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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.11.2008
Aktenzeichen: IX ZR 64/08
Rechtsgebiete: ZPO, ZVG
Vorschriften:
ZPO § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 | |
ZPO § 771 | |
ZVG § 9 Nr. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 6. November 2008
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape und Grupp
am 6. November 2008
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. März 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf (450.000 € + 20.000 € =) 470.000 € festgesetzt.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist - neben dem Unterlassungsbegehren - eine Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO), kein vollstreckungsgerichtliches Verfahren. Diese kann grundsätzlich nur mit dem materiellen Recht des Klägers begründet und nicht auf die Verletzung vollstreckungsrechtlicher Verfahrensvorschriften wie auch den Grundsatz der Vollstreckungsimmunität gestützt werden.
a) Überschneidungen können sich allerdings ergeben, wenn das Vollstreckungsgericht und das an seine Stelle tretende Gericht der sofortigen Beschwerde ausnahmsweise auch das materielle Recht prüfen müssen. In einem solchen Fall, etwa beim evidenten Dritteigentum oder bei nichtigen Vollstreckungsakten, kann dem Dritten neben den verfahrensrechtlichen Rechtsbehelfen auch die Klage aus § 771 ZPO zustehen (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 1962 - VIII ZR 125/61, WM 1962, 1177; Musielak/Lackmann, ZPO 6. Aufl. § 771 Rn. 3). Über Vollstreckungsmängel ist dagegen zwingend in dem hierfür vorgesehenen Verfahren (hier: § 28 Abs. 2 ZVG in Verbindung mit §§ 766, 793 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG) zu befinden (vgl. Stöber, ZVG 18. Aufl. § 28 Rn. 9 f). Dies gilt auch für einen Dritten, wenn er als Beteiligter (§ 9 ZVG) zur Erinnerung befugt ist (vgl. Stöber, aaO § 28 Rn. 10). Der Nutzer, der aufgrund eines Überlassungs-, Miet-, Pacht- oder sonstigen Vertrages zur Nutzung eines Grundstücks berechtigt ist, gehört zum Kreis der Beteiligten im Sinne des § 9 Nr. 2 ZVG, wenn er sein Recht anmeldet und glaubhaft macht; ein schuldrechtlicher Anspruch ist hierfür ausreichend (vgl. Stöber, aaO § 9 Rn. 2 unter 2.8).
b) Soweit sich die Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht und im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unter Bezugnahme auf Nr. 7 der Erklärung des Leiters der Hauptverwaltung für internationale Zusammenarbeit der Verwaltung der Angelegenheiten des Präsidenten der Russischen Föderation vom 30. April 2008 auf die Verletzung der Vollstreckungsimmunität beruft, handelt es sich um eine das Vollstreckungsverfahren betreffende Einwendung, die mit vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen geltend zu machen ist. Aus den beigezogenen Versteigerungsakten (93 K 29/06 - AG Köln) ergibt sich, dass die Russische Föderation einen hierauf gestützten Antrag sowohl im Zwangsversteigerungs- als auch im Zwangsverwaltungsverfahren gestellt und mit der sofortigen Beschwerde weiterverfolgt hat (vgl. Schriftsätze vom 18. Mai 2007, vom 7. September 2007, vom 18. Oktober 2007).
Diese Zuordnung der Prüfung der Vollstreckungsimmunität entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die maßgeblichen Verfahren, in denen in jüngster Zeit die Reichweite dieses völkerrechtlichen Grundsatzes zu prüfen war, betrafen Rechtsbeschwerden gegen vollstreckungsrechtliche Entscheidungen (vgl. BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003 - IXa ZB 19/03, WM 2003, 1388, 1389; v. 4. Oktober 2005 - VII ZB 8/05, WM 2006, 41, 42; v. 4. Oktober 2005 - VII ZB 9/05, WM 2005, 2274, 2275). Gleiches gilt für die Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit Fragen der Vollstreckungsimmunität. Die zugrunde liegenden Ausgangsverfahren waren jeweils Vollstreckungsverfahren (vgl. BVerfGE 46, 342, 346 f; 64, 1, 5 ff; 117, 141, 143). Die Nichtzulassungsbeschwerde macht nicht geltend, warum von dieser verfahrensmäßigen Handhabung, von der auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, abgerückt werden sollte.
2. Das Berufungsgericht geht von dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im wesentlichen unstreitigen Sachverhalt aus, dass das betroffene Grundstück zum Finanzvermögen der Schuldnerin gehörte, keinem öffentlichen Zweck gewidmet, sondern von der Klägerin gewerblich an die G. AG vermietet war. Daraus hat es den zutreffenden Schluss gezogen, dass es keinen "hoheitlichen Zwecken" diene und zu keinem Drittwiderspruchsrecht der Klägerin führe.
a) Dieser Sachverhalt ist auch im vorliegenden Verfahrensabschnitt maßgeblich, soweit die Beurteilung des materiellen Rechts der Klägerin an dem Grundstück in Frage steht.
aa) Die Klägerin hatte zu der rechtlichen Einordnung ihrer Rechtstellung an dem Grundstück und zu den mit der Nutzung verfolgten Zwecken in dem bestimmenden Schriftsatz vom 22. Juni 2006 vorgetragen:
Ab dem Jahre 1991 wurde das russische Rechtssystem grundlegend reformiert. Insbesondere wurden die Immobilien, die Staatseigentum waren, im Zuge der Privatisierung zum größten Teil in Privateigentum überführt. Immobilien, die aktuell nicht hoheitlich genutzt wurden, für die Privatisierung aber nicht geeignet waren, verblieben zunächst im Staatseigentum.
Die fiskalischen Aufgaben sollten nicht mehr staatlich ausgeübt werden und wurden daher größtenteils an Private übertragen. Anders als z.B. in Deutschland bediente man sich dabei nicht "klassischer" Rechtsformen der Kapitalgesellschaften mit staatlicher Beteiligung. Hierfür wurde vielmehr die neue Rechtsform des staatlich unitarischen Unternehmens (Art. 113 ff ZGB) geschaffen. Die Zwecksetzung dieser Unternehmen unterscheidet sich kaum von den Zielen, wie diese z.B. von kommunalen Versorgungsunternehmen oder kommunalen Beteiligungsgesellschaften in der Bundesrepublik verfolgt werden. Davon sind "Einrichtungen" zu unterscheiden, die den deutschen kommunalen oder staatlichen Eigenbetrieben weitestgehend entsprechen. Diese verfügen über kein eigenes Budget und haben nicht etwa nur Überschüsse, sondern schon etwaige Einnahmen an ihren Gründer abzuführen. Der Gründer eines unitarischen Unternehmens legt zwar seine Satzung fest, kann ihm jedoch im Rahmen der laufenden Tätigkeit keine Weisungen erteilen.
Auf die Übertragung des Volleigentums in die unitarischen Unternehmen hat man verzichtet und stattdessen ein "minderwertiges" Eigentum in Form des Rechts zur wirtschaftlichen Verwaltung (Art. 294 ZGB) geschaffen. Das Vermögen, das ein unitarisches Unternehmen zur Erfüllung fiskalischer Aufgaben benötigt, wird ausschließlich in Form eines solchen "minderwertigen" Eigentums geleistet. Dabei büßen der Staat oder die Kommune nicht vollständig das Eigentum ein, können die Übertragung des Rechts der wirtschaftlichen Verwaltung aber auch nicht rückgängig machen.
Dieser Vortrag entspricht der von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten eigenen Satzung vom 18. Mai 2005, in der das Unternehmen unter Punkt 1.8 als "kommerzielle Organisation" bezeichnet wird.
bb) Ohne Erfolg beanstandet die Nichtzulassungsbeschwerde als Gehörsverstoß, das Berufungsgericht habe den neuen Sachvortrag der Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung, wonach das Grundstück hoheitlichen Zwecken diene, übergangen. Soweit der von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführte Schriftsatz vom 5. März 2008 eine andere Sachdarstellung enthält, war dieses neue Angriffsmittel aus Gründen des Prozessrechts (§ 296a Satz 1 ZPO) bei der Prüfung des Sachverhältnisses (Veräußerung hinderndes Recht) nicht zu berücksichtigen, weil der Klägerin kein Schriftsatznachlass gewährt worden war (vgl. Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 297 Rn. 2). Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 12. Februar 2008 ist der als übergangen gerügte Vortrag auch nicht im Verlauf der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt worden.
Der Hinweis auf den anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach die völkerrechtliche Vollstreckungsimmunität als Verfahrenshindernis in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten sei (vgl. BVerfGE 46, 342, 359; BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003 - IXa ZB 19/03, aaO S. 1389), führt auch in Verbindung mit den sonst geltend gemachten Rechtspositionen der Klägerin und der Russischen Förderation nicht zu einem die Veräußerung hindernden Recht. Der private Einzelne - wie der fremde Staat - kann sich im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts - wie auch auf sonstiges objektives Recht - nur im Rahmen des jeweiligen Verfahrensrechts berufen (BVerfGE 46, 342, 363).
b) Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Nr. 6 der Erklärung der Verwaltung der Angelegenheiten des Präsidenten der Russischen Föderation vom 30. April 2008 im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde weiterhin geltend macht, das die Veräußerung hindernde Recht ergebe sich aus der dem öffentlichen Recht zuzurechnenden Delegierung des Vermögens durch die Schuldnerin auf die Klägerin, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass unter Berücksichtigung des Völkerrechts (Art. 25 GG) Vermögen eines fremden Staates, welches im Zeitpunkt der Anordnung der Vollstreckungsmaßnahme nicht hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dient, dem Vollstreckungszugriff eines Gläubigers aus einem Vollstreckungstitel gegen den fremden Staat, der über ein nicht-hoheitliches Verhalten dieses Staates ergangen ist, offen steht (BVerfGE 46, 342, 392, 395 ff; 64, 1, 16, 40 f, 43; 117, 141, 153 f; vgl. auch BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003 - IXa ZB 19/03, aaO S. 1389; v. 4. Oktober 2005 - VII ZB 8/05, WM 2006, 41, 42; v. 4. Oktober 2005 - VII ZB 9/05, WM 2005, 2274, 2276). Was für den fremden Staat selbst gilt, hat auch gegenüber dem rechtsfähigen Unternehmen des fremden Staates Gültigkeit, dem jedenfalls keine weitergehende "Immunität" zukommen kann (BVerfGE 64, 1, 23). An dieser Rechtsprechung durfte das Berufungsgericht seine Entscheidung ausrichten; Zweifel im Sinne des Artikel 100 Abs. 2 GG bestanden nicht. Ein Verstoß gegen Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt deshalb nicht vor.
3. Die Anwendung von Art. 43 Abs. 1, Art. 46 EGBGB auf das von der Klägerin reklamierte Wirtschaftsführungsrecht wirft auch im Übrigen keine Grundsatzfrage auf, die eine Zulassung der Revision rechtfertigt. Die Reichweite des Belegenheitsgrundsatzes ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt (vgl. BGHZ 100, 321, 324; BGH, Urt. v. 28. September 1994 - IV ZR 95/03, WM 1994, 2124, 2126). Danach kommt die Anerkennung eines ungebuchten Immobiliarsachenrechts aufgrund einer im Ausland durch Hoheitsakt begründeten Nutzverwaltung nicht in Betracht. Aus der von der Nichtzulassungsbeschwerde zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Umwandlung im Wege der Spaltung (BGH, Urt. v. 25. Januar 2008 - V ZR 79/07, WM 2008, 607, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ 175, 123) ergibt sich nichts anderes. Sie betrifft einen anderen rechtlichen Zusammenhang. Eine obligatorische Rechtsposition des Nutzverwalters eines ausländischen Grundstücksfiskus hindert unbeschadet der in der Erklärung vom 30. April 2008 dargelegten Verhältnisse die Zwangsversteigerung des Grundstückseigentums nicht.
4. Bei der Behandlung des Unterlassungsanspruchs ist das Berufungsgericht nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen.
5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes war hinsichtlich des auf § 771 ZPO gestützten Anspruchs der (geringere) Wert der gesicherten Forderung maßgeblich (Hk-ZPO/Kayser, 2. Aufl. § 3 Rn. 15 "Drittwiderspruchsklage"; Schuschke/Walker/Raebel, ZPO 4. Aufl. § 771 Rn. 52).
Ende der Entscheidung
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