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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: IX ZR 463/00
Rechtsgebiete: BNotO, BGB, ZPO
Vorschriften:
BNotO § 19 Abs. 1 | |
BGB § 161 Abs. 1 | |
ZPO § 857 Abs. 1 | |
ZPO § 840 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 4. März 2004
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Fischer , Raebel, Vill und Cierniak
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden die Urteile des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 2000 und der 22. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2000 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der beklagte Notar beurkundete am 8. Oktober 1997 einen Kauf- und Abtretungsvertrag, mit welchem die p. GmbH und der Streitverkündete W. ihre Geschäftsanteile an der M. S. GmbH Recycling-Anlagen-Management (im folgenden: GmbH) an den bisherigen Mitinhaber und Geschäftsführer So. verkauften und übertrugen (Nr. 3../97 der Urkundenrolle). Im unmittelbaren Anschluß daran beurkundete der Beklagte eine Treuhandvereinbarung, in welcher dieselben Beteiligten das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft des Kauf- und Abtretungsvertrages unter eine Anzahl aufschiebender Bedingungen stellten, Kaufpreishöhe und -zahlungsweise bestimmten und den Urkundsnotar gemeinschaftlich anwiesen, über die Kauf- und Abtretungsurkunde erst nach Eintritt aller Bedingungen zu verfügen (Nr. 3../97 der Urkundenrolle). Hierzu gehörte der Eingang von 240.000 DM als Kaufpreis für den Geschäftsanteil W. s auf dem Notaranderkonto des Beklagten.
Am 18. und 23. Oktober 1997 trat W. seinen Kaufpreisanspruch in mehreren Teilen ab und ersuchte den Beklagten, die abgetretenen Beträge direkt an die Zessionare auszukehren.
Mit Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 6. November 1997 - Geschäftsnummer 83 M 1../97 - ließ die Klägerin den Geschäftsanteil W. s an der GmbH pfänden. Am 27. November 1997 erteilte So. der Deutschen Bank den Auftrag, 240.000 DM auf das Anderkonto des Beklagten zu überweisen, wobei er als Verwendungszweck angab: "Kaufpreisanteil Ph. W. für UR-Nrn. 3../97 u. 3../97 zugunsten (Angabe der Klägerin) gem. Pfändungs- u. Überweisungsbeschluss 83 M 1../97". Der Überweisungsträger wurde dem Beklagten am folgenden Tag in Kopie übermittelt.
Mit Telefaxschreiben vom 1. Dezember 1997 teilte die GmbH der Klägerin die Überweisung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto zu ihren Gunsten mit und berief sich im übrigen auf die Anteilsveräußerung vom 8. Oktober 1997. Ebenfalls am 1. Dezember 1997 hielt der Beklagte die in der Treuhandvereinbarung genannten Bedingungen für erfüllt und überwies den Kaufpreis für den Geschäftsanteil W. s an die von diesem benannten Zessionare.
W. leistete am 9. Februar 1999 die eidesstattliche Offenbarungsversicherung.
Am 11./12. März 1998 trat So. mögliche Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe seine Amtspflichten gegenüber So. fahrlässig verletzt, indem er das Guthaben W. s gemäß dessen Weisung ohne klärende Rückfrage bei So. an die Zessionare ausgekehrt habe. Hierdurch sei So. geschädigt worden; denn um einen unbelasteten Geschäftsanteil zu erwerben, müsse er nunmehr den Betrag von 240.000 DM ein zweites Mal aufwenden.
Die Klägerin ist mit diesem Anspruch in den Vorinstanzen durchgedrungen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat gemeint, der Beklagte sei aufgrund der Treuhandvereinbarung verpflichtet gewesen, die Zahlungsanweisung So. s auszuführen. Jedenfalls sei er zur Rücksprache mit So. verpflichtet gewesen, bevor er den Betrag an die Zessionare W. s habe auskehren dürfen. Die Pfändung der Geschäftsanteile bei W. sei trotz der Abtretung vom 8. Oktober 1997 nicht unwirksam, sondern allenfalls mangelhaft gewesen. Diesen Mangel habe die Genehmigung So. s vom 1. Dezember 1997 geheilt. Im Falle weisungsgemäßer Auszahlung des Beklagten an die Klägerin würde So. einen unbelasteten Geschäftsanteil von W. erworben haben, während er dafür nach dem tatsächlichen Verlauf nochmals zahlen müsse.
II.
Das beruht auf fehlerhafter Rechtsanwendung. Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht von So. gegen den Beklagten kein Schadensersatzanspruch (§ 19 Abs. 1 BNotO) zu, weil ihr Zedent durch die Eigenmacht des Beklagten nicht geschädigt worden ist.
1. Revisionsrechtlich bindend ist die tatrichterliche Auslegung des Berufungsgerichts, nach welcher für die Veräußerung der Geschäftsanteile an der GmbH vom 8. Oktober 1997 beide an diesem Tage errichteten Urkunden des Beklagten als Einheit gewertet werden müssen und danach (auch) die Abtretung der Geschäftsanteile von vornherein unter den aufschiebenden Bedingungen der unmittelbar nachfolgenden Treuhandvereinbarung stand.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Telefaxschreiben an die Klägerin vom 1. Dezember 1997 genehmige die Pfändung des von So. aufschiebend bedingt erworbenen Gesellschaftsanteils, verstößt gegen die §§ 133, 157 BGB. Das auf einen Briefbogen der GmbH gesetzte und von So. als deren Geschäftsführer unterzeichnete Schreiben lautet:
"Unter Bezugnahme auf den ... Pfändungs- und Überweisungsbeschluß" (gegen Herrn Ph. W. , Aktenzeichen 83 M .../97) "teilen wir Ihnen mit, daß Herr Ph. W. seine Geschäftsanteile an unserer Gesellschaft bereits am 08.10.1997 gemäß Urkunden Nr. 3../97 und 3../97 des Notars ... veräußert hat.
Den Herrn Ph. W. zustehenden Kaufpreis über DM 240.000,-- haben wir dem vorgenannten Notar auf ein Anderkonto zu Ihren Gunsten überwiesen."
Dieses Schreiben enthält weder nach seinem Absender - der GmbH - noch nach seinem Inhalt die Genehmigung einer gemäß § 161 Abs. 1 Satz 2 BGB nur vorläufig wirksamen Pfändung in den aufschiebend bedingt abgetretenen Geschäftsanteil.
Genehmigungsbefugt war allein der nach § 161 Abs. 1 BGB in seinem Anwartschaftsrecht geschützte bedingte Erwerber persönlich (BGHZ 92, 280, 288; vgl. auch BGHZ 40, 115, 119 zum rechtsähnlichen Fall des § 2113 Abs. 1 BGB), nicht die von ihm vertretene GmbH. Diese hat sich allerdings nach § 840 ZPO bei der Anteilspfändung als Drittschuldnerin erklärt. Auf diese Umstände ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.
Das Schreiben vom 1. Dezember 1997 kann nach seinem gesamten Inhalt nicht als Genehmigung der Pfändung verstanden werden, obwohl die Revisionserwiderung einen entsprechenden Verlautbarungswillen in dem zweiten Absatz des Schreibens erkennen möchte, der auf die Überweisung des Kaufpreises zugunsten der Klägerin hinweist. Aus diesem Hinweis geht jedoch nur hervor, daß die GmbH irrtümlich annahm, die Klägerin habe auch die bedingte Kaufpreisforderung von W. gegen So. aus den Verträgen vom 8. Oktober 1997 gepfändet und zur Einziehung überwiesen erhalten. Eine solche Pfändung erwirkte die Klägerin jedoch erst am 17. Dezember 1997; sie ging wegen der Abtretungen vom 18. und 23. Oktober 1997 ins Leere. In bezug auf die Pfändung des Geschäftsanteils gibt das Schreiben vom 1. Dezember 1997 keinerlei Rechte preis, die So. durch die Vereinbarungen vom 8. Oktober 1997 erworben hatte. Die Mitteilung dieses Veräußerungsvorgangs unter Betonung des zeitlichen Vorrangs vor der Pfändung war im Rahmen der Drittschuldnererklärung der GmbH gerade deshalb nötig, weil auf das die Veräußerung hindernde Recht So. s nach § 857 Abs. 1, § 840 Abs. 1 Nr. 2 ZPO hingewiesen werden mußte. Ob das Anwartschaftsrecht des bedingten Anteilserwerbers wie im Falle des Vorbehaltskäufers bei Zwangsvollstreckung gegen den Vorbehaltsverkäufer zur sofortigen Drittwiderspruchsklage berechtigt (zu letzterem Fall vgl. BGHZ 55, 20, 27; s. auch § 773 ZPO und Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 771 Rn. 20, 21), bedarf im vorstehenden Zusammenhang keiner Entscheidung. Wollte So. das Anwartschaftsrecht als bedingter Anteilserwerber gegen die Klägerin auch nach Bedingungseintritt nicht geltend machen, so hätte es nahegelegen, daß die von ihm vertretene GmbH auch dies in ihre Drittschuldnererklärung aufnahm. Das ist nicht geschehen. Die statt dessen mitgeteilte Kaufpreisüberweisung von So. konnte auch nicht als Ablösung eines von So. anerkannten Pfändungspfandrechts an dem Geschäftsanteil verstanden werden. Denn weder ist dieser Leistungszweck angegeben worden, noch wäre hierfür die Kaufpreisschuld ausschlaggebend gewesen. Maßgeblich hätte vielmehr für diesen Zweck nur die Höhe der durch das Pfändungspfandrecht gesicherten Forderung der Klägerin sein können und in zweiter Linie der Verkehrswert des gepfändeten Gesellschaftsanteils im Falle der Verwertung nach den §§ 844, 857 Abs. 2 ZPO. Auch diese Umstände hat das Berufungsgericht verkannt.
3. Rechtsfehlerhaft ist ferner der Schluß des Berufungsgerichts, So. hätte den aufschiebend bedingt abgetretenen Gesellschaftsanteil lastenfrei erworben, wenn der Beklagte dessen rechtlich verfehlte Weisung bei Einzahlung der Kaufpreisvaluta auf sein Notaranderkonto am 27. November 1997 befolgt hätte.
Diese - mit einschränkender Weisung versehene - Kaufpreiszahlung hat die Verpflichtung von So. aus der Treuhandvereinbarung vom 8. Oktober 1997 gegenüber W. noch nicht erfüllt. Denn eine solche Einschränkung war mit diesen Abreden nicht vereinbar. Weder für den Anteilsverkauf noch für die verfügende Anteilsabtretung wäre die aufschiebende Bedingung der Treuhandvereinbarung deshalb eingetreten, wenn der Beklagte die erhaltene Weisung befolgt hätte. Die Klägerin hätte die weisungsgemäße Auszahlung vom Notaranderkonto statt dessen ohne Rechtsgrund erlangt, weil sie die Kaufpreisforderung von W. am 27. November 1997 noch nicht gepfändet und zur Einziehung überwiesen erhalten hatte (§§ 829, 835, 836 ZPO). Ihre spätere Pfändung ging ohnehin ins Leere, weil W. seine aufschiebend bedingte Kaufpreisforderung bereits am 18. und 23. Oktober 1997 vollständig an Dritte abgetreten hatte. Gerade die Ausführung seiner Weisung hätte So. folglich erst in die zu Unrecht dem Beklagten zur Last gelegte Lage gebracht, den Kaufpreis ein zweites Mal zahlen zu müssen, um den Gesellschaftsanteil endgültig erwerben zu können.
4. Der Beklagte hat, indem er die Weisung So. s zur Auszahlung an die Klägerin ignorierte und statt dessen die in Wahrheit berechtigten Zessionare nach der älteren Weisung W. s befriedigte, die bedingte Kaufpreisverbindlichkeit So. s nach § 158 Abs. 1 BGB endgültig entstehen lassen und erfüllt. Denn aus der Sicht der Zessionare W. s war nicht erkennbar, daß der Beklagte mit der Weiterleitung der Kaufpreisteile an sie gegen Weisungen des Käufers verstieß. Nach ihrem Empfängerhorizont überbrachte der Beklagte die vertragliche Leistung des Käufers So. , für die sie nach Abtretung des aufschiebend bedingten Kaufpreisanspruchs empfangsberechtigt waren. Der Beklagte hatte damit - eigenmächtig - auch die aufschiebende Bedingung für den Anteilsübergang von W. an So. herbeigeführt, für den So. bei weisungsgemäßem Verhalten des Beklagten den Kaufpreis ein zweites Mal zur Befriedigung der Zessionare hätte aufbringen müssen. So konnte So. sogleich gegenüber der Klägerin nach den §§ 771 ZPO, 161 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgehen, um sein nach der Begründung der Anwartschaft besseres Recht gegen sie durchzusetzen. Ein Schaden So. s, auf den sich die Klage stützt, ist durch die Eigenmacht des Beklagten nicht verursacht, sondern verhindert worden. Zu einer Zahlung an die Klägerin hatte So. keinerlei rechtlich begründete Veranlassung.
Ende der Entscheidung
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