. 1067 ff, jeweils m.w.N.). Inwieweit dieser allgemeine Grundsatz auch für mitwirkende Entscheidungen des Gerichts gilt, kann hier offenbleiben. Denn die Entscheidung des Arbeitsgerichts, die sich auf eine Meinung in der Literatur stützen konnte, war vertretbar. Insbesondere stand ihr nicht die von der Revision angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (AR-Blattei 1020.6 Nr. 2 - Kündigungsschutz VI) entgegen; das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung nur die unterschiedlichen Ansichten wiedergegeben, aber eine eigene Festlegung vermieden.

Der von der Revision erhobene Mitverschuldenseinwand ist schon deswegen unbegründet, weil die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht - ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25. November 1997 - hilfsweise beantragt hat, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Es kommt somit nicht mehr entscheidend darauf an, daß auch ein Fehler des zweitinstanzlich tätigen Prozeßbevollmächtigten nicht die Beklagten entlasten, sondern nur zu einem Innenausgleich gemäß § 426 BGB führen könnte.

Ende der Entscheidung

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