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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.06.1998
Aktenzeichen: IX ZR 389/97
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 |
Weist das erstinstanzliche Gericht die Klage ab, weil der erhobene Anspruch nicht begründet und zudem verjährt sei, muß die Berufungsbegründung beide Erwägungen angreifen.
BGH, Urt. v. 18. Juni 1998 - IX ZR 389/97 - OLG Frankfurt am Main LG Marburg
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
IX 2R 389/97
Verkündet am: 18. Juni 1998
Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 1997 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger machen als Käufer eines Hausgrundstücks gegen den verklagten ehemaligen Notar Schadensersatzansprüche geltend, weil er bei der Beurkundung des Kaufvertrages vom 20. Februar 1986 das dingliche Wohnrecht der Mutter des Verkäufers nicht in der Urkunde erwähnt und über die Bedeutung des Wohnrechts nicht ausreichend belehrt habe. Der Beklagte hat eine Amtspflichtverletzung in Abrede gestellt und sich auf Verjährung berufen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, es liege weder eine fehlerhafte Urkunde noch ein Aufklärungsverschulden des Beklagten vor; im übrigen wäre ein Anspruch aus notarieller Amtspflichtverletzung gemäß § 852 BGB verjährt, weil die Kläger bereits mit Abschluß des Vertrages gewußt hätten, daß sie das Grundstück nicht hätten nutzen können. Die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung die das landgerichtliche Urteil selbständig tragende Auffassung, die Klageforderung sei verjährt, mit keinem Wort in Frage stelle. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das gemäß § 547 ZPO zulässige Rechtsmittel bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden (BGH, Beschl. v. 12. Juni 1997 - V ZB 8/97, WM 1997, 2188, 2190). Gericht und Gegner sollen schnell und sicher erfahren, wie der Berufungsführer den Streitfall beurteilt wissen will, damit sie sich auf die Angriffe erschöpfend vorbereiten können (BGH, Beschl. v. 17. September 1992 - IX ZB 45/92, WM 1992, 2076, 2077). Demnach muß die Berufungsbegründung jeweils auf den Einzelfall zugeschnitten sein und im einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsführers unrichtig ist. Ferner muß sie angeben, aus welchen Gründen die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig gehalten wird (BGH, Urt. v. 13. November 1997 - VII ZR 199/96, NJW 1998, 1081, 1082). Ist die Klageabweisung hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muß die Berufungsbegründung geeignet sein, das Urteil insgesamt in Frage zu stellen. Sie hat deshalb für jede der beiden Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt (BGH, Beschl. v. 25. Januar 1990 - IX ZB 89/89, WM 1990, 1091 f = NJW 1990, 1184; Urt. v. 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, WM 1993, 1735, 1736 = NJW 1993, 3073; Beschl. v. 10. Januar 1996 - IV ZB 29/95, NJW-RR 1996, 572; Urt. v. 13. November 1997 aaO). Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig. So ist es hier.
2. Das Landgericht hat die Abweisung der Klage sowohl auf das Fehlen einer für den geltend gemachten Schaden ursächlichen Amtspflichtverletzung als auch auf Verjährung gestützt. Beide Erwägungen sind voneinander unabhängig und tragen das Ergebnis jeweils selbständig.
a) Die Kläger haben sich in der Berufungsbegründung nur mit einer der Begründungen des landgerichtlichen Urteils auseinandergesetzt. Zur Verjährung äußert sich die Berufungsbegründung nicht. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem abschließenden Satz des vorletzten Absatzes der Berufungsbegründung, der Beklagte habe "mithin seine Amtspflicht bzgl. der Grundbucheinsicht und insbesondere seine Aufklärungspflicht verletzt." Daraus ergibt sich noch nicht, daß damit auch der - zutreffende - Rechtsstandpunkt des Landgerichts, ein angebliches Fehlverhalten des Beklagten - auch ein Aufklärungsverschulden - sei allein im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs nach § 19 BNotO, §§ 839, 852 BGB zu prüfen (vgl. BGHZ 134, 100, 106), in Zweifel gezogen werden sollte.
b) Freilich haben die Kläger erklärt, der erstinstanzliche Vortrag bleibe in vollem Umfang aufrechterhalten. Selbst wenn man darin - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - auch eine Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Ausführungen der Kläger zur Verjährung sehen wollte, genügt eine derart pauschale Verweisung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 24. Oktober 1988 - II ZR 68/88, BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 - Bezugnahme 2; Beschl. v. 25. Januar 1990 aaO; auch Urt. v. 15. Juni 1993 aaO; v. 9. März 1995 - IX ZR 142/94, NJW 1995, 1559; v. 9. März 1995 - IX ZR 143/94, NJW 1995, 1560; Beschl. v. 17. November 1997 - II ZB 10/97, NJW-RR 1998, 354, 355).
c) Darauf, ob das Landgericht das erstinstanzliche Vorbringen der Kläger zur Verjährung hinreichend gewürdigt hat, kommt es nicht an. Entscheidend ist, daß die Berufungsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des landgerichtlichen Urteils insoweit vermissen läßt. Die Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Berücksichtigung erstinstanzlichen Vorbringens, insbesondere unerledigter Beweisanträge, entwickelt hat, auf das in der Berufungsinstanz global Bezug genommen wird (vgl. BVerfG NJW 1992, 495; Zöller/Gummer, ZPO 20. Aufl. § 519 Rdn. 40, 41 m.w.N.), sind entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung auf die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit einer Berufungsbegründung nicht anwendbar. Dem steht der unter Nr. 1 beschriebene Sinn und Zweck einer Berufungsbegründung entgegen.
Ende der Entscheidung
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