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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.09.2000
Aktenzeichen: IX ZR 437/99
Rechtsgebiete: StBGebV, BGB
Vorschriften:
StBGebV § 4 Abs. 1 | |
BGB § 675 | |
BGB § 612 Abs. 2 | |
BGB § 632 Abs. 2 |
Nur solche Gebührenvereinbarungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, die, bezogen auf die jeweilige Angelegenheit, einen die gesetzliche Vergütung übersteigenden Honoraranspruch des Steuerberaters begründen sollen; allein die Überschreitung einer einzelnen gesetzlichen Gebühr ist rechtlich unerheblich.
BGB §§ 675, 612 Abs. 2, 632 Abs. 2
Wer eine die gesetzliche Vergütung unterschreitende mündliche Gebührenvereinbarung mit einem Steuerberater behauptet, hat deren Voraussetzungen zu beweisen.
BGH, Urteil vom 21. September 2000 - IX ZR 437/99 - OLG Frankfurt am Main LG Frankfurt am Main
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 21. September 2000
Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2000 durch die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Dr. Fischer und Raebel
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die beklagte OHG sowie zwei ihrer Gesellschafter beauftragten die klagende Steuerberatungsgesellschaft mit der Fertigung einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung. Diese Anzeige wurde am 17. März 1997 eingereicht und führte zu Nachforderungen des Finanzamts von insgesamt 267.000 DM.
Die Klägerin übersandte am 27. März 1997 eine vorgefertigte Honorarvereinbarung, die einen Stundensatz von 300 DM für die Tätigkeit des Steuerberaters, mindestens die gegenstandswertbezogene Mindestvergütung nach der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV), vorsah. Diese Vereinbarung wurde nicht unterzeichnet. Die Klägerin hat ihre Tätigkeit auf der Grundlage von § 30 StBGebV der Beklagten zunächst mit 26.927,25 DM, später mit 24.109,75 DM, und den Gesellschaftern mit weiteren rund 25.000 DM in Rechnung gestellt. Von den Gesellschaftern hat die Klägerin etwa 8.000 DM zzgl. Mehrwertsteuer Vorschuß erhalten.
Die Klägerin hat von der Beklagten Zahlung von 26.927,25 DM verlangt. Diese hat eingewandt, mit dem Geschäftsführer der Klägerin sei mündlich vereinbart worden, die gesamte Tätigkeit im Zusammenhang mit der Selbstanzeige auf der Basis eines Stundenlohns von 300 DM für den Steuerberater abzurechnen. Das der Klägerin zustehende Honorar sei durch den erhaltenen Vorschuß abgegolten. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 24.109,75 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben, das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Diese verfolgt mit der zugelassenen Revision den Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Behauptung der Beklagten, mit der Klägerin eine mündliche Gebührenvereinbarung getroffen zu haben, brauche nicht nachgegangen zu werden, weil eine entsprechende Abrede unwirksam wäre. Zwar sei es grundsätzlich zulässig, auch für die Tätigkeit des Steuerberaters im Selbstanzeigeverfahren ein Honorar nach Zeitgebühren zu vereinbaren. Mit einem Stundensatz von 300 DM werde jedoch der in § 13 StBGebV vorgesehene Gebührenrahmen überschritten. Daher hätte eine solche Gebühr wirksam nur schriftlich vereinbart werden können. Ob eine schriftliche Erklärung erforderlich sei, richte sich allein nach der jeweils einschlägigen Honorarbestimmung; denn diese Frage müsse sich im Zeitpunkt der Auftragserteilung beurteilen lassen. Infolgedessen hätte die hier behauptete Abrede einer Zeitgebühr selbst dann schriftlich fixiert werden müssen, wenn sie im Gesamtergebnis ein niedrigeres Honorar als bei Anwendung der in § 30 StBGebV vorgesehenen Gebühr zur Folge gehabt hätte.
II.
Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision mit Erfolg. Der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung ist nicht zu folgen.
1. § 4 Abs. 1 StBGebV entspricht inhaltlich der Bestimmung des § 3 Abs. 1 BRAGO. Beide Vorschriften dienen allein dem Schutz des Auftraggebers. Dieser soll sich ohne schriftliche Erklärung nicht wirksam verpflichten können, dem Berater ein Honorar zu zahlen, das die nach der Gebührenordnung geschuldete Vergütung übersteigt (amtliche Begründung zu § 4 StBGebV, abgedr. bei Eckert/Böttcher, StBGebV 2. Aufl. § 4 vor Rdnr. 1; vgl. auch Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO 8. Aufl. § 3 Rdnr. 10).
a) Entsprechend diesem Schutzzweck kann die Frage, ob die Vereinbarung zwischen dem Steuerberater und seinem Mandanten einen über das gesetzlich geschuldete Honorar hinausgehenden Anspruch begründen soll, nicht durch Vergleich mit einer einzelnen Gebührenvorschrift beantwortet werden. Vielmehr richtet sich die Beurteilung danach, was die Erledigung der gesamten Angelegenheit auf der Grundlage der Vereinbarung im Vergleich zur normierten Regelung kostet. Solange die Gebührenabrede nicht zur Folge hat, daß der Steuerberater ein höheres Honorar verlangen kann als nach gesetzlichem Gebührenrecht, ist der Auftraggeber in seinen von § 4 Abs. 1 StBGebV geschützten Belangen nicht betroffen. Dies wird auch von der Revisionserwiderung zutreffend so gesehen.
b) Diese Zielrichtung der Vorschrift kommt auch in deren Wortlaut zum Ausdruck. Die Norm knüpft die Schriftform nicht an die Abweichung von dem Gebührenrahmen einzelner Vorschriften - hier § 13 StBGebV -, sondern stellt darauf ab, ob die Vereinbarung eine höhere Vergütung zur Folge hat. Dieser Begriff ist bezogen auf die jeweilige Angelegenheit (Eggesiecker, Kommentar zur StBGebV 2. Aufl. Rdnr. 4.100, 4.150). Nur soweit die dafür vereinbarten Gebühren insgesamt das aus den gesetzlichen Vorschriften folgende Honorar übersteigen, entsteht kein durchsetzbarer Anspruch des Steuerberaters.
c) Dies kann im Einzelfall dazu führen, daß erst aufgrund der vom Steuerberater erteilten Abrechnung feststeht, ob die vereinbarte oder die gesetzliche Vergütung höher ist. Dadurch erwächst dem Auftraggeber, welcher eine mündliche Gebührenvereinbarung getroffen hat, indes kein Nachteil. Da er bei lediglich mündlicher Erklärung höchstens das gesetzliche Honorar, gegebenenfalls jedoch nur die niedrigere vereinbarte Vergütung schuldet, wird auf diese Weise der Zweck verwirklicht, der mit der Regelung des § 4 Abs. 1 StBGebV beabsichtigt ist.
2. Aus der Vertragsfreiheit folgt, daß der Steuerberater und der Mandant ein unter der gesetzlichen Vergütung liegendes Honorar wirksam vereinbaren können (Eckert/Böttcher, aaO § 4 Rdnr. 1; Eggesiecker, aaO Rdnr. 4.010). Daher ist es auch zulässig, über den von § 13 StBGebV beschriebenen Bereich hinaus die Tätigkeit des Steuerberaters anstelle von Wertgebühren mit Zeitgebühren abzugelten (Eggesiecker, aaO Rdnr. 4.600). Selbst dort, wo der Berater durch die Vereinbarung im Einzelfall standeswidrig handelt, hat dies auf den Bestand der Gebührenabrede grundsätzlich keinen Einfluß (BGHZ 132, 229, 238 f; vgl. auch OLG Frankfurt OLG Report Frankfurt 1993, 307). Tatsachen, die geeignet sein könnten, die getroffene Vereinbarung sittenwidrig erscheinen zu lassen, sind im Streitfall nicht ersichtlich; denn die Klägerin hat nichts vorgetragen, was darauf hindeutet, daß eine Vergütung von 300 DM je Stunde in deutlichem Mißverhältnis zu Bedeutung und Schwierigkeit der steuerlichen Tätigkeit steht.
3. a) Derjenige, der behauptet, eine unter den gesetzlichen Gebühren liegende Vereinbarung getroffen zu haben, muß die entsprechenden Voraussetzungen darlegen und beweisen. Dies folgt für eine Geschäftsbesorgung, welche eine dienstvertragliche Tätigkeit zum Gegenstand hat, aus § 612 Abs. 2 BGB, wonach im Zweifel die taxmäßige und in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen ist (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast 2. Aufl. § 612 BGB Rdnr. 5; OLG München NJW 1984, 2537). Für Geschäftsbesorgungen mit werkvertraglichem Charakter gilt nichts anderes. Der Wortlaut von § 632 Abs. 2 BGB ist mit demjenigen des § 612 Abs. 2 BGB identisch. Daher ist auch dort im Zweifel von der durch den Gesetzgeber getroffenen Regelung auszugehen (im Ergebnis ebenso Baumgärtel, aaO § 632 BGB Rdnr. 30, § 675 BGB Rdnr. 9; OLG München aaO). Die im Werkvertragsrecht ansonsten geltende Regel, wonach den Unternehmer, der sich auf die taxmäßige oder übliche Vergütung beruft, dafür die Beweislast trifft, wenn der Besteller eine abweichende Vereinbarung behauptet (vgl. BGH, Urt. v. 26. März 1992 - VII ZR 180/91, WM 1992, 1288, 1289; v. 23. Januar 1996 - X ZR 63/94, NJW-RR 1996, 952; Baumgärtel, aaO § 632 BGB Rdnr. 10 ff), ist auf Fälle gesetzlicher Honorarvorschriften nicht zu übertragen (BGH, Urt. v. 15. Mai 1997 - IX ZR 119/96, NJW-RR 1997, 1285).
b) Die Revisionserwiderung meint, die Beklagte habe eine Gebührenvereinbarung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Diese Gegenrüge greift nicht durch.
Die Beklagte hat unter Beweisantritt behauptet, ein erstes Gespräch wegen der Selbstanzeige habe mit dem Geschäftsführer der Klägerin am 14. März 1997 stattgefunden. Schon dabei sei gemeinsam entschieden worden, daß die Klägerin die Selbstanzeige umgehend erstellt und die gesamte Tätigkeit auf Zeitbasis zu einem Stundenlohn von 300 DM für den Steuerberater abrechnet. Damit sind die rechtserheblichen Tatsachen in nachvollziehbarer und der Beweiserhebung zugänglicher Weise dargestellt.
III.
Das Berufungsgericht wird daher nunmehr aufzuklären haben, ob die Parteien die behauptete Vereinbarung geschlossen haben, und bei einem für die Beklagte günstigen Ergebnis den Arbeitsaufwand der Klägerin ermitteln müssen.
Ende der Entscheidung
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