Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.02.2008
Aktenzeichen: IX ZR 49/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 290 Satz 1
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZR 49/07

vom 28. Februar 2008

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter und Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer

am 28. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Februar 2007 zugelassen.

Auf die Revision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 28.847,06 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger beauftragte die beklagten Rechtsanwälte, für ihn Architektenhonorar gegen eine Frau S. einzuklagen (LG Trier 5 O 93/99). Frau S. rechnete mit Schadensersatzansprüchen wegen Mängeln der vom Kläger erbrachten Planungs- und Überwachungsleistungen auf. Am 13. September 2002 schlossen die Parteien des Vorprozesses - der Kläger vertreten durch den jetzigen Beklagten zu 3 - einen Widerrufsvergleich des Inhalts, dass keine gegenseitigen Ansprüche mehr bestünden. Der Beklagte zu 3 widerrief namens des Klägers den Vergleich. Unter dem 8. Oktober 2002 schrieb er an den Kläger, der Widerruf sei erforderlich geworden, weil noch keine Äußerung des Haftpflichtversicherers des Klägers vorliege. Nachdem der Kläger die Korrespondenz mit dem Versicherer übernommen habe und ihm, dem Beklagten zu 3, noch nicht einmal eine Schadensnummer vorliege, bitte er um Nachricht, damit die weitere Vorgehensweise besprochen werden könne. Am 25. Oktober 2002 schloss der Beklagte zu 3 den widerrufenen Vergleich er-neut, jedoch ohne Widerrufsvorbehalt. Der Haftpflichtversicherer des Klägers lehnte jegliche Leistungen ab, weil der Vergleich weder vorab mitgeteilt noch von ihm genehmigt worden sei.

Der Kläger wirft den Beklagten vor, den Vergleich voreilig ohne die notwendige Beteiligung des Haftpflichtversicherers geschlossen zu haben. Er verlangt Schadensersatz in Höhe der Honorarforderung von 32.432,78 € abzüglich der Selbstbeteiligung sowie der Kosten einer Streitverkündung, insgesamt 28.847,06 €. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

II.

Die Revision ist zulässig und begründet, weil das angegriffene Urteil den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 7 ZPO).

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe den Vortrag der Beklagten dazu, dass ihr Mandat die Abstimmung mit dem Haftpflichtversicherer nicht umfasst habe, nicht widerlegt. Der Beklagte zu 3 habe die ihm aufgrund des Anwaltsvertrages obliegenden Pflichten auch nicht dadurch verletzt, dass er den Vergleich ohne Weisung des Klägers geschlossen habe. In erster Instanz sei unstreitig gewesen, dass am 11. Oktober 2002 eine Besprechung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 3 stattgefunden habe, in deren Verlauf der Kläger sein Einverständnis mit dem Abschluss des Vergleichs erteilt habe. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz bestritten habe, dass es diese Besprechung gegeben habe, handele es sich um neues Vorbringen, das nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO präkludiert sei.

2. Damit hat das Berufungsgericht Teile des entscheidungserheblichen Vorbringens des Klägers übergangen.

a) Der Kläger hat in erster Instanz zugestanden (§ 288 Abs. 1 ZPO), dass die Besprechung vom 11. Oktober 2002 mit dem Ergebnis, dass der Vergleich geschlossen werden sollte, stattgefunden hat. Das im ersten Rechtszug abgelegte gerichtliche Geständnis behält seine Wirksamkeit auch für die Berufungsinstanz (§ 535 ZPO). Ein Widerruf ist nur unter den Voraussetzungen des § 290 Satz 1 ZPO möglich, dann also, wenn die Partei beweist, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspricht und durch einen Irrtum veranlasst war. Das ist nicht geschehen.

b) Den erstinstanzlichen Vortrag des Klägers dazu, was am 11. Oktober 2002 besprochen worden sein soll, hätte das Berufungsgericht jedoch vollständig verwerten müssen. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte zu 3 habe am 11. Oktober 2002 erklärt, die Abstimmung mit dem Haftpflichtversicherer zwischenzeitlich vorgenommen zu haben. Zum Beweis hat er sich auf den Zeugen R. berufen, der an der Besprechung teilgenommen haben soll. Ergänzend hat der Kläger den Zeugen B. zum Beweise dessen benannt, dass der Beklagte zu 3 diesem gegenüber ausdrücklich eingeräumt habe, die Schadensmeldung versäumt zu haben. Beide Zeugen hätten gehört werden müssen. Das Gericht darf nicht neuen Vortrag zurückweisen, früheren Vortrag aber als durch den neuen Vortrag überholt behandeln. Ein solches Verfahren findet in Vorschriften des Prozessrechts oder des materiellen Rechts keine Stütze und verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

Ende der Entscheidung

Zurück